Eran Yardeni, Gastautor / 26.09.2013 / 22:51 / 2 / Seite ausdrucken

Kleine Strolche

Wenn Ihnen der Name Rafael Eitan gar nichts sagt, ist es überhaupt nicht so schlimm. Schließlich lebte und agierte der am 23. November 1926 geborene Mossad-Mitarbeiter vor allem hinter den Kulissen, in der mysteriösen Schattenwelt der Geheimdienste. Berühmt wurde er später dank seiner zentralen Rolle bei der Entführung und Verhaftung des Nazi-Verbrechers Adolf Eichmann. Aber nicht nur deswegen.

Während literarische Helden mit der Detektiv-Lupe in der Hand sterben oder mit dem Messer zwischen den Zähnen in die Rente gehen – ohne sich gezwungen zu sehen, an eine zweite Karriere zu denken – hatte unser echter und realer Held andere Pläne: 2006, mit achtzig Jahren Lebenserfahrung, wollte er in die israelische Politik einsteigen und zwar als der Vorsitzende der Rentner Partei. Ja, es ist kein Irrtum.

Eitan war nicht der erste, der auf die Idee kam, dass die Rentner ihre eigene Partei brauchen. Schon 10 Jahre bevor versuchte diese bizarre Fraktion ins Parlament einzuziehen, damals ohne Eitan. Sie ist an der niedrigen Zwei-Prozent-Hürde gescheitert, dafür aber haben 11 andere Parteien den Weg ins Parlament gefunden, was das Regieren fast unmöglich machte. Und tatsächlich, nach drei Jahren hatten die Beteiligten die Nase voll, das Parlament löste sich auf.

Als Eitan 2006 seine Rentner-Partei ins Parlament führte, bestand die Knesset aus nicht weniger als 12 Parteien! Nicht einmal die Araber konnten sich einigen, was dazu führte, dass sie mit drei verschiedenen kleinen Parteien im Parlament repräsentiert waren. Das gilt auch für die Orthodoxen in Israel, die genau so gespaltet waren und sind wie ihre Rabbiner. 

Deswegen ist es kein Wunder, dass in der israelischen Politik die frühzeitige Auflösung des Parlaments sowie die gigantische Anzahl der Ministerien eher die Regel ist als die Ausnahme sind. In der jetzigen Wahlperiode gibt es 28 Ministerien, was natürlich eine enorme Geldverschwendung bedeutet. Diese Anzahl steht in keinem vernünftigen Verhältnis zu der Anzahl der israelischen Bürger von etwa acht Millionen. Das erklärt auch, warum Israel in den letzten 65 Jahren nicht weniger als 33 Regierungen hatte!

Wer jetzt die Fünf-Prozent-Hürde in Deutschland im Namen der Demokratie kritisiert, der sollte mal das israelische Parlament besuchen, wenn dort über die Planung des Jahresbudgets diskutiert wird. Die Mehrheit der Israelis ist genau so empört wie machtlos. Denn aus diesem politischen Teufelskreis kommt man einfach nicht raus. Wenn im Parlament die kleinen Parteien mitreden können, kann man die Hürde nicht herauf setzen: Die winzigen Parteien, die in einer solchen Situation eine überproportionale politische Macht besitzen, drohen ständig mit Meuterei.

Demokratie bedeutet nicht, dass jede Interessengruppe, die Hundebesitzer wie die Veganer, Repräsentanten im Parlament haben müssen. Schließlich können sich kleine Nischen-Parteien in die Großparteien integrieren. Die Alternative ist ein kunterbuntes Parlament, welches die Demokratie zur Farce macht.

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Leserpost

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Frank Rotschedl / 27.09.2013

Auch wenn mir dieser Artikel gefällt und ich ihn sehr infomrativ finde, gehöre ich immer noch zu den Menschen, die sich schon fragen, ob es angemessen “demokratisch” ist, dass bei dem aktuellen Ergebnis alleine mit AfD und FDP fast jede 10. Stimme sozusagen in die Mülltonne ging. Dazu braucht man gar nicht konstruieren was-wäre-wenn die Piraten auch 4,x bekommen hätten, um die Mülltonnenquote hochzurechnen… Es sollte jetzt keine Untersuchung von mehreren Personenjahren erfordern, mal an Hand historischer Ergebnisse abzuprüfen, was die Auswirkungen verschiedener, niedrigerer Schranken gewesen wäre. Vielleicht kommt dabei heraus, dass 3% besser die Spreu vom Weizen trennen würde und nicht gleich “israelische Verhältnisse” oder die Weimarer Republik zurück bringen würde? Zu den Auswüchsen der Hürde gehört neben dem sehr schweren Start für mögliche neue Kräfte in der Politik - und wer hätte die nicht gerne? - auch der Effekt, dass einige lustige Mitbürger glauben Rot-Rot-Grün und ein SPD-Kanzler wäre Wählerwille - ich denke der Wählerwille lässt sich an Hand der Stimmgewinne erkennen und wenn man dann nochmal gedanklich AfD und FDP aus der Mülltonne unserer Demokratie holt, finde ich da nicht viel Spekulationsspielraum… Es ist auch spaßig wie über “Interessengraupen” argumentiert wird, aber da wir in diesem Land auf Bundesebene auch keine Basisdemokratie durch Volksentscheide haben, finde ich es ziemlich unbefriedigend, dass ich schon einige Wahlen lang nicht wirklich nach Übereinstimmung mit meinen Interessen, sondern nach dem Gesichtspunkt der vermuteten geringsten Schadwirkung wählen durfte. Ich hätte also schon gerne etwas mehr “Auswahl”. Aus dieser Perspektive kann ich jeden Nichtwähler verstehen. Was auch immer in Israel geschieht - besonders demokratisch finde ich unsere Demokratie hier nicht…

Markus Freuler / 27.09.2013

Irgendwie nicht ganz zu Ende gedacht. Wenn man sich nun die Schwierigkeiten der Regierungsbildung in Deutschland ansieht, ist ja die (absolut willkürliche) 5% Hürde auch nicht das Gelbe vom Ei. Ganz abgesehen davon, dass so die Sitzverteilung das Wahlergebnis ad Absurdum führt. Da wäre doch eine 20% Hürde schon besser, oder wie wärs mit einer 27% Hürde…. In der Schweiz kennen wir übrigens überhaupt keine Hürden, meines Wissens leidet die Stabilität der Schweizer Politik nicht allzu sehr darunter.

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