Gastautor / 26.10.2011 / 13:33 / 0 / Seite ausdrucken

Eurobonds durch die Hintertür

Von Manfred Gillner

Heute soll der Bundestag erneut über den EFSF-Vertrag abstimmen. Dazu liegt ein Arbeitspapier vor, in dem zwei Optionen zur „Hebelung“ skizziert sind. Sie widersprechen dem Sinn der bisherigen Gesetze zum EFSF und dürften über die vom Bundesverfassungsgericht gesetzten Grenzen hinausgehen.

Option 1 sieht vor, dass ein (nicht mehr kreditwürdiger) Mitgliedstaat eine Staatsanleihe ausgibt. Um deren Bonität zu verbessern, gibt es zur Anleihe ein Zusatzzertifikat, das einen teilweisen Ausfall abdeckt. Ein einfaches Beispiel: Italien gibt eine Anleihe im Nennwert von 1.000 Euro aus. Der Käufer erhält zusätzlich ein Teilausfallzertifikat über 200 Euro. Er ist also bis zu einem Wertverlust von 200 Euro abgesichert.

Um dieses Konzept umsetzen zu können, greift das Arbeitspapier tief in die Trickkiste. Die EFSF gewährt dem Mitgliedstaat zunächst ein Darlehen. Damit kauft der Mitgliedstaat EFSF-Anleihen. Das Geld fließt also zuerst zum Mitgliedstaat und umgewidmet wieder zurück zur EFSF.

Der Mitgliedstaat tritt anschließend die erworbenen EFSF-Anleihen an einen Trust ab. Dort dienen sie als Deckung für die Teilausfallzertifikate. Nun kann der Mitgliedstaat seine Anleihe zusammen mit den Teilausfallzertifikaten ausgeben. Tritt der Gewährleistungsfall ein, so erhält der Besitzer eines Teilausfallzertifikats die im Trust hinterlegten EFSF-Anleihen. Diese kann er dann zu Barem machen.

Das erst am 29. September geänderte EFSF-Gesetz sieht natürlich derartiges nicht vor. Sinn des Gesetzes war, dass Mitgliedstaaten von der EFSF ein Darlehen bekommen können, wenn ihnen der Kapitalmarkt keinen Kredit mehr gibt, aber nicht um damit EFSF-Anleihen zu kaufen und die Hebelung zu ermöglichen.

Die Teilausfallzertifikate sollen nicht an die Anleihe gebunden sein. Sie sind also separat handelbar. Man kann davon ausgehen, dass sie wie die Kreditausfallversicherungen (CDS) Gegenstand von Wetten werden. Die Märkte werden testen, ob sie den EFSF über die Teilausfallzertifikate in Schwierigkeiten bringen können. Wenn dies gelingt, gibt es kein Halten mehr, auch nicht für Deutschland. Dann werden Anleger in Scharen ihre Anleihen abstoßen und eine Spirale auslösen, die niemand mehr beherrschen kann.

Eine offene Frage ist auch, wann der „Versicherungsfall“ eintritt. Das kann nicht erst dann sein, wenn der Mitgliedstaat sich für zahlungsunfähig erklärt, denn bis dahin hat die Anleihe weit mehr an Wert verloren als durch das Teilausfallzertifikat abgesichert ist. Man wird also die Fälligkeit an das Unterschreiten eines bestimmten Marktwerts knüpfen müssen.

Abgesehen davon, dass diese „Deadline“ auf den Märkten für ständige Unruhe sorgen wird, könnten sich Marktteilnehmer auch absprechen und versuchen, den Versicherungsfall auszulösen. Zudem könnten sie versucht sein, Derivate auf die Teilausfallzertifikate zu entwickeln, die ebenso wenig kontrollierbar wären wie die CDS und eine weitere Hebelwirkung hätten.

Das Arbeitspapier lässt offen, wie hoch der prozentuale Anteil des Teilausfallzertifikats sein soll. Das soll wohl mit Investoren ausgelotet werden. Es könnten also je nach Mitgliedstaat statt 20 Prozent auch nur 10 Prozent sein. Damit würde sich der Hebel verzehnfachen.

Allerdings ist fraglich, ob die Märkte ein solches Konzept überhaupt annehmen. Es ist kompliziert und erscheint riskant. Zudem will man für die versicherten Anleihen niedrigere Zinsen als für nichtversicherte zahlen. Viele der Mitgliedstaaten der EFSF sind selbst Wackelkandidaten und sollen trotzdem als Bürgen herhalten. Selbst Deutschland könnte einbrechen. Wenn es unter der Last der Verpflichtungen seine gute Bonität einbüßt, wird vielleicht auch der EFSF sein AAA-Rating verlieren. Dann wären auch die beim Trust hinterlegten EFSF-Anleihen und mit ihnen die Teilausfallzertifikate keine gute Sicherheit mehr. Es könnte außerdem zu Marktverwerfungen und Abwertungen kommen, wenn die Märkte Anleihen mit Teilausfallzertifikat bevorzugen.

Die Option 2 sieht die Gründung von Investment-Zweckgesellschaften vor. Jede würde an den Primär- und Sekundärmärkten Staatsanleihen eines bestimmten Mitgliedstaats erwerben. Die Auftrennung in mehrere solche Zweckgesellschaften ist wiederum ein Trick, um nicht gleich bei Eurobonds zu landen. Im Arbeitspapier steht:

„Diese Gesellschaft könnte durch Instrumente mit unterschiedlichen Risiko-/Ertragsmerkmalen finanziert werden. Die Instrumente könnten einen erstrangigen Schuldtitel und einen Beteiligungskapitaltitel umfassen, wobei beide handelbare Instrumente wären. Eine EFSF-Beteiligung wäre zusätzlich erforderlich, die den ersten Verlustanteil der Gesellschaft auffängt.“

Jede Zweckgesellschaft wird also von der EFSF mit einem Kapital-Grundstock ausgestattet und beschafft sich das übrige Kapital durch noch nicht näher beschriebene „handelbare Instrumente“. Das können zum Beispiel Anleihen sein. Der Unterschied zu Eurobonds wäre dann nur noch, dass es pro Staat eine Zweckgesellschaft auf EU-Ebene gibt, die für ihn unter gewissen Auflagen Geld auf dem Kapitalmarkt beschafft und nicht für alle Staaten zusammen eine einzige Zweckgesellschaft.

Option 1, so steht im Arbeitspapier, sei nicht für „Programmländer“ geeignet. Damit sind Staaten gemeint, die unter dem Rettungsschirm stehen. Wörtlich heißt es:

„Da Option 1 auf neue Emissionen am Kapitalmarkt ausgerichtet ist, würde sie außerdem ausschließlich für Nicht-Programmländer bzw. für Programmländer in einer Phase des Programmaustritts/-endes verwendet werden (während Option 2 für Transaktionen auf dem Sekundärmarkt in Bezug auf Programmländer verwendet werden könnte).“

Daran erkennt man, dass die Überlegungen längst nicht mehr nur darum kreisen, wie man Staaten zu Geld verhilft, die unter dem Rettungsschirm stehen. Beide Optionen sind für Neuemissionen geschaffen, nur Option 2 taugt auch für Altanleihen. Der Fokus liegt demnach klar auf der Beschaffung frischen Geldes für alle Staaten der Eurozone, die noch nicht unter dem Rettungsschirm sind.

Dieser Plan ist nicht in den drei Wochen seit dem 29. September entstanden, sondern von langer Hand ausgeheckt. Der nächste Schritt dürfte dann die Zwangsvereinigung Europas oder der Eurozone sein, nachdem man zuvor alle Staaten auf Gedeih und Verderb mit Schulden aneinander gekettet hat. Dann muss man nur noch ans Ersparte der Bürger gehen und schon kann man wieder von vorn anfangen - der Bürger mit Sparen und der Staat mit Schuldenmachen.

http://static.rp-online.de/layout/fotos/HBlBBDcl.pdf

Sie lesen gern Achgut.com?
Zeigen Sie Ihre Wertschätzung!

via Paypal via Direktüberweisung
Leserpost

netiquette:

Leserbrief schreiben

Leserbriefe können nur am Erscheinungstag des Artikel eingereicht werden. Die Zahl der veröffentlichten Leserzuschriften ist auf 50 pro Artikel begrenzt. An Wochenenden kann es zu Verzögerungen beim Erscheinen von Leserbriefen kommen. Wir bitten um Ihr Verständnis.

Verwandte Themen
Gastautor / 10.03.2024 / 11:00 / 2

Der Bücher-Gärtner: Das Zusammenleben täglich neu aushandeln?

Von Edgar L. Gärtner. Der zugegeben sperrige Titel „Ohne Bestand. Angriff auf die Lebenswelt“ von Michael Esders ist eine höchst anregende Lektüre, die vom Raubbau am sozialen…/ mehr

Gastautor / 03.03.2024 / 11:00 / 22

Der Bücher-Gärtner: Fossilenergie erneuerbar?

Von Edgar L. Gärtner. Unsere neue Buch-Kolumne richtet sich allein danach, ob ein Buch oder die Diskussion darüber interessant ist oder nicht. Den Anfang macht…/ mehr

Gastautor / 28.02.2024 / 12:00 / 22

In 10 Jahren keine europäischen Auto-Massenhersteller mehr

Von Matthias Weik. Der Standort Deutschland ist durch zu hohe Energiepreise, Steuern und Abgaben viel zu teuer und international nicht wettbewerbsfähig. Das Elektroauto ist nicht die Antwort, sondern…/ mehr

Gastautor / 25.12.2023 / 06:00 / 57

Musk have?

Von Rocco Burggraf. In Elon Musk hat sich der Kapitalismus, ganz im Sinne von Ayn Rand, mal wieder neu erfunden. Und zwar, indem er kantiges…/ mehr

Gastautor / 31.10.2023 / 06:15 / 62

Die Bitcoin-Reformation des Finanzwesens

Von Okko tom Brok.  An einem schicksalsträchtigen 31. Oktober, während die Welt am Rande des Chaos irrlichterte und die Mächtigen ihrer Zeit in banger Sorge…/ mehr

Gastautor / 30.10.2023 / 16:00 / 11

Euro, digitaler Euro, Bitcoin

Von Marc Friedrich.  Wenn ich auf meinen Vorträgen frage, wie Geld entsteht, bekomme ich häufig die interessantesten Antworten: Es komme aus dem Automaten, aus dem…/ mehr

Gastautor / 12.10.2023 / 14:00 / 17

Das deutsche Energie-Fiasko

Von Marc Friedrich. Jeder kann es sehen, jeder kann es spüren – vor allem im Portemonnaie. Es wird immer offensichtlicher, dass die Energiewende ein Fiasko…/ mehr

Gastautor / 02.10.2023 / 06:15 / 74

Wohnungsbau-Politik auf sozialistische Art – und was man tun könnte

Von Peter Pedersen. Um die implodierende Bauwirtschaft vor ihrem totalen Niedergang zu retten, ergreift die Bundesregierung die für sie einzig logische Konsequenz, auf die wirtschaftsschädlichen…/ mehr

Unsere Liste der Guten

Ob als Klimaleugner, Klugscheißer oder Betonköpfe tituliert, die Autoren der Achse des Guten lassen sich nicht darin beirren, mit unabhängigem Denken dem Mainstream der Angepassten etwas entgegenzusetzen. Wer macht mit? Hier
Autoren

Unerhört!

Warum senken so viele Menschen die Stimme, wenn sie ihre Meinung sagen? Wo darf in unserer bunten Republik noch bunt gedacht werden? Hier
Achgut.com