Als Bühnenschaffender wird man oft gefragt: „Was ist eigentlich der Unterschied zwischen Kabarett und Comedy?“ Meine Lieblings-Antwort lautet dann immer: „Der Comedian macht es wegen dem Geld, der Kabarettist macht es des Geldes wegen.“
Trotzdem genießen die beiden Berufsgruppen ein vollkommen unterschiedliches Ansehen. Wer sich zum Beispiel als Comedy-Fan outet, gilt unter Kulturkritikern eindeutig als intellektueller Bodensatz. Minderbemittelt, primitiv, ja fast schon verfassungsfeindlich. Man kann sich sicherlich über die Gags von Mario Barth streiten, aber meines Wissens verstoßen sie nicht gegen die Genfer Konvention. Doch wer in diesem Land sein Publikum ohne große Hintergedanken einfach so unterhalten will, galt schon immer als höchst verdächtig. Beim Humor verstehen wir Deutschen eben ganz wenig Spaß.
Der politische Kabarettist dagegen kann sich der uneingeschränkten Bewunderung des gesamten Bildungsbürgertums sicher sein. Wer sich minutenlang über die Frisur von Angela Merkel lustig macht oder zum x-ten Mal die Transrapid-Rede von Edmund Stoiber imitiert, gilt im Zweifelsfall als feinsinniger Beobachter, der gnadenlos seinen Finger in die gesellschaftspolitische Wunde legt.
So einfach ist das in der deutschen Kleinkunst. Wer sich eine lustige Perücke aufsetzte und Ulla Schmidt parodierte, der kam in den „Scheibenwischer“. Ohne Ulla Schmidt und nur mit Perücke kommt man bestenfalls zu „Mainz bleibt Mainz, wie es singt und lacht.“
Es gibt ihn natürlich – den Unterschied zwischen Kabarett und Comedy. Im Gegensatz zum oberflächlichen Witzeerzähler hat der Kabarettist eine Haltung. Im Idealfall sogar eine politische. Ohne die kommen Sie als Kabarettist noch nicht mal bis zum Bühneneingang. Die Bandbreite dieser Haltung ist allerdings ziemlich eingeschränkt. Sie muss auf jeden Fall links sein. Damit sind sie schon mal auf der sicheren Seite. Egal ob ihre Bühnen-Weisheiten Sinn machen oder nicht. Und wenn Sie dann auch noch Sätze einstreuen wie „Die dä öben ham uns doch ölle beschissen!“ dann dreht der Kritiker vor Glück durch und schreibt am nächsten Tag „...scharfzüngige und bissige Gesellschaftskritik.“ auf die Kulturseite der Bottroper Nachrichten. Comedians dagegen werden von ihm mit Sätzen wie: „...kalauerte sich mit flachen Pointen durch den Abend.“ abgefrühstückt.
Typische Comedy-Themen wie IKEA Kinderparadiese, Warteschlangen in Supermärkten und – ein absoluter Evergreen – die Beziehung zwischen Mann und Frau werden von der Presse mit Verachtung gestraft. Egal wie intelligent und witzig die Geschichten erzählt werden – ohne den Satz „Die dä öben ham uns doch ölle beschissen!“ verdienen Sie sich in der deutschen Kleinkunstszene keine Lorbeeren.
Und wenn sogar noch irgendwie durchklingt, dass man die Marktwirtschaft eventuell auch ein bisschen okay findet, dann kann man sofort einpacken. Denn selbst Top-Manager besuchen Kleinkunstveranstaltungen, um sich dann von einem Bafög-geförderten Diplomstudienabbrecher „als rücksichtslosen Turbokapitalisten“ beschimpfen zu lassen. Das ist im Übrigen auch der Hauptgrund, weshalb sich der Berufsstand des „neoliberalen Kabarettisten“ nie so richtig durchgesetzt hat. Inoffiziell natürlich schon. Die heißen dann eben „Comedians“.
Der politisch korrekte, linke Kabarettist dagegen verdient sich seine Immobilien und Aktienpakete, indem er seinem Publikum erzählt, dass die Marktwirtschaft alles kaputt macht. Neulich erst saß ich nach einer TV-Aufzeichnung mit einem berühmten Polit-Kabarettisten zusammen und habe ihn gefragt: „Was würdest Du eigentlich tun, wenn du im Jahr eine Million Euro zur Verfügung hättest?“ und er antwortete mir: „Ich müsste mich sehr einschränken…“