Paul Nellen
Mathias Rohe schreibt in der taz über die Scharia:
“Manches, aber bei Weitem nicht alles steht in krassem Gegensatz zu den Menschenrechten, etwa drakonische Körperstrafen oder die Ungleichbehandlung der Geschlechter und Religionen, wie sie auch in Europa über lange Zeit herrschten. Die in Libyen angekündigte Einführung eines islamorientierten Finanzsektors ist dagegen völlig unspektakulär. Das Spekulationsverbot des islamischen Rechts findet sogar Lob im Osservatore Romano – die Tageszeitung des Vatikans dürfte über jeden Islamismusverdacht erhaben sein.” http://www.taz.de/Debatte-Scharia-und-Arabischer-Fruehling/!81385/
So weit, so gut. Der Vatikan ist nicht nur “über jeden Islamismusverdacht erhaben”, er ist auch eine der Säulen der Demokratie. Der Papst ist ein gewähltes Staatsoberhaupt und das Concilium ein Parlament, das nach dem Prinzip “One man one vote” funktioniert, und zwar wortwörtlich. Aber eine andere Parallele ist noch überzeugender:
Auch im 25-Punkte-Programm der NSDAP von 1920 stand “manches, aber bei Weitem nicht alles in krassem Gegensatz zu den Menschenrechten”: “Kein Jude kann Volksgenosse sein”, hiess es da zwar zum Beispiel in Punkt 4, oder “Volksverbrecher, Wucherer, Schieber usw. sind mit dem Tode zu bestrafen” (Punkt 18).”
Dieses Programm kann aber auch den Einsatz zur “Brechung der Zinsknechtschaft” (Punkt 11) begründen - das will der Vatikan so ähnlich ja auch, meint Rohe. In Punkt 12 sagt die NSDAP: “Im Hinblick auf die ungeheuren Opfer an Gut und Blut, die jeder Krieg vom Volke fordert, muß die persönliche Bereicherung durch den Krieg als Verbrechen am Volke bezeichnet werden: Wir fordern daher restlose Einziehung aller Kriegsgewinne”. Das könnte so ähnlich auch von den Ostermarschierern gefordert werden.
Man sieht: Das Geschrei um das Programm der NSDAP beruht auf seiner einseitigen Interpretation jener Teile, die “meist als Gegensatz zu demokratischer Rechtsstaatlichkeit gesehen” werden.
Neonazis, die Parteiprogramme schreiben und sich dabei an den “25 Punkten” der NSDAP orientieren, sollten im Lichte der Roheschen Scharia-Beurteilung auf eine milde, ja wohlwollende Bewertung ihres Tuns hoffen dürfen. Und so, wie die ägyptischen Muslimbrüder einen christlichen Vizechef haben, könnte die NPD demnächst vielleicht sich einen jüdischen Parteivize zulegen, sagen wir Gerard Menuhin, den Sohn des großen Geigers und ständigen Kolumnisten der Freyschen Nationalzeitung. Denn merke:
“Nicht die Scharia per se” ist von Übel. Auch die 25 Punkte der NSDAP sind nicht “per se” abzulehnen, sie wären unter Strasser bestimmt anders ausgelegt worden als unter Hitler. Es kommt eben immer drauf an, was man draus macht. Und wer es macht.
Die Scharia passt, so gesehen, vorzüglich in eine offene, tolerante, freiheitliche Gesellschaft.
Ohne Scharia bleibt unser Grundgesetz das Dokument einer globalisierungsfeindlichen islamophoben Gesinnung. Ohne Scharia keine Integration.
Danke, Herr Rohe, für Ihren Beitrag!