Günter Ederer / 09.07.2014 / 14:34 / 5 / Seite ausdrucken

Die Murks-Maut

Es ist gar nicht so einfach über den ganzen Murks der Dobrinth - Maut zu schreiben. Sie ist ein Beispiel aus dem Lehrbuch: Wie entstehen sinnlose Gesetze. Fangen wir mit der Begründung der Maut durch den CSU-Parteisoldat Alexander Dobrinth an, der gerade das Verkehrsressort verwaltet. „Diese Maut schließt eine Gerechtigkeitslücke“, verkündet er. Vielleicht wäre er besser Sozialminister geworden, dort werden Gerechtigkeitslücken geschlossen. Verkehrsminister sind eher für die Lücken im Straßennetz zuständig. Woher soll das aber Alexander Dobrinth wissen? Sein Chef, der Vorsitzende der CSU will eine Maut gegen die Ausländer. Er ist ja nur ein bestallter Erfüllungsgehilfe. Mit Straßenbau und Infrastruktur hat das nichts zu tun.

Im „Handbuch für gegenwärtige Politikanwendung“ steht, dass alles mit „Gerechtigkeit“ begründet werden muss, damit es dem Zeitgeist entspricht. Also wird die Maut eingeführt, um eine Gerechtigkeitslücke zu schließen. Auf der Suche nach dieser Lücke, hat der bayerische Ministerpräsident die Horden der niederländischen Wohnwagenfahrer und österreichischen Nachbarschaftsschmarotzer entdeckt. Wenn die Münchner zum Skifahren in die Alpen oder an die nahe gelegenen Adriastrände in Italien fahren, verlangen die Österreicher eine saftige Gebühr, die sie aber auch selbst entrichten müssen. Und wenn die Herren Seehofer und sein braver Gefolgsmann Dobrinth nicht von Gerechtigkeitslücken verblendet wären, könnten sie erkennen, dass die Österreicher eine sehr sinnvolle und sogar gerechte Straßenfinanzierung betreiben, die nur übernommen werden müsste. Aber das wäre die Schließung von Autobahnlücken in Deutschland und um die geht es ja nicht.

In Österreich gibt es die ASFINAG, die Autobahn- und Schnellstraßen-Finanzierungs-Aktiengesellschaft, ein eigenständiges Unternehmen. Die wird durch die Pkw und Lkw-Maut finanziert und nimmt dafür knapp 1 Milliarde Euro ein. Mit diesem Geld bezahlt sie den Unterhalt und den Ausbau des österreichischen Autobahnen- und Schnellstraßennetzes von knapp 2000 Kilometern. Der entscheidende Unterschied zu Deutschland. Diese Gebühren fließen nicht in den Staatshaushalt, sie sind ausschließlich für die Autobahnen reserviert.

In den letzten sechs Monaten habe ich mich fast ausschließlich um die deutsche Verkehrspolitik gekümmert und darüber ein Buch geschrieben, das im September mit dem Titel „Deutschland im Stau“ auf den Markt kommt. (Deswegen haben Sie auch nichts von mir in der Achse des Guten gelesen.) Das Fazit: Die Planwirtschaft im Verkehrswesen beschert uns einen jährlichen volkswirtschaftlichen Schaden in einem unteren dreistelligen Milliardenbereich. Näher kann dies niemand beziffern, weil der noch nie genau ausgerechnet wurde. Diese gigantische Verschwendung zu verhindern wäre eine lohnende Aufgabe für einen Verkehrsminister. Aber der kümmert sich um die Gerechtigkeitslücke.

Gehen wir einmal davon aus, dass er mit seiner optimistischen Annahme Recht behalten würde, dass durch diese umständliche und komplizierte Maut tatsächlich noch 800 Millionen Euro pro Jahr eingenommen werden könnten. Ein lächerliches Sümmchen für den Aufwand. Die Deckungslücke im gültigen Verkehrswegeplan von 2003 bis 2015 beträgt knapp 150 Milliarden Euro. Im letzten Jahr belief sich die Staulänge auf 830 000 Kilometer, in der je nach Berechnung etwa für 14 Milliarden Euro Sprit sinnlos verbrannt wurde. Und vielleicht hat Herr Dobrinth auch schon einmal was davon gehört, dass unsere Brücken nur noch bedingt befahrbar sind. In Ostwestfalen wird gerade die A 33 von Bielefeld nach Osnabrück gebaut. Wegen der ungenügenden Mittelzuweisungen beträgt die durchschnittliche Bauleistung 8 Meter pro Tag. Und so könnte ich jetzt