Gestern haben meine Freundinnen und ich uns zum Skypen verabredet. Wir sitzen gerade alle in Quarantäne und haben uns schon länger nicht mehr gesehen, da wollten wir das mal ausprobieren. Ich habe also meinen uralten Skype-Account aktiviert – den habe ich zuletzt mit 16 Jahren benutzt, um mit meinem damaligen Freund zu skypen. Ich war damals so wahnsinnig verliebt in ihn, dass ich meinte, keinen zweiwöchigen Urlaub mit meinen Eltern ohne tägliche Skype-Telefonate überstehen zu können. Als ich also meinen Account öffnete, poppten da erst einmal all die peinlichen Teenie-Chats von früher auf. Ein bisschen neugierig überflog ich ein paar Chatverläufe und musste lachen, als ich den Mix aus Jugendsprache, Emojis und absolutem Desinteresse an korrekter Rechtschreibung sah. Mit 13 hatten meine Freunde und ich anscheinend alle „aba“, statt „aber“ geschrieben und gedacht, dass in „Philosophie“ ein Ypsilon vorkommt.
In diese Zeit fühlte ich mich zurückversetzt, als ich plötzlich das Skype-Gebimmel hörte und auf dem Bildschirm sah, dass mich meine Freundinnen anriefen. Ich klickte auf „annehmen“ und da waren sie plötzlich alle auf meinem Laptop-Bildschirm zu sehen und wir grinsten uns unvermittelt an. Weil Mädchen eben Mädchen sind, waren wir die ersten fünf Minuten nur damit beschäftigt, wie wir aussehen. Das ist das Verzwickte am Skypen: Man sieht sich selbst die ganze Zeit klein in der Ecke. Nachdem die Haare also gerichtet waren und wir uns gegenseitig versichert hatten, dass wir alle super aussehen, ging das Gespräch los.
Aber über was redet man in Zeiten von Corona? Wir erzählten uns, was wir heute so gegessen und gemacht haben. Mehr gab es auch kaum zu berichten, wir sitzen ja alle zu Hause. Das Highlight des Gesprächs war, dass eine meiner Freundinnen während des Gesprächs frisch gebackenen Kuchen von ihrer Schwester gereicht bekam. Es wirkte, als hätten wir eine stille Übereinkunft getroffen, nicht über Corona zu reden. Also plauschten wir über dies und das, und ich merkte, dass es mir eigentlich komplett egal war, worüber wir redeten. Viel wichtiger war: endlich konnte ich mal wieder die Eigenheiten meiner Freundinnen sehen, wir konnten uns gegenseitig aufziehen, alte Scherze machen und mit Blicken statt Worten kommentieren. Ich kam mit der Aufmerksamkeit mal wieder aus meiner Wohnung heraus und sah andere Gesichter als die der Seriencharaktere von „Homeland“ und meines im Spiegel. Ich hatte wirklich Spaß beim Skypen und bekam endlich mal wieder ein Gefühl von meinem Alltag vor Corona.
Irgendwann redeten wir doch über Corona
Nur manchmal gab es eine unangenehme Stille, vielleicht, wenn uns wieder der Grund einfiel, warum wir uns hier über Video unterhielten, anstatt wie sonst in einer Bar miteinander zu quatschen und nach Männern Ausschau zu halten. Dann hatte ich das starke Bedürfnis, meine Freundinnen in den Arm zu nehmen. Die Berührung fehlt beim Skypen, das kann auch die beste Kamera nicht simulieren. Wir saßen dann etwas unbeholfen da und schwiegen – irgendwann redeten wir doch über Corona.
Nach kürzester Zeit war die Stimmung im Keller, also musste etwas her, um sie wieder aufzuhellen. Kurzerhand schmiedeten wir den Plan, beim nächsten Skype-Gespräch männliche Freunde von uns dazuzuschalten. Zum ersten Mal seit Beginn der Quarantäne war ich aufgeregt. Wir freuten uns, dass es dann wieder einmal einen Anlass gäbe, sich was Schickes anzuziehen und sich hübsch zu machen. Also endlich raus aus der Jogginghose und rein ins Kleid, Wimpern schminken und Haare föhnen. Endlich mal wieder ein Anlass, zu fühlen, dass wir Frauen sind.
Nach zwei Wochen Quarantäne muss ich sagen: das Schlimmste für mich ist das Versacken zu Hause. Wenn plötzlich der ganze Alltag hops geht, unser geliebter Juniorenkreis Publizistik ausfällt, das Uni-Semester nur noch über aufgenommene Online-Vorlesungen stattfindet, Bars und Clubs geschlossen werden, dann muss man sich wirklich neue Dinge zum Erledigen und Erleben suchen. Vor nicht einmal einem Monat habe ich mir in der Lernphase für meine Prüfung nichts sehnlicher gewünscht, als einmal auszuschlafen und den ganzen Tag nichts zu tun. Nun merke ich, dass es viel schlimmer ist, keine Aufgabe zu haben. Deswegen habe ich meine Jogginghose in den Schrank verbannt und begonnen, meinen Terminkalender wieder zu füllen. Morgens Skypen mit Rebecca, mittags mit dem Chef telefonieren, nachmittags eine Telefonkonferenz mit den Mädels und abends ein Videochat mit Männern. Mit so einem Tagesinhalt kann ich wieder frei atmen. Selbst bei Ausgangssperre – ich bin gewappnet.
Dieser Beitrag erschien zuerst auf dem Jugendblog Apollo-News.