Die ungarische Justizministerin Judit Varga gilt als eloqente und kompetente Juristin, sie spricht deutsch, ihre Ausbildung führte sie auch an die Fachhochschule im schwäbischen Nürtingen. Aktuell streiten Ungarn und Polen mit der EU um eine Regelung, die die Zahlung von EU-Geldern an an "EU-Grundwerte" und "Rechtsstaatlichkeit" koppeln soll. Doch der Rechtsstaatsmechanismus basiere auf "willkürlichen, politisch motivierten Kriterien", heißt es in den beiden Ost-Ländern, diesen zu respektieren könne zu einer "Legitimierung der Anwendung von doppelten Standards" bei der Behandlung unterschiedlicher EU-Mitglieder führen.
In dieser Woche droht die letztendlich ideologische Auseinandersetzung die EU in eine schwere Krise zu führen, denn Ungarn und Polen wollen ein Veto gegen das sogenannte EU-Finanzpaket für die nächsten 7 Jahre mit 750 Milliarden Euro Corona-Hilfe einlegen. Dies wird in den Nachrichten meist als "Erpressungsversuch Ungarns" kolportiert, die Ungarn sehen den Vorgang allerdings genau umgekehrt. Judit Varga erklärte gestern in der BBC-Sendung "Hard Talk" und auch auf Facebook, die Position Ungarns. Da über diese hierzlande kaum berichtet wird, hier ihr Text, damit sich die Leser von Achgut.com ein eigenes Bild über den Streit machen können:
"Wir sollten einige Dinge in Bezug auf das Verhältnis zwischen Ungarn und der Union klarstellen, jetzt, wo wir uns der endgültigen Entscheidung über den EU-Haushalt nähern, da die EU-Institutionen, einige Mitgliedstaaten und die Opposition im Lande während der langen Verhandlungen viele Fragen zwischen die Zahlen daruntergemischt haben.
- Ungarn hat nie gegen Europa, sondern gerade für Europa und die europäische Zukunft unserer Kinder und Enkelkinder gekämpft.
- Ungarn bekennt sich dazu, übereinstimmend mit den Gründungsvätern der Union, dass Europa entweder christlich und humanistisch sein wird, oder es wird nicht mehr sein.
- Die überwiegende Mehrheit der Ungarn und Europäer ist der festen Überzeugung, dass Europa seine Identität und die Grundwerte, die Europa zum lebenswertesten Kontinent der Welt machen, nicht aufgeben sollte.
- Bei seinem EU-Beitritt im Jahr 2004 hat Ungarn nicht zu einem föderalistischen Europa, nicht zum Globalismus und insbesondere nicht zu einen Vereinigten Staaten von Europa Ja gesagt, sondern zu einem sich gegenseitig unterstützenden und respektierenden Bündnis, das auf starken Nationalstaaten beruht.
- Mit unserem Beitritt haben wir den Teil unserer nationalen Souveränität nicht aufgegeben, dass wir entscheiden können, mit wem wir in unserem eigenen Land leben wollen.
- Wir haben dem EU-Beitritt nicht zugestimmt, damit Brüssel für uns definieren kann, was wir als Familie betrachten, was wir Ehe nennen sollten und wer in Ungarn Kinder adoptieren kann und unter welchen Bedingungen.
- Es ist nicht wahr, dass Ungarn während der Migrationskrise nicht mit den anderen Mitgliedstaaten solidarisch war, da Ungarn mehrere Hundertmilliarden Forint ausgegeben hat, um die Grenzen Europas zu schützen. Wir versuchen, Menschen in Not vor Ort zu helfen, weil wir glauben, dass man nicht die Probleme nach Europa, sondern die Hilfe zu den Not Leidenden bringen soll.
- Es war nicht Ungarn, das die anderen Mitgliedstaaten wegen ihrer Migrationspolitik angriff, sondern umgekehrt.
- Es ist nicht Ungarn, das Brüssel und andere Mitgliedstaaten mit verschiedenen, unter dem Deckmantel der Rechtsstaatlichkeit getarnten Anschuldigungen angreift, sondern umgekehrt.
- Wir sind nicht diejenigen, die die Mitgliedstaaten, in denen es kein Verfassungsgericht gibt, oder in denen die Regierung die Staatsanwaltschaft direkt kontrolliert, oder in denen Richter von politischen Akteuren ernannt werden, kritisieren, sondern umgekehrt.
- Es waren nicht wir, die Rechenschaft über die Rechtsstaatlichkeit von den Mitgliedstaaten verlangt haben, in denen es in jüngster Zeit die brutalen Angriffe auf Christen regelmäßig geworden sind und antisemitische Attacken immer häufiger auftreten, sondern diese von uns.
- Entgegen der Behauptung der ungarischen Opposition sind EU-Subventionen und Geldmittel aus dem Kohäsionsfonds keine Spenden, sondern Zahlungen, auf die Ungarn aufgrund der EU-Verträge Anspruch hat. Als Gegenleistung für diese Ressourcen hat Ungarn zum Zeitpunkt des Beitritts viel unternommen, darunter die Öffnung seiner Märkte, den Verzicht auf Zoll- und andere Einnahmen, die Umsetzung des gesamten EU-Besitzstands, sowie die Geltung des freien Kapitalverkehrs (das uneingeschränkte Investitionen kapitalintensiver westeuropäischer Unternehmen ermöglichte). Ungarn leistet auch erhebliche Beiträge zum gemeinsamen Haushalt der Union.
- Es ist nicht Ungarn, das Brüssel bei den Verhandlungen über EU-Haushaltsmittel erpresst und unter Druck setzt, sondern umgekehrt.
- Jeder, der die ungarische Geschichte kennt, weiß genau, dass wenn es um die Zukunft unserer Kinder und Enkel geht, die Ungarn keine Kompromisse eingehen, hieße es ein Unabhängigkeitskrieg oder nur ein einfaches Veto."
„Weil das Wasser wegläuft und nur der Stein übrig bleibt, aber der Stein bleibt.“