Wolfgang Röhl / 06.08.2012 / 11:05 / 0 / Seite ausdrucken

In den Sand gesetzt. Der Fall Desertec

Dass sich Leute, die Visionen haben, tunlichst zum Arzt begeben sollten, ist ein alter Rat von Helmut Schmidt. Leider blieb er weithin unbeachtet, besonders unter Visionären. Vor drei Jahren berichtete „stern.de“ hellauf begeistert über die „Wüstenstrom-Vision“ eines pensionierten Physikers namens Gerhard Knies, welcher der Spiritus rector der Desertec-Idee gewesen sei. So heißt ein ehedem viel gerühmtes Projekt, durch das massenhaft Solarstrom aus „Spiegelkraftwerken“ in Wüstenregionen erzeugt und teils nach Europa verbracht werden sollte.

Knies brachte seine Vision, die ihn schon seit 1995 verfolgte, damals bei etlichen Medien unter, gab zeitweise zehn Interviews pro Woche. Er war der Darling nicht bloß aller Grünstromenthusiasten, sondern aller Gutmeiner überhaupt. Sollte der brennend heiße Wüstenssaft doch nicht nur Atomkraftwerke überflüssig machen, sondern nebenbei auch noch jede Menge Jobs und Wohlstand über die Länder ausschütten, in denen die riesigen Spiegelparks aufgestellt würden.

 

Jetzt ist Desertec, so meldete der Print-Stern, welcher mit den so genannten Renewables grundsätzlich sympathisiert, de facto wohl erledigt: „Die Idee, die ganze Welt mit billigem Strom aus der Sahara versorgen zu können, erweist sich zunehmend als marktferner Spleen.“ Die Fata Morgana aus dem Reich der 1001 erneuerbaren Energiemärchen, an der bezeichnenderweise auch der für seine punktgenauen Prognosen bekannte Club of Rome beteiligt war, hat sich offenbar verflüchtigt, und das nachhaltig. Zwar, eine Zeitlang werden noch etliche Gestalten, die sich seit Jahren von dem aus Spenden und Steuergeldern (z.B. deutschen, 2003 vom damaligen Bundesumweltminister Trittin locker gemacht) lebenden Projekt gut ernähren, weiterhin „Aufwandsentschädigungen“ und Gehälter absahnen, kräftig Spesen machen und teure Dienstwagen bewegen, was der eigentliche Sinn dieser und ungezählter ähnlicher Unternehmungen ist.

Aber die Vision ist perdue. Bis zu Wikipedia, dessen Desertec-Eintrag von harten Fans des Ventures mit kühnen Vorschusslorbeeren vollgejazzt wurde, hat sich dieser Umstand noch nicht herumgesprochen. Kann man auch nicht erwarten, denn bei Wikipedia selber handelt es sich ja um ein sozialdemokratisch-ökologisches Projekt, das zuweilen mit Vorsicht zu genießen ist.

Die Gründe für das Desertec-Desaster sind laut Stern mannigfaltig. Technische Riesenhürden und Einsicht in mangelnde Wirtschaftlichkeit spielen eine Rolle, ferner das Abspringen von potentiellen Investoren wie Eon, fehlendes Interesse von Staaten wie Tunesien, die Desertec beglücken wollte, und so fort.

Die Einzelheiten des Scheitern sind uninteressant. Interessant und höchst beunruhigend ist, wie es Desertec gelingen konnte, eine Weile von energiepolitisch engagierten Bürgern, von Politikern, Konzernen und Finanzgruppen als ernsthafte Chance begriffen zu werden. Dass der Ex-Umweltminister der Bundesrepublik und spätere UN-Umweltgrüßaugust Klaus Töpfer dafür schwärmte, ein Mann, der sich von seinem Sprung in den 1988 noch ziemlich verseuchten Rhein offenbar nie wirklich erholt hat, ist kaum verwunderlich. Töpfer geht es, wie so vielen elder blödmen, einzig und allein um ein Plätzchen in den Geschichtsbüchern, und möge es bloß eine Fußnote sein. Auch die Beschirmung des Unterfangens durch Hans Joachim Schellnhuber vom „Potsdam Institut für Klimafolgenforschung“ ist nur eine Murmel mehr in der Schale mit den üblichen Alarmisten.

Doch wie konnte eine gemeinnützige Stiftung entstehen, in der auch viele Großfirmen mitmachten, wie Siemens oder die Münchener Rück? Warum dachten Zeitgenossen, die ansonsten ihre Alltagsgeschäfte einigermaßen erfolgreich besorgen, länger als fünf Sekunden über Desertec nach?

Fünf Sekunden genügen nämlich, um die Karte der Region zu erfassen, wo Desertec-Spiegel, -Umspannwerke und –Stromleitungen stehen sollten. Die Spanne reicht von den Maghreb-Ländern sowie Ägypten und Jordanien bis tief in den Mittleren Osten, sogar bis zum Jemen. Länder mithin, von denen jedem politisch auch nur mäßig Interessierten schon vor den arabischen Bürgerkriegen bekannt war, dass sie extrem explosiv sind und über eine junge, ständig erregungsbereite Bevölkerung verfügen, die dem Westen und seiner Lebensweise ressentimentgeladen gegenüber steht. Dass diese Länder ideale Basen für radikale Islamisten, Muslimbrüder und Terroristen jeglicher Couleur bilden und also dem Bedürfnis nach stabilen Stromlieferungen einigermaßen zweckundienlich sein dürften.

Energieerzeugungsanlagen, Umspannwerke und zehntausende Kilometer lange Stromtrassen in gewaltige, fast menschenleere Räume legen zu wollen, wo ein paar mit Sprengstoff hantierende Wüstensöhne den ganzen Laden nach Belieben lahmlegen könnten, ergo zu jeder Erpressung der mit Wüstenstrom Belieferten imstande wären -  ein derartiges Vorhaben ist ungefähr so clever, als baute man das zentrale Auslieferungslager für Oberklasse-Wagen der Marke Mercedes in Tirana auf oder als verlegte man die US-Notenpresse ins Hauptquartier der kolumbianischen Drogenmafia. Die Erzeugung von Strom, Lebenssaft der Industrienationen, ausgerechnet in den arabischen Raum verlegen zu wollen, das ist etwa so verantwortbar, als bäte jemand den Türsteher eines Wanderarbeiterpuffs in Ciudad Juárez, ein Weilchen auf die 15jährige Tochter aufzupassen.

Das, und nicht irgendwelche Kalamitäten technisch-finanzieller Art, die Desertec wohl letztendlich den förmlichen Garaus machen werden, ist das Beunruhigende an dem Fall. Dass eine so genannte, selbst ernannte Elite aus Politik und Wirtschaft, noch verliebter in ihren Öko-Wahn als Tom Cruise in seinen Scientology-Quatsch, sich über Jahre hinweg mit einer Idee befreundete, die so unfassbar hirnrissig ist, dass man es gar nicht glauben möchte. Dass die Energiedebatte in diesem Land also, mindestens zu Teilen und zeitweise, von vollkommen inkompetenten Leuten geführt wird, die von Energie oder Geopolitik nicht den Schimmer einer Ahnung haben.

Diese Leute kommen einem vor wie jener Steuermann der Cessna Citation 750, der im März auf dem Landeplatz Egelsbach seinen Co-Piloten kurz vor der Bruchlandung bass erstaunt fragte: „Terrain?!“

Anschließend ist auf dem Voice-Recorder ein sehr lautes Geräusch verzeichnet.

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