Gastautor / 25.05.2008 / 07:43 / 0 / Seite ausdrucken

Jörg Rensmann: Wer Ahmadinejad sagt, muss auch Betram lesen

Iran-Lobbyist Christoph Bertram wünscht Islamismus zum politischen Partner

Hinrichtungen im Iran „scheußlich, scheußlich“


Am vergangenen Montag hat Dr. Christoph Bertram, der ehemalige Direktor der Stiftung Wissenschaft und Politik, in den Räumen der Europäischen Akademie in Berlin auf Einladung der rührigen Körber-Stiftung seinen programmatischen Essay mit dem Titel „Partner, nicht Gegner. Für eine andere Iran-Politik“ vor interessiertem Publikum vorgestellt.

Neben der iranischen Nachrichtenagentur IRNA, dem treuen Organ der islamistischen Diktatur im Iran, war unter anderen illustren Gästen ebenfalls der notorische Prof. Dr. Udo Steinbach anwesend, der vor ein paar Jahren noch die palästinensischen „Widerstandskämpfer“ in den Gebieten zu Warschauer Ghettokämpfern stilisierte und die Israelis zu den Nazis von heute machte.

Bertram fordert in seinem dünnen Büchlein wie auch jüngst in mehreren Interviews dazu auf, die iranischen Mullahs nicht weiter zu bedrängen, sondern sie zu gleichberechtigten politischen Partnern des Westens aufzuwerten. Die bisherige Politik der, wie man selber hinzufügen müsste, zaghaften Sanktionen sei gescheitert. Bertram fordert ein Umdenken des Westens. Er will für Verhandlungen mit dem Iran keine Vorbedingungen stellen. Eine Anerkennung Israels etwa seitens der Islamisten in Teheran könne nur das Ergebnis von Verhandlungen sein, nicht deren Vorbedingung. Bertram erinnerte an das Jahr 2003, als der Iran schon einmal und großzügigerweise ganz wie Saudi-Arabien im Rahmen seiner „Friedensinitiative“  im März 2002 die „indirekte“ Anerkennung Israels „angeboten“ haben soll. Damals seien die USA nicht darauf eingegangen, obgleich die Furcht der iranischen Führung vor einem Einmarsch der Amerikaner das aus Bertrams Sicht anscheinend großzügige Angebot erst ermöglicht habe.

Bertram vergisst nur zu erwähnen, dass in der iranischen „Offerte“, die bezeichnenderweise und überhaupt nur der iranischen Furcht vor militärischem Druck seitens der USA geschuldet gewesen sein soll, sehr vage von einer „Anerkennung“ einer Zwei-Staaten-Lösung im Nahen Osten die Rede sein soll, will man sich auf die Quelle stützen, die aus Flynt Leverett, dem ehemaligen Nahost-Direktor im US-amerikanischen Nationalen Sicherheitsrat, bestehen soll.
Außenministerin Rice hat allerdings auf Nachfrage bestritten, dass ein solches Papier sie bzw. den Nationalen Sicherheitsrat je erreicht habe.

Was den saudischen Friedensplan betrifft, so hatte Israel ihn aus guten Gründen bereits abgelehnt – wegen der impliziten Forderung nach einem Recht auf Rückkehr ins israelische Kernland für zu Dauerflüchtlingen konstruierte Palästinenser, einer Forderung übrigens, der auch die Planspiele der Berliner Stiftung für Wissenschaft und Politik entsprechen, siehe weiter unten.

Nach Bertram solle Israel nicht so empfindlich sein und „gelassener“ auf die Vernichtungsdrohung der iranischen Mullahs reagieren.

