Mit Kopfschütteln beobachten wir feineren Europäer wieder mal den amerikanischen Wahlkampfzirkus. Nicht weniger als sieben Möchtegerne woll(t)en Präsidentschaftskandidat der Republikaner werden. Dafür liefern sie sich ein öffentliches Konkurrenzschauspiel, das für den gehobenen deutschen Geschmack einfach nicht akzeptabel ist. Warum machen es die Amerikaner nicht wie wir und kungeln ihren Spitzenkandidaten im kleinen Kreis aus? Da weiß man dann wenigstens, was man kriegt: einen ordentlich Ausgekungelten und kein langes Hin und Her.
Statt dessen machen die Amerikaner alles vor großem Publikum. Und jeder, der ein paar Millionen übrig hat, darf mitmachen. Eine Art politisches Jekami also. Kein Wunder, dass dabei lauter Leute mit merkwürdigen Namen hervortreten. Ein Mitt, zwei Ricks, ein Ron, ein Newt, ein Jon und eine Michele. Na ja, Michele heißt auch die amtierende First Lady. Leider hat die Republikaner-Michele nach der ersten Runde in Iowa schon das Handtuch geworfen. Jetzt sind die Buben unter sich. Und die ziehen nun von Stadt zu Stadt und müssen sich nicht nur bei ihren eigenen Parteifreunden bewähren. Sie müssen auch bei denen, die die anderen wählen, möglichst gut ankommen, um eine Chance auf die Kandidatur für ihre Partei zu haben. So geht das Monate lang. Bis der, der am besten ankommt, den Zugriff bekommt. Das muss man sich mal vorstellen: Schon bevor sie überhaupt Kandidat werden können, müssen die Kandidaten beweisen, dass sie etwas taugen. Was ist das nur für ein Demokratieverständnis? Das grenzt ja an Herrschaft des Volkes. Wo bleibt da die Herrschaft der Parteien? Wissen in Amerika etwa die Parteien nicht am besten, wer oder was für die Leute gut ist?
Bei uns ist das zum Glück anders. Nehmen wir nur unseren Bundespräsidenten. Wo stünden wir heute, wenn der Präsident direkt vom Volk gewählt würde! Wer weiß, was da für einer ins Schloss Bellevue einziehen würde. Womöglich käme einer rein, der seine Finanzen nicht sauber gehalten hat und dann versucht, sich mit lauter Ausreden aus der peinlichen Schlinge zu ziehen. So ein Typ würde womöglich sogar Chefredakteure erschrecken, indem er Ihnen etwas auf den Anrufbeantworter schimpft. Nein, das Risiko einer Direktwahl des Präsidenten ist einfach zu groß. Wie gut, dass unsere Parteiführungen uns vor solchen Peinlichkeiten durch ihre professionelle und kluge Auslese bewahren.
Umso unglaublicher ist es, dass die Amerikaner solche Risiken eingehen. Nicht nur beim Präsidenten, auch bei ihren anderen Politikern. Man glaubt es kaum, aber alle Kongressabgeordneten und Senatoren werden direkt vom Volk gewählt. Keiner kommt über eine Parteiliste ins Amt. Kein Parteistratege sorgt dafür, dass bestimmte Leute automatisch gewählt sind, weil sie gar nicht gewählt werden müssen sondern einen sicheren Listenplatz haben. Das bedeutet in der amerikanischen Praxis: Alle Mandatsträger müssen sich nach Ablauf einer Amtszeit wieder direkt vom Volk bestätigen lassen, dass sie ordentlich gearbeitet haben. Wenn nicht, fliegen sie raus. Unglaublich. Bei einem solchen Demokratieverständnis ist es kein Wunder, dass die Amerikaner immer den Präsidenten kriegen, den sie gewählt haben. Mit anderen Worten: Die spinnen, die Amerikaner.