Ich habe einen immer wiederkehrenden Traum. Er besucht mich jeden Tag, wenn ich die Nachrichten aus Nordafrika und Nahost sehe, höre und lese. Ägypten, Libyen, Syrien und so weiter: Das Volk ist auf die Straße gegangen und geht noch auf die Straße, um seinen Diktator loszuwerden. Der schießt zurück. Viele Menschen sterben. Aber die, die nicht ermordet worden sich, sind am nächsten Tag wieder da und stellen sich der Gewalt des Diktators entgegen. Und am nächsten Tag wieder. Und am nächsten Tag wieder.
Das ist die Wirklichkeit in diesen arabischen Ländern. Und dann kommt mein Traum. Er führt mich zurück nach Deutschland, ins Jahr, na sagen wir: 1938. Im Traum sehe ganze Heere mutiger Deutscher auf den Straßen, die ihren Diktator loswerden wollen. Sie stellen sich der Gewalt des Diktators entgegen. Es fließt viel Blut. Aber am nächsten Tag sind die, die nicht ermordet worden sind, wieder auf der Straße. Und am nächsten Tag wieder. Und am nächsten Tag wieder. Wie viele müssen sterben, um den Diktator schließlich doch in die Flucht zu schlagen?
Mein Traum beantwortet diese Frage nicht. Er beantwortet auch nicht die Frage, ob ich mich damals unter die Protestierenden auf die Straße gewagt hätte, wenn es sie gegeben hätte. Er beantwortet auch nicht die Frage, ob ich nicht das gemacht hätte, was alle gemacht haben, diefür den Diktator in den Krieg gezogen und zu Millionen umgekommen sind. Wie viele wären umgekommen, wenn sie protestierend auf die Straße gegangen wären? Wie viel wäre uns und der Welt erspart geblieben? Theoretische Fragen.
Damit endet mein Traum. Und dann mache ich die Augen auf und sehe die mutigen Araber im blutigen Kampf gegen ihren Diktator. Und die, die nicht ermordet werden, sind am nächsten Tag wieder auf der Straße. Und am nächsten Tag wieder. Und ich weiß wieder nicht, ob ich mich unter die Protestierenden auf diese Straßen wagen würde. Aber diese Leute trauen sich.