Rainer Bonhorst / 23.07.2019 / 06:10 / Foto: Pixabay / 35 / Seite ausdrucken

Ein Rock geht durch Deutschland

Mit Abscheu, Empörung und Entsetzen hat ein Heer von Shitstormern auf die textile Herausforderung reagiert, mit der die neue Verteidigungsministerin bei ihrem Amtsantritt die Seelenruhe vieler Menschen gestört hat. Sie trug einen Rock. Und zwar keinen langen, an der züchtigen Burka-Mode orientierten, sondern einen in der westlichen Welt bisher normalen. Er endete kurz über dem Knie. 

Diese aktuelle textile Herausforderung erinnert mich an eine andere textile Krise von historischem Ausmaß, die eine Bundestagsabgeordnete ausgelöst hat. Ich meine die Hosenanzug-Krise von 1970, die die optische Geschichte des deutschen Parlamentarismus völlig umgekrempelt hat.

Zwei Frauen waren dafür verantwortlich. Die geistige Anführerin war keine geringere als die damalige Vizepräsidentin des Bundestags, Lieselotte Funke; die Ausführende war Lenelotte Bothmer, eine norddeutsche Abgeordnete.

Die Umwälzung fand in zwei Etappen statt. Von der FDP-Politikerin Lieselotte Funke ermuntert, betrat die SPD-Politikerin Lenelotte Bothmer im Frühling des textilen Krisenjahres nicht im damals üblichen, ja praktisch vorgeschriebenen Kleid oder Kostüm den Bundestag, sondern in einem hellen Hosenanzug. Kaum hatte sie Platz genommen, da gerieten die Herren des hohen Hauses völlig aus dem Häuschen. Es wurde gekichert, gejohlt und geschimpft. Ein Hauch von Kindergarten wehte durch die ehrwürdige Stätte.

Noch mehr Getöse, und jede Menge Schlagzeilen

Provoziert hatte der CSU-Politiker Richard Jaeger den Auftritt. Er werde als Bundestagsvize keine Frau im Hosenanzug, wie sie draußen im Lande gerade modern geworden waren, ins Plenum, geschweige denn ans Rednerpult lassen. Damit war schon die nächste Provokation programmiert. Denn später im Jahr trat Lenelotte Bothmer im Hosenanzug nicht nur ins Plenum, sondern sogar ans Rednerpult. Noch mehr Aufregung, noch mehr Getöse, und jede Menge Schlagzeilen.

Seltsamerweise überstand das hohe Haus den Skandal unversehrt. Ja erstaunlicher noch: Der Hosenanzug entwickelte sich zum Standard-Textil für weibliche Politiker. Angela Merkel und der Hosenanzug sind eine Verbindung eingegangen, die man als unzertrennbar bezeichnen kann. Der Hosenanzug-Anteil liegt heute bei weiblichen Regierungsmitgliedern nahe hundert Prozent.

Aber eben nur nahezu. Annegret Kramp-Karrenbauer riskierte die Alternative, die vor ein paar Jahrzehnten fast noch Vorschrift war, und schockierte das Publikum mit einem Rock. Und siehe da: Ein Rock-Ruck ging durch Deutschland. 

Haben wir es mit einem Einzelfall zu tun oder stehen wir am Beginn einer textilen Wende? Zurück zum Rock? Wer weiß. Jede Revolution hat mal klein beziehungsweise kurz angefangen. 

Foto: Pixabay

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Leserpost

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Anders Dairie / 23.07.2019

So etwas passiert nur, wenn der Verteidigungsminister/in keinen militärischen Generalsrang bekommt und keine Uniform,  die er/sie bei öff. Anlässen tragen kann.  Man salutiert vor der Uniform als Symbol der Staatsmacht,  wie vor der Fahne salutiert wird.  Mit Netzstrumpfhose vor das Bataillon geht zwar, jedoch nur selten gut,  Auch mit Badelatschen unter der Uniform,  das macht sich eher schlecht.  Frau AKK wird lernen müssen,  wie Minenfelder aussehen.

Annika Muhle / 23.07.2019

Ich trage nie Hosen. Stets Rock oder Kleid. Da können noch so viele Shitstormer kommen, ich will einfach keine Hosen mehr tragen. Und obwohl ich AKK nun gar nicht anziehend oder sympathisch fand, durch den Rock hat sie deutlich an Sympathie gewonnen. Nicht genug, aber deutlich. Ich verstehe persönlich auch nicht, wie man die unbequemen (weil eng sitzenden und beengenden) Hosen einem tollen Rock (egal ob Mini, Midi, Maxi oder was-auch-immer) oder Kleid vorziehen kann. Muss man etwas aufpassen, wie man sich hinsetzt? Klar, aber so what? Man muss ja auch beim Schminken etwas aufpassen, damit der Lippenstift nicht komplett quer übers Gesicht geht. Röcke und Kleider sind für mich ein extremes Stück Lebensqualität. Auch zu Hause, und als Nachthemd sogar im Bett.

Veronika Geiger / 23.07.2019

Herr Bonhorst, ich hoffe es bleibt bei vielen, vielen Einzelfällen. Wäre ich viel jünger, würde ich gerade jetzt in diesen Zeiten, super knappe Miniröcke tragen! Für mich eine direkte Ansage an die Dazugekommenen, dass wir hier in einem freien Land leben. Ich freue mich im Sommer über die jungen Mädels, die ihre Figur zeigen können und dies auch tun, fröhlich und unbeschwert durch die Stadt schreitend. Und dann freue ich mich heimlich wenn so eine zugepackte “Muslima” mit verdrießlichem Gesichtsausdruck samt ihrem Mann denen begegnet. Das Gesicht des Mannes und seiner Frau sprechen Bände. Sie schaut konsequent weg und ihm fallen schier die Augen aus den Höhlen. Bei Frau AKK vermute ich, dass sie unbedingt Akzente ihrer eigenen Politik setzen möchte und das fängt nun mal bei einer Frau bei der Kleidung oder Frisur an. Dennoch glaube ich nicht, dass Frau AKK inhaltlich überzeugen kann und allein die Optik wird ihre Defizite nicht retten können.

Jörg Plath / 23.07.2019

Zur Zeit macht sie für mich alles richtig. Inklusive Rock.

Nico Schmidt / 23.07.2019

Sehr geehrter Herr Bonhorst, mir ist es ziemlich egal, ob AKK einen Mini oder eine ausgewaschene Jeans trägt. Sie soll einen tollen Job machen und bei der momentanen Qualifikation unserer Politiker, darf man zumindest skeptisch sein. Wieviel Milliarden können eigentlich noch verschwendet werden, bis 350 Schützenpanzer nach 17 Jahren noch immer nicht fertig sind? Die Liste ist lang und keine Besserung in Sicht. MfG Nico Schmidt

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