Gerade ist mir, wie misslich, abrupt der Champagner im wohlverdienten Quality-Zeit-Gläschen gefroren, das Blut gleich dazu. Im Fachblatt „Bunte“ lese ich: „Völlig überraschend begleitete Stephanie zu Guttenberg ihren Mann nach Afghanistan und trug die Splitterschutzweste anmutig wie ein Kaschmirjäckchen.“ Anmut. In Afghanistan. Unterstützt von Bunte. Darauf haben die Soldaten bestimmt gewartet. So stellt man sich im kuscheligen München, in den bunten Redaktionsstuben, offensichtlich den Bundeswehr-Einsatz vor. Für die Chefredakteurin des Blattes ist das Foto von Frau zu Guttenberg, umrahmt von Soldaten, „Mein Bild der Woche“. Und über dem Text steht kuschelweich: „Eine schöne Frau im Krisengebiet.“
Aufwachen, Frau Riekel! Es geht, wie Angela Merkel gerade sagte, um „kriegsähnliche Zustände“. Die Kanzlerin sprach in ihrer Rede vor mehreren hundert Bundeswehrsoldaten von einem Krieg in Afghanistan. „Wir haben hier nicht nur kriegsähnliche Zustände, sondern Sie sind in Kämpfe verwickelt, wie man sie im Krieg hat.“ Aber Hauptsache, deutsche Anmut kommt zu Besuch.
Es handelt sich nicht um einen Ausflug von Hobby-Soldaten, wie man es offenbar beim Klatschblatt versteht. Wurde da etwas mit dem Genre „Prinz Charles bei der Jagd“ oder „König Carl Gustav auf Elch-Lauer“ verwechselt? Aus bunter Sicht ist es vermutlich auch möglich, diese Einsätze in Zukunft von Unternehmen der Luxusindustrie sponsern zu lassen. Bestimmt lassen sich herrliche Business-Lunch-Veranstaltungen für gelangweilte Spitzenmitarbeiter der Unterhaltungsbranche organisieren, die anschließend, mit dem Titel „Botschafter“ versehen, die Werbetrommel rühren können. Dann fehlen nur noch ein T-Shirt, ein Parfum und ein Lippenstift, der 88 Euro kostet und von dem dann 1,20 Euro für den guten Zweck gespendet werden. Doppelseite im Klatschblatt garantiert. Sollen ja schließlich alle was von haben.
Der Einsatz der deutschen Soldaten wird auf diese Weise mühelos zu einer kaschmir-kuscheligen Angelegenheit, ist ja auch nicht weit entfernt, das Kaschmir-Gebirge, aus dem der Rohstoff kommt, in den sich Menschen so gern verhüllen. Gleichwohl die Soldaten ja eigentlich eher darüber klagen, dass Ausrüstungsteile wie gute schusssichere Westen fehlen. Das wiederum passt aber so gar nicht in die kritiklose Wohlfühl-Berichterstattung eines Klatschblattes. Dafür werden die Soldaten bestimmt Verständnis haben. Außer, jemand erfindet schnell Kaschmir-Sicherheitswesten.
Mehr Veräppelung tapferer Menschen und Normalo-Leser als dieses Riekel-Editorial geht nicht. Weiter im bunten Text: „Sind wir doch froh, dass sich mit seiner Frau eine neue Generation von Politikergattinnen zu Wort meldet, die nicht nur dekoratives Anhängsel sein wollen.“ Ja, wie denn, watt denn? Schon vergessen, was ein paar Sätze davor steht? Danach behauptet die Königin der roten Teppiche noch: „Das Problem ‚Kinderschänder im Internet‘ wurde erst durch Stephanie zu Guttenberg zum Thema.“ Ja, vielleicht, wenn man nur BUNTE liest. Andernfalls konnte man sich problemlos auch schon seit Jahren ausführlich und seriös zu diesem Problem informieren.
Was lesen wir als nächstes zum Thema? „Luxus-Shopping in Afghanistan – Stephanie zu Guttenberg zeigt, wie’s geht“? Oder doch lieber: „Soldaten & ihre Luxuszelte“? Luxusurlaube in Luxuszelten sind derzeit schließlich ungemein beliebt. Auch Kerner könnte mithelfen, der kennt sich jetzt schließlich aus in Afghanistan. Eine Modestrecke wäre super: „Trendy beim Truppenbesuch“.
Von einem Editorial eines Klatschblattes erwartet man keine geistigen Höhenflüge. Aber auch Unterirdisches sollte unterbleiben. Besonders dann, wenn es um Dinge geht, von denen man nichts versteht. Diese Art von Journalismus ist beschämend. Nicht nur zur Weihnachtszeit. Auf Seite 1 der aktuellen Ausgabe steht: „PROMI-UMFRAGE Glauben Sie an Gott?“ Nach der Lektüre des Editorials nicht mehr.
Silvia Meixner ist Journalistin und Herausgeberin von http://www.good-stories.de