Rainer Bonhorst / 15.10.2013 / 14:42 / 2 / Seite ausdrucken

Friede, Freude, Angela

Dieses unordentliche Amerika

Die Lage spitzt sich zu. In Amerika ringen Demokraten und Republikaner um das finanzielle Überleben ihrer und womöglich sogar unserer Welt; in Deutschland ringen Unionspolitiker und Sozialdemokraten um eine ordentliche Regierung. In Amerika droht aus Streitlust der wirtschaftliche Abgrund, in Deutschland wird ein großer politischer Frieden geschmiedet.

Zwei Lebensentwürfe sind zu sehen: in den USA ein geradezu chaotische Gerangel, in Deutschland eine wunderbare Ordnung. In Amerika bringt eine mächtige Opposition den regierenden Präsidenten ins Wanken, in Deutschland entsteht eine Koalition des politischen Friedens, deren Kreise keine Opposition stören wird. Dort wildes Leben, hier gediegene Leblosigkeit.

Es liegt auf der Hand, dass wir überzeugten Großkoalitionäre uns über die amerikanischen Streithähne kaputt lachen. Wie gut ginge es doch der Welt, wenn auch die Weltmacht so ordentlich und einheitlich wäre wie unser Biedermeierland. Endlich Ruhe. Endlich durchregieren ohne Quertreiber. Endlich alle Händchen haltend an einem Tisch. Endlich Friede, Freude, Angela.

Mag ja sein, dass sich die Demokraten und die Republikaner noch rechtzeitig einigen, ehe ihr Land in den Fluten des Atlantiks und des Pazifiks versinkt. Die Börsen scheinen diesen Eindruck zu haben, sonst wären sie angesichts des bevorstehenden Weltuntergangs nicht so gelassen.

Aber selbst wenn die Amerikaner des letzte tödliche Showdown um zwölf Uhr mittags gerade noch rechtzeitig vermeiden: Was macht dieses Kampfgeschrei doch für einen miserablen Eindruck! Man muss sich ja schämen, ein Demokrat zu sein. Dabei kann Demokratie so schön sein: Alle (mit Ausnahme eines kleinen, schäbigen Oppositionsrestes) ziehen an einem Strang. Gemeinsam schreitet man in demokratischer Einigkeit in eine strahlende Zukunft. Die Widersacher im Parlament erhalten ein Gnadenbrot am Katzentisch und halten gefälligst das Maul. Das ist die wahre Demokratie, die deutsche Demokratie, nicht dieses amerikanische Durcheinander.

Es ist ein Rätsel, dass Amerika überhaupt überlebt. Und nicht nur das. Diese Amerikaner kriegen auch noch einen Nobelpreis nach dem anderen. Drei für Chemie, drei für Wirtschaft und zweieinhalb für Medizin. Zweieinhalb? Ja, stimmt schon: Zwei sind echte Amerikaner, der dritte ein halber. Thomas Südhof ist ja Deutscher und wird bei uns entsprechend gefeiert. Hurra, ein Deutscher kriegt den Medizin-Nobelpreis! Nun gut, er ist seit 30 Jahren in Amerika und hat dort seine ganze nobelwürdige Forschungsarbeit gemacht. Er ist also nur ein halber deutscher Nobelpreisträger. Aber immerhin.

Es ist schon rätselhaft, dass dieses lächerliche und unordentliche Amerika so viele Nobelpreisträger hervorbringt und wir ordentlichen Deutschen uns über einen halben einen Ast freuen. Das verstehe, wer will.

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Leserpost

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Wolfgang Pfeiffer / 15.10.2013

Der Nobelpreisträger Thomas Südhof ist wohl aus dem deutschen Max-Planck Institut vor etlichen Jahren mehr oder weniger freundlich hinauskomplimentiert worden. Es lohnt sich das Interview, das Südhof auch zu diesem Thema dem Tagesspiegel gegeben hat: zu Hubert Markl, zumindest damaliger Präsident der Max-Planck-Gesellschaft, sagt Südhof: “Markl schlug mir dann vor, dass ich nach Amerika zurückgehen sollte”. Soviel zum “deutschen” Nobelpreisträger; dessen deutsche Staatsangehörigkeit übrigens ungeklärt ist. Im Gegensatz zu seiner amerikanischen Staatsbürgerschaft. Die Art und Weise, wie man also jetzt Südhof in Deutschland handelt, zeigt glaube ich auch, dass Deutsche oft ziemlich miese Verlierer sind ... ;)

Hermann Johann Streng / 15.10.2013

Sie fragen, warum es so viele Nobelpreisträger in den USA gibt? Nun, ganz einfach: kreatives Chaos. Wir haben ein destruktives Chaos: die Eurokrise.

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