Rainer Bonhorst / 03.01.2015 / 18:13 / 3 / Seite ausdrucken

Krieg der Hühnchen

Ich freue mich schon darauf, demnächst in Amerika wieder ein Chlorhühnchen zu essen. Es ist mal eine Abwechslung. Die deutschen Antibiotikahühnchen sind zwar auch lecker. Aber Gewohnheit erzeugt Langeweile.

Deshalb verstehe ich den deutschen Chlorhühnchenkrieg nicht. Die Hühnchenkrieger sind gegen das Transatlantische Freihandelsabkommen, weil es den amerikanischen Chlorhühnchen erlaubt, zu uns ins Land der Antibiotikahühnchen zu flattern. Ich sage mir: Lass sie doch. So viel besser sind die Chlorhühnchen auch wieder nicht. Sie werden unser mit Antibiotika aufgemöbeltes Federvieh schon nicht verdrängen. Ich finde es sogar gut, dass ich eines Tages frei entscheiden kann, ob ich lieber ein Huhn esse, das zu Lebzeiten mit verschreibungspflichtigen Medikamenten vollgestopft, oder nach der Schlachtung in übel riechendes Chlor getunkt worden ist.

Schwieriger ist der Fall mit dem Fracking. Wie es heißt, wollen die Amerikaner uns mit ihrem umweltzerstörenden Fracking unterwandern. Dabei haben wir doch mit unserer Braunkohle bisher so gute Erfahrungen gemacht. Die ist doch mindestens genauso umweltunfreundlich wie das Fracking. Und sie ist schließlich unsere eigene Umweltsauerei. Wozu brauchen wir dann noch eine fremde amerikanische! Ohne überheblich zu sein, kann man doch sagen: Die Zerstörung der Umwelt durch Braunkohle hat eine lange, erhabene Geschichte und ist darum kulturphilosophisch höherwertig als das neureiche Fracking der Amerikaner.

Andererseits kann man die Sache auch wie die Hühnchen betrachten. Vielleicht ergänzen sich Fracking und Braunkohle ja aufs Schönste. Man könnte überall dort, wo man mit der Braunkohle keinen Schaden anrichten kann, auf das Fracking zurückgreifen.

Aber das sind Details. Chlorhühnchen hin, Antibiotikahühnchen her, Braunkohle hin, Fracking her - die entscheidende Frage ist: Wer entscheidet das alles? Hier lautet die einfache Antwort: Wir nicht. Das Freihandelsabkommen wird in aller Diskretion verhandelt, damit eventuelle Störenfriede nicht wissen, wo genau und wie sie stören können.

Dieses Verfahren der Störervermeidung hat sich mehrfach bewährt. Schon das Europäische Abkommen mit Kanada ist auf diese diskrete Weise weitgehend unbehindert zustande gekommen. Und nach dieser Methode arbeitet ja auch die Europäische Union. Ein nur wenig kontrollierter Beamtenapparat werkelt von der Öffentlichkeit nahezu ungestört vor sich hin. Und wenn schließlich wir Bürger über die Ergebnisse der Brüsseler Tätigkeit informiert werden, können wir die Energie verschwendenden Glühbirnen nur noch zähneknirschend gegen die giftigen Sparbirnen austauschen.

Es handelt sich hier um die schon länger erfolgreich praktizierte wohlwollende Entdemokratisierung. Der Wahlbürger wird von den Gremien, die wirklich etwas zu sagen haben, zu seinem eigenen Guten ferngehalten, damit er sich nicht in Dinge einmischt, die sein Leben bestimmen. In Brüssel werden inzwischen 80 Prozent aller wichtigen Entscheidungen getroffen, wie uns die somit weitgehend entmündigten Bundes- und Landtagsabgeordneten immer wieder fröhlich lächelnd versichern. Während die halbmündigen Europaabgeordneten fern der Heimat ihre eigenen Kreise ziehen.

Bei den Freihandelsabkommen geht diese von offizieller Einmischung befreite Professionalisierung noch einen Schritt weiter. Spezialisierte Schiedsgerichte entscheiden in Konflikten zwischen Staaten und Konzernen, wer Recht hat und wer zahlen muss. Auch dies ist ein Fortschritt, der lästiges, demokratisch legitimiertes Eingreifen überwindet. Unsere eigentlichen unabhängigen Gerichtsbarkeiten, die von den demokratischen Verfassungen vorgesehen sind, können auf dieser überstaatlichen Ebene nicht mehr mit rechtsstaatlichen Belästigungen dazwischenfunken. Damit sind die wohlmeinenden, Werte schaffenden globalen Eliten frei, ungehindert Gutes zu tun. 

Und wir Bürger werden endlich wieder auf den harten Kern der Demokratie zurückgeführt. Wir können frei und mündig wählen, ob wir lieber Chlorhühnchen oder Antibiotikahühnchen auf den Tisch bringen wollen. Und darauf kommt es schließlich an.

Sie lesen gern Achgut.com?
Zeigen Sie Ihre Wertschätzung!

via Paypal via Direktüberweisung
Leserpost

netiquette:

Klaus Metzger / 04.01.2015

Lieber Herr Bonhorst, mit Ihrer pauschalen TTIP Kritik fallen Sie auf die Propaganda von Greenpeace und Attac herein. Das Freihandelsabkommen mit den USA bringt viele Vorteile für die Menschen in der EU. Allerdings wird dadurch eine Annäherung an Russland erschwert. Vielleicht ist aber genau das der eigentliche Grund für die starke Ablehnung durch den linken Mainstream.

Harald Drings / 03.01.2015

Vielleicht sollte man sich mal an der Volksabstimmung über S21 mal eine Scheibe abschneiden: WENN man das Volk fragt, dann gewinnen eben nicht diejenigen die am lautesten “Wir sind das Volk” rufen, sondern diejenigen die das Volk sind - und es würde mich schon sehr sehr wundern, wenn es im europäische Volk keine Bereitschaft gäbe, für mehr freien Handel die eine oder andere “liebgewonnene” EU-Norm zu lockern.

Thomas Bonin / 03.01.2015

Lieber Herr Bonhorst, sie können`s einfach nicht lassen, Lästern auf amüsanteste Weise. Wiederum Dank dafür, verbunden mit herzlichen Grüßen und besten Wünschen für 2015 (und noch lange darüber hinaus)!

Leserbrief schreiben

Leserbriefe können nur am Erscheinungstag des Artikel eingereicht werden. Die Zahl der veröffentlichten Leserzuschriften ist auf 50 pro Artikel begrenzt. An Wochenenden kann es zu Verzögerungen beim Erscheinen von Leserbriefen kommen. Wir bitten um Ihr Verständnis.

Verwandte Themen
Rainer Bonhorst / 25.04.2024 / 14:00 / 6

Scholz und Sunak – ein spätes Traumpaar

Sie passen gerade gut zueinander: Ihre Länder stecken im Krisen-Modus und sie sind letztlich nur noch Regierungschefs auf Abruf. Er kam spät nach Berlin, aber…/ mehr

Rainer Bonhorst / 12.03.2024 / 17:00 / 9

Die Kate-Krise oder viel Lärm um nichts?

Ein Familienfoto der Royals ist schon kurz nach Erscheinen als ungelenke Bildmanipulation entlarvt worden. Medialer Wirbel dank Photoshop! Ist Englands königliche Familie eine Fälscherbande? Wenn ja, dann keine…/ mehr

Rainer Bonhorst / 08.03.2024 / 12:00 / 19

Bye bye Nikki, hello Oldies

In den USA duellieren sich Biden und Trump um den Einzug ins Weiße Haus. In diesem Alter würde man in Deutschland weniger auf Karriere als…/ mehr

Rainer Bonhorst / 22.02.2024 / 14:00 / 26

Kamala gegen Nikki – ein Traum

Statt der beiden betagten Kontrahenten Joe Biden und Donald Trump wünsche ich mir eine ganz andere Konstellation im Kampf um das Amt des US-Präsidenten. Man…/ mehr

Rainer Bonhorst / 12.02.2024 / 12:00 / 35

Giorgia Meloni als Mamma Europa?

Georgia Meloni beginnt in Europa eine wichtige Rolle zu spielen. Die Politik hält sich mal wieder nicht an die ideologischen Vorgaben deutscher Medien.    Ja, darf…/ mehr

Rainer Bonhorst / 04.02.2024 / 14:00 / 33

Gedanken beim Demo-Gucken

Im Grunde haben wir ja Glück, dass in Deutschland die Verhältnisse so klar sind. Wir haben keine dunkelhäutigen Politiker in Berlin, die die Frechheit besitzen…/ mehr

Rainer Bonhorst / 15.01.2024 / 11:00 / 12

Zwei Krönungen, eine mit, eine ohne

Die Krönungszeremonie von Kopenhagen ist deutlich weniger pompös ausgefallen als solche, die wir aus London gewohnt sind. Als ehemaliger England-Korrespondent wird man unausweichlich zum Beobachter…/ mehr

Rainer Bonhorst / 06.12.2023 / 12:00 / 45

Eine konservative Frau auch in Amerika?

Könnte sich die ehemalige amerikanische UN-Botschafterin Nikki Haley bei den Republikanern durchsetzen und Biden gefährlich werden? Das Zeug dazu hat sie. In den westlichen Demokratien…/ mehr

Unsere Liste der Guten

Ob als Klimaleugner, Klugscheißer oder Betonköpfe tituliert, die Autoren der Achse des Guten lassen sich nicht darin beirren, mit unabhängigem Denken dem Mainstream der Angepassten etwas entgegenzusetzen. Wer macht mit? Hier
Autoren

Unerhört!

Warum senken so viele Menschen die Stimme, wenn sie ihre Meinung sagen? Wo darf in unserer bunten Republik noch bunt gedacht werden? Hier
Achgut.com