Skandinavische Krimiautoren konnte ich noch nie leiden. Das Duo Sjöwall/Wahlöö, das in den 70er Jahren im Billy-Regal jeder besseren WG stand (in Buchrückennähe zu „Global 2000“), verblüffte mich wegen seiner paranoiden Vorstellungen; zum Beispiel der, ausgerechnet in Schweden stände ein faschistischer Putsch auf der Agenda. Aber der Hauptgrund meiner Abneigung war, dass diese schwarz broschierten Schwedenschmöker einfach nicht spannend, sondern bloß langweilige politische Pamphlete waren, die zwecks besserer Verkäuflichkeit mit einem dürren Krimigerüst ummantelt waren. Die Cops der Plotten waren meist mürrische, unkollegiale Kotzbrocken, denen offenbar das schlechte Wetter da oben und die miese Kneipenlage und die hohe Steuerlast und der ganze Blues der sozialdemokratischen Gängelungs- und Bevormundungsgesellschaft nachhaltig aufs Gemüt geschlagen hatte…
Mit Mankell ging es mir genauso. Sein Kommissar Wallander ist in Buch und Film eine so unsägliche, körperlich und psychisch gleichsam zerfließende Gestalt, dass es mir Angst und Bange würde, lebte ich in einer einsamen, gefährdeten, ochsenblutrot gestrichenen Hütte am See und wäre auf den Schutz eines solchen Weicheis angewiesen. Auch Wallander-Geschichten – das macht für mich ihren Ennui hauptsächlich aus - sind furchtbar langweilig, was der Autor durch extreme Blutrünstigkeit bei beschriebenen Tötungsvorgängen zu kompensieren trachtet. Die Popularität Mankells kann ich mir nur so erklären, dass er mit seinem permanenten Gutgeschwafel in Interviews, seinem trendigen Wohnsitz in der so genannten Dritten Welt (er selber ist in Mozambique aber durchaus kommod untergebracht) und dem altbackenen sozialpädagogischen Geschwurbel zum Thema Täter & Schuld (Faustregel: schuld ist immer „die Gesellschaft“) ganz im Trend jener liegt, die sich infomäßig aus SZ, Zeit, taz und Monitor ernähren und einen technisch längst überholten Saab Kombi fahren, weil sie den für ein Anti-Spießer Auto halten. Ernsthaft.
Die neue Nummer Eins der schwedischen Krimiautoren heißt Ake Edwardson und lebt, 53jährig, in der Hafenstadt Göteborg. Diese hat dank einer üppigen Szene von Immigranten aus den üblichen Kulturkreisen inzwischen eine in Schweden lange Zeit ungekannte Kriminalitätsdichte erreicht. Fällt dort mal während der Dunkelheit länger der Strom aus, wie 2003, geht man in bestimmten Vierteln besser nicht vor die Tür. Doch nicht darüber sorgt sich der Ake im Interview mit der Hamburger Morgenpost, wo er seinen neuen Krimi „Rotes Meer“ vorstellt, der in eben jener Immigrantenszene spielt. Sondern darüber: „Wir haben ja nun eine neue, konservative Regierung. Und die zerstört gründlich all das, wofür Schweden immer stand: Solidarität mit den Armen, Gejagten und Verfolgten.“
Sein Kommissar Eric Winter, den ARD oder ZDF bestimmt demnächst auf den Bildschirm bringen werden, geißelt das schwedische Faschopack natürlich gehörig. Und damit man sich auch in Deutschland mit dem guten Bullen identifizieren kann, hat ihn Ake als Salonlinken vom Scheitel bis zur Sohle lifegestylt; als einen, der italienische Anzüge trägt, wie ein Gourmet koch, Jazz liebt und Mercedes fährt, also quasi der Prototyp aus dem rotgrünen Kiez. Und natürlich ist er – wie sein gleich gesinnter Schöpfer sagt – „ein sehr melancholischer, wehmütiger Mensch. Wir teilen das Bedauern darüber, wie das Leben mit den Menschen in anderen Gegenden der Welt umgeht.“ Schaudernd vor so viel political correctness, fällt da wohl der stärksten schwedischen Fichte die eine oder andere Nadel aus.
Wer sich den Grundguten aus Skandinavistan aus der Nähe anschauen möchte, kann ihn heute, Dienstag, 4.3. im Hamburger Literaturhaus am Schwanenwik 38 um 20 Uhr besichtigen. Er sollte es aber wie in Schweden vor dem Besuch von Veranstaltungen (wegen der dort happigen Alkoholpreise) machen: kräftig vorglühen. Unterhalb von einem Promille ist der Ake, fürchte ich, schwer zu ertragen.