Dass Israel im Besitz von Atomwaffen sei, habe schließlich auch nicht zu einem atomaren Wettrüsten in der Region geführt. Eine demokratisch legitimierte israelische Regierung, von der nicht bekannt ist, dass sie ihren arabischen Nachbarn je mit Vernichtung gedroht hätte, mit dem Regime von vernichtungsantisemitisch motivierten Endzeitkriegern auf eine Stufe zu stellen, ist für einen deutschen Politikberater bemerkenswert, so wie es offenkundig auch sein Verhältnis zur Demokratie ist: auf einen Einwurf aus dem Publikum, die iranischen Parlamentswahlen seien wohl kaum frei und fair verlaufen, konterte Bertram, es seien doch „nur zwei Drittel der Kandidaten“ zu diesen Wahlen ausgeschlossen worden.

Nach Bertram ist Ahmadinedschads Vernichtungsdrohung Israel gegenüber bloße Rhetorik, die der Holocaust-Leugner vor ernsthaften Verhandlungen bitte noch schnell korrigieren möge. Ersatzweise oder ergänzend und damit nur ein klein wenig im Widerspruch dazu verbreitet Bertram an diesem lauen Abend im Grunewald die längst widerlegte Mär vom Übersetzungsfehler, einer Art Missverständnis also, als betone das iranische Regime nicht bei jeder sich bietenden Gelegenheit und in kurzen Zeitabständen sein ernst gemeintes Ansinnen, Israel vernichten zu wollen. Im SPIEGEL-Interview vor ein paar Wochen hatte Bertram noch, angesprochen auf die Forderung Ahmadindschads, das „Besatzerregime“ müsse „von den Seiten der Geschichte verschwinden“, geantwortet, das sei „etwas (!) anders als eine Angriffserklärung“.

Am 26. Mai 2008 übrigens soll in Teheran eine internationale Konferenz zum „Ende Israels“ stattfinden, rein rhetorisch gemeint, versteht sich.

Eine Atombombe in den Händen einer Regierung, für die ein dem Wahn geschuldetes Weltbild handlungsleitend ist, wäre für Bertram kein Problem. Der Wahn darf deshalb keine Rolle in der Wahrnehmung durch den Westen spielen. Folglich schätzt Bertram das Mullah-Regime als so rational ein wie die frühere Sowjetunion, die die größere Gefahr gewesen sei. Die Mittel der Abschreckung taugten auch im Falle Iran, das Regime bestehe nicht aus Selbstmördern. Bertram könnte es besser wissen. Vernichtungsantisemitismus funktioniert auch und gerade um den Preis der Selbstvernichtung.

Bertram fordert von der Kanzlerin Merkel im Grunde einmal mehr, „sich nicht hinter jede Katastrophenwarnung Israels“ zu stellen. Dies liegt im Tenor vergangener Jahre und ist im Programm der gesamten Stiftung Wissenschaft und Politik auch nach dem Abgang Bertrams von dort manifest, man lese einmal Verlautbarungen etwa von Muriel Asseburg zum Nahostkonflikt, die darauf hinauslaufen, ein sogenanntes Rückkehrrecht palästinensischer „Flüchtlinge“ in der x-ten Generation auf der Grundlage eines Genfer Abkommens, das gar keines ist, da Israel ja gar nicht beteiligt war, zu konstruieren, um die politische jüdische Souveränität aufzulösen.

Bertram selber sah noch 2006 in den Israelis die wahren Schuldigen für Intifada und Selbstmordattentate. Sie hätten sich „einseitig aus dem Gaza zurückgezogen, aber nicht mit den Palästinensern eine ordentliche Regierung installiert, so dass sie immer wieder neu einmarschieren müssen. Sie haben schließlich versucht, durch den Grenzzaun einseitig ihr Gebiet zu bestimmen, und stellen fest, dass der Zaun nicht hoch genug ist gegen Raketen.“

An der Bandenherrschaft in der antizivilisatorischen Hölle des Gaza Streifens sind, wie könnte es nach dieser sehr gewöhnlichen Lesart anders ein, die Israelis selber schuld, nicht eine innerpalästinensische Entscheidung hin zum Vernichtungsantisemitismus, der zum legitimen Widerstandsrecht umgelogen ausschließlich eine Reaktionsweise auf israelisches Vorgehen sein soll. Die von Bertram interessanterweise entmündigten und aus jeder Verantwortung entlassenen Palästinenser, eine Art Daueropfer also, sind selber anscheinend zu gar nichts in der Lage, immerhin aber doch dazu, sich an die Zähne zu bewaffnen und israelische Zivilisten mit Raketeangriffen zu überziehen. Dass der antiterroristische israelische Schutzwall ausdrücklich keine Grenzziehung vorwegnimmt, sollte ein deutscher Politikberater eventuell wissen.

Die Buchvorstellung Bertrams hatten sich auch exiliranische Oppositionelle zugemutet; sie konfrontierten per Wortmeldung den im Iran gern Gesehenen mit der iranischen gesellschaftlichen Wirklichkeit; mit der Verfolgung und Ermordung derjenigen, die qua Definition der Gotteskrieger nicht ins islamistische Weltbild passen; wir wissen seit Ahmadinedschads Auftritt an der New Yorker Columbia ja bereits, dass es keine Schwulen im Iran gibt, nicht geben darf.

Bertram sprach davon, dass diese Menschenrechtsverletzungen „scheußlich, scheußlich“ seien, um doch von einer lebendigen iranischen Zivilgesellschaft zu fabulieren und dazu aufzufordern, die Mullahs als Partner anzuerkennen, als sei das nicht ohnehin gängige europäische Praxis; „mit wem soll man denn sonst reden.“

Die butterweiche europäische Iranpolitik ist in der Tat gescheitert. Sie ist verantwortlich für die Aufrüstung des gottesstaatlichen Vernichtungsantisemitismus auch über Stellvertreter wie Hamas und Hisbollah. Demgegenüber werden die USA weiter auf harte Sanktionen gegen den Iran dringen, die Wirtschaft und Finanzen betreffen. Die USA sollten auch diejenigen europäischen Unternehmen mit Sanktionen belegen, die weiterhin Handel mit dem Iran treiben.

Bertrams Positionen sind nicht zuletzt ein Schlag gegen die an Säkularismus und Regime Change orientierten Exiliranerinnen und –iraner, ein Verrat an ihnen wie damit an den Stammbegriffen der westlichen Zivilisation überhaupt, die universale Gültigkeit beanspruchen, so am Versprechen einer Freiheit für den Einzelnen auch im Iran.

Sicher ist die iranische Bombe zunächst mit allen dafür notwendigen Mitteln zu verhindern. Jedoch ist ebenfalls an der Forderung nach Regime Change in Teheran festzuhalten. Die Mullahs können keine politischen Partner sein, sondern gehören zunächst vollständig isoliert. Deutschland als wirtschaftlich wichtigstem Handelspartner für den Iran kommt dabei besondere Bedeutung zu; ein Beweis dafür, dass Merkel eine Unterstützung Israels über bloße Rhetorik hinaus signalisiert habe, steht aber aus.
Deutschland unternimmt nämlich nichts gegen die Hisbollah auch im eigenen Land. Es unternimmt nichts, die Büros der Hisbollah in Deutschland zu schließen, deren Geldsammlungen zu unterbinden und die Zellen zu zerschlagen. Es unternimmt nichts, um die Bestimmungen der UN-Konvention zur Verhinderung eines Genozid umzusetzen, die gerade eine öffentliche Aufforderung dazu unter Strafe stellt. Es unternimmt nichts, um auf dieser Grundlage gegen den Holocaust-Leugner Ahmadinedschad vorzugehen. Es nimmt offenkundig die erneute Aufrüstung der Hisbollah an Israels Nordgrenze in Kauf. Es unternimmt nichts zur Umsetzung der UN-Resolutionen 1559 (2004) und 1701 (2006) des UN-Sicherheitsrates. Darin wird die Entwaffnung aller bewaffneten Gruppen in Libanon gefordert. Inzwischen wurde die Hisbollah mit iranischen Waffen wie Salzal 2, Raad 1 und 2, Khabir 1 und 2 und 3 ausgerüstet.

Siehe auch:
http://zeitungfuerdeutschland.wordpress.com/2008/04/18/warten-auf-die-bombe/

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