Wo andere schnell urteilen, besitzt Dr. Jürgen Todenhöfer die Fähigkeit, die Psyche des syrischen Präsidenten Baschar al-Assad gewissermaßen im therapeutischen Gespräch auszuloten. Da sitzt ihm eben im Regierungspalast kein Diktator und Massenmörder gegenüber, wie der Westen eilfertig meint, sondern „ein stiller, nachdenklicher Mann“; ein „Hamlet mit einem Übervater, vor dem er nicht versagen will“. Anhänger Assads schätzen den Gast, Interviewer und Shrink mit Behandlungsschwerpunkt Hamletkomplex folglich als „Dr Tudenhufer (the german thinker)“, wenn sie die westlichen Fürsprecher des syrischen Regimes lobend erwähnen. Man fühlt sich unwillkürlich an die Alfred-Biolek-Parodie erinnert, in der die Biolek-Figur seinem Gesprächgast Adolf Hitler die Hand aufs Knie legt und fragt:„Also, Herr Hitler – wie war das damals mit Ihnen und den Juden?“
Wie es in Dr. Todenhöfer denkt, und warum Assad niemals hinter der Einäscherung syrischer Städte stecken kann, das erklärte Todenhöfer-Tudenhufer nach seiner Therapiesitzung in Damaskus kürzlich dem syrienerfahrenen Spiegel-Reporter Christoph Reuter (Spiegel 31/12):
„Todenhöfer: Wieder so eine Behauptung, es gibt keinen Schießbefehl auf Zivilisten.“
Reuter: Wie bitte?
Todenhöfer: Es gibt, ganz im Gegenteil,ein Schießverbot auf die Zivilbevölkerung.
Reuter: Wer sagt das, Assad?
Todenhöfer: Er sagt, dass alle, die dagegen verstoßen, vor Gericht zur Rechenschaft gezogen werden. Er hat die Familie eines 13-jährigen Jungen empfangen, der zum Symbol für die Revolution wurde. Er war von Sicherheitskräften getötet worden. Assad hat mit der Familie getrauert und den Jungen zum Märtyrer erklärt. Das hätte er nie getan, wenn er derartige Erschießungen gut fände.“