Wolfgang Röhl / 04.03.2014 / 12:28 / 1 / Seite ausdrucken

Hana und Tamir. Eine Romanze aus Pallywood

Die Hana, 26, ist eine starke Frau. Sie lebt im Norden des Gazastreifens und hat es kürzlich geschafft, ungeachtet widriger Umstände ihr erstes Kind zur Welt zu bringen. Was heißt Kind – es ist ein Junge! Hassan heißt der süße Knabe. Er ist „das erste Baby, das durch Sperma-Schmuggel auf die Welt gekommen ist“. Hana sagt: „Er schaut so ernst. Wie sein Vater“ (alle Zitate aus „Brigitte“ Heft 6/14).

Die Brigitte, 60, erscheint in Hamburg. Sie ist das „Leitmedium für Frauen“, wie ihr Verlag mitteilt. Daher bringt die Brigitte, neben vielen tollen Schmink- und Mode-Infos, auch immer wieder Stücke über starke Frauen. Zum Beispiel über Doris Dörrie, die irgendwann mal einen Kinohit namens „Männer“ hatte. Seither sind ihre Filme nicht mehr gar so stark, Doris’ Ego dafür umso robuster: „Ich bin die Prinzessin, ich mach, was ich will!”, sagt sie.

Noch spannendere Starkefrauenschicksale gibt es auswärts. Daher hat sich die Brigitte aufgemacht und die Hana in Gaza getroffen. Der Sandweg zum Haus ihrer Familie „ist gesäumt von Porträts junger Männer, die in den Palästinensergebieten als Widerstandskämpfer gegen die israelische Besatzung verehrt werden: Dschihadisten, die Kassam-Raketen über die Grenze geschossen haben. Oder die bei einem Angriff des israelischen Militärs auf den Gazastreifen ums Leben gekommen sind.“ Selbst im eigenen Haus nimmt Hana ihren schwarzen Nikab, der ihr Gesicht vor unbotmäßigen Blicken schützt, nicht ab. Der Nikab ist eher schon ein Tschador; er besitzt nur einen ganz engen Sehschlitz.

Und doch ist die Hana eine weitsichtige Frau. Wie ihre Geschichte zeigt, die sie der Brigitte erzählt hat. Also, Hana war schon als Kind dem zwei Jahre älteren Nachbarssohn Tamir versprochen, mit dem „sie Hühner durch die Gärten gejagt hat.“ Mit 19 Jahren wurde sie seine Ehefrau. Das Paar unternahm den ersten gemeinsamen Ausflug ans Meer, „unser schönster Tag“. Jedoch schon zwei Monate später zerbrach das Glück der Liebenden. Israelische Soldaten stürmten auf ziemlich rüde Art das Haus der Schwiegereltern, wo die beiden wohnten, nahmen Tamir und zwei von Hanas Brüdern mit. „Das war vor sieben Jahren. Seither hat Hana ihren Ehemann nicht mehr gesehen.“

Er sitzt im Knast, denn „ein israelisches Militärgericht hat ihn 2006 zu 12 Jahren Haft wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung und versuchten Mordes in vier Fällen verurteilt.“ Angeblich hat er „Islamisten“ beim Raketen abfeuern geholfen. „Hana will das nicht glauben. ‚Er hat in der Moschee unterrichtet’, sagt sie. Aber er hat nicht zu den Waffen gegriffen.’“

Das Aufmacherfoto des Artikels zeigt den schlafenden, in Decken eingemummelten Hassan, garniert mit verschwommenen Fotos seines Erzeugers, die vor dessen Inhaftierung aufgenommen wurden. Was wohl auf dem schwarzen T-Shirt steht, das Tamir auf einem Bild trägt? Kann man leider nicht erkennen. Inzwischen ist er ein Held: „Fotos von Tamir allein oder mit anderen palästinensischen Gefangenen sind überall im Haus (...) verstreut. ‚Islamischer Dschihad’ steht auf Arabisch über seinem Kopf und ‚Die Fesseln sollen brechen.’“

Aber erst in fünf Jahren soll Tamir frei kommen, Hana würde dann 31 sein. „Ihr rannte die Zeit davon, dabei vergingen die Jahre ohne Tamir so unendlich langsam.“ Eine verfahrene Angelegenheit.

Ursprünglich wollte sie „mindestens“ acht Kinder zur Welt bringen, „so wie ihre Mutter“. Sie weiß nämlich: „In unserer Gesellschaft muss jede Frau Kinder haben. Das ist ihre Rolle.“ Ihre jüngeren Schwestern sind längst Mütter. Deshalb hat Hana sich im Internet schlau gemacht. Da stand was von Frauen aus dem Westjordanland, die sich auf verschlungenen Wegen das Sperma ihrer in Israel inhaftierten Männer verschafft hatten und schwanger wurden.

Auch Hana zog alle Register. Sie arrangierte einen komplizierten, filmreifen Samenschmuggel (das Sperma kam in einer Chipsdose versteckt über die Grenze) und unterzog sich zeitgleich einer Hormonbehandlung. Alles mit dem Segen ihrer Familie, selbstredend. In einer Klinik in Gaza befruchtete sie ein Arzt mit Tamirs Samen. Bingo! „’Ich habe jetzt eine Aufgabe, sagt Hana. Ich kann mein Leben um Hassan herumbauen. Die Israelis haben mir meinen Mann weggenommen. Aber sie können mich nicht daran hindern, eine Familie zu gründen.’“

Obwohl Tamir für Hana „ein Held“ ist, möchte sie denn doch nicht, dass Hassan dereinst seinem Vater nacheifert. “Mit den Dschihadisten soll ihr Sohn nichts zu tun haben.“ Beruhigend, denn bekanntlich ist das Wort der Mutter in palästinensischen Familien oberstes Gesetz. Wenn ihr Mann also in fünf Jahren zurückkehrt und sie irgendwann gemeinsam dem Hassan erklären, wo sein Vater so lange gesteckt hat, dann werden sie den Jungen bestimmt ermahnen, nie, niemals und unter keinen Umständen eine Kassam-Rakete auch nur von hinten anzugucken. Und sie werden fortan in Frieden und Glück miteinander leben, sofern die Israelis das zulassen.

Am Schluss des Artikels darf die Autorin, wie es in manchen Magazinen üblich ist, noch ein Döntje von ihrer Reportage zum Besten geben: „Christine Kensche erntete in Beit Harun oft mitleidige Blicke, als sie erzählte, dass sie noch keine Kinder habe.“ Wenn die Christine nicht so kultursensibel wäre, hätte ihr das womöglich gestunken. Und sie hätte den starken schwarzen Frauen da unten mal bündig erklärt, dass genau dies ihr Problem und das von Palästina ist. Nämlich, dass sie einfach nichts gebacken kriegen. Außer Kinder, um die sie ihr Leben herumbauen; Kinder, Kinder und immer mehr Kinder. Die Geburtenrate im Gazastreifen ist mit 5,2 eine der höchsten, die Wirtschaftsleistung eine der niedrigsten der Welt.

Aber so was würde eine deutsche Journalistin aus Respekt vor starken schwarzen Schleierfrauen natürlich niemals sagen. Stattdessen sagte sie dies: „Die Autorin konnte die Frauen aus Hanas Familie aber beruhigen: Anfang 30 gelte in Deutschland nicht als zu alt, um noch Mutter zu werden.“
Da muss ein Seufzer der Erleichterung durch den Gazastreifen gegangen sein.

 

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Michael Lubk / 05.03.2014

Siehe Wikipedia - Spermium / Aufbewahrung der Spermien zur künstlichen Befruchtung oberhalb des Gefrierpunktes Die wird doch nicht unkeusch gewesen sein?

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