Burkhard Müller-Ullrich / 18.02.2009 / 14:09 / 0 / Seite ausdrucken

Doppelnamen

„Warum?“ lautet die Frage, die Eltern regelmäßig zur Verzweiflung bringt. Vor allem: „warum?“ in Verbindung mit gerade ausgesprochenen Verboten. Als Antwort gibt es dann meist wutschnaubend hervorgestoßene Eltern-Sätze wie: „Anders geht es eben nicht“ oder „weil ich es nun mal so will“. In solchen Fällen hätte der Warum-Frager vor dem Bundesverfassungsgericht, wo er dann Beschwerdeführer genannt wird, gute Chancen. Er könnte dann in seiner Beschwerde etwa schreiben: „Bloße Ordnungsgesichtspunkte des Gesetzgebers reichen zur Rechtfertigung dieser Regelung nicht aus.“

Aber du lieber Himmel! – Beruhen nicht die meisten Regelungen auf bloßen Ordnungsgesichtspunkten? Bei Rot muß man anhalten, auch wenn weit und breit nichts kommt; hier darf man nur bar zahlen, dort nur bargeldlos; und Verheiratete können ihre Namen mit Bindestrich zusammenfügen, aber nur, wenn sie nicht schon Doppelnamen tragen. Warum? Damit die Namen nicht zu lang werden und schön auf die amtlichen Formulare passen. Wer allerdings zehn Vornamen hat, wie zum Beispiel unser neuer Bundeswirtschaftsminister, muß im Zweifelsfall ein Beiblatt benutzen, weil der Platz auf Vordrucken nicht ausreicht. Das ist zwar etwas mühsamer für die Verwaltung, aber es geht.

Genau mit diesem Argument haben zwei Eheleute, die zum bereits vorhandenen Doppelnamen des Mannes noch den Namen der Frau hinzufügen wollen, ihre Verfassungsbeschwerde begründet. Ein Tripelname mag seltsam und für die Verwaltung mühsam sein, aber als Rechtfertigung für ein Verbot reicht das nicht aus. Eigentlich müßten auch Quadrupelnamen gehen, denn zehn Vornamen gehen schließlich auch.

Und was sind überhaupt ein paar Verwaltungsschwierigkeiten gegen den Zufriedenheitsgewinn durch Namenspotenzierung? Möchte nicht jeder Mensch mehrere sein, nach der Devise: ‚Wer bin ich – und wenn ja, wieviele‘? Ein Doppelname mit Bindestrich ist die harmloseste Form, seiner multiplen Persönlichkeit Ausdruck zu verleihen. Identitätsmanagement ist sowieso die große Herausforderung unserer Epoche, und das beginnt mit Namenführung. Denn unser Name ist unsere Marke auf dem Aufmerksamkeitsmarkt.

Die Aufspaltung von Identität, das Leben in Parallelwelten gehört außerdem zur intellektuellen Conditio Humana in der Moderne. Kein Geringerer als Hugo von Hofmannsthal hat das in den berühmten Satz seines Chandos-Briefs gefaßt: „Wir haben durch Nachdenken einen doppelten Menschen aus uns gemacht.“ Daher darf man in einem Doppelnamenträger durchaus einen Menschen sehen, der zeigen möchte, daß er viel nachdenkt. Von Tripel- und Quadrupelnamen ganz zu schweigen.

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