“Es gehört oft mehr Mut dazu, seine Meinung zu ändern, als ihr treu zu bleiben.” - Christian Friedrich Hebbel
Im Herbst letzten Jahres, es muss so im Oktober oder November gewesen sein, war ich bei Minette Marrin, einer Kolumnistin der Sunday Times, zum Abendessen eingeladen. Ihre deutschen Nachbarn lernte ich bei der Gelegenheit auch gleich kennen, und ich verrate glaube ich nicht zu viel, wenn ich sage, dass sowohl das Essen als auch der Rotwein gleichermaßen hervorragend waren.
Wir verstanden uns alle auf Anhieb blendend und es wurde viel gelacht ... bis zu fortgeschrittener Stunde die Rede auf den britischen Wohnungsbau kam. Meine These, die ich in den vergangenen Jahren in diversen Publikationen dargelegt hatte, lautet ungefähr so: Weil in Großbritannien über Jahrzehnte aufgrund eines strengen Bauplanungsrechts viel zu wenig gebaut wurde, sind die Hauspreise in astronomische Höhen gestiegen, während gleichzeitig nur noch kleine Wohnungen gebaut werden - etwas anderes kann sich der Durchschnittsbrite nämlich inzwischen nicht mehr leisten. Jedenfalls liegt es auch daran, dass britische Häuser im internationalen Vergleich von so schlechter Qualität sind, denn im britischen Verkäufermarkt findet man auch für den größten Schrott noch einen Abnehmer.
Als ich mit meiner Tirade gegen das englische Planungswesen fertig war, setzte Minette zum Gegenangriff an: Das mag ja alles so sein, aber Großbritannien sei nun einmal eine kleine Insel, und daher müsse man mit Land sparsam umgehen. Und überhaupt, der ländliche Raum sei doch heute schon durch exzessive Bebauung bedroht. Man könne und solle daher gar nicht mehr bauen.
Von Minettes deutschen Nachbarn bekam ich wenigstens etwas Unterstützung: Englische Häuser seien im Vergleich zu deutschen überteuert und könnten auch hinsichtlich der baulichen Substanz oft nicht mithalten.
Minette und ich einigten uns darauf, dass wir an diesem Punkt einfach anderer Meinung sind, aber immerhin war sie neugierig geworden und ließ sich von mir unsere Publikationen zum Thema schicken.
Ich habe Minette in den vergangenen Monaten immer wieder einmal getroffen, und jedes Mal kamen wir wieder auf den Wohnungsbau zurück. Es muss ein ziemlich wunder Punkt gewesen sein, vielleicht lag es aber auch nur daran, dass sie aus einer eher ländlichen Gegend kommt, an der sie sehr hängt und die sie auf jeden Fall vor weiterer Bebauung schützen will. Außerdem ist es immer schwierig, feste Überzeugungen, die man jahrelang und noch dazu sehr öffentlich vertreten hat, in Frage zu stellen.
Umso überraschter war ich, als ich heute Morgen die Sunday Times aufschlug. Auf den Kommentarseiten las ich folgende Überschrift: “Build on the green belt, and build now” - Klasse, endlich ist die Wohnungsbaukrise auch in der Sunday Times angekommen, dachte ich und sah nach, wer da diesen Beitrag verfasst hatte. Ich traute meinen Augen kaum, denn es war tatsächlich Minette Marrin. Aber es kam noch besser, denn sie schrieb doch tatsächlich: “The person who forced me to change my mind is Dr Oliver Hartwich who, with Professor Alan Evans of Reading University, has written three housing pamphlets for the think tank Policy Exchange. They argue that our attitude to planning is distorted by some powerful myths.”
Und während ich mir ein Grinsen und ein leichtes Erröten nicht ganz verkneifen kann, überlege ich, warum mich Minette nicht wenigstens vorgewarnt hat, dass sie ihre Meinung nun doch ändern werde. Vielleicht frage ich sie einfach einmal, wenn ich sie demnächst zum Essen einlade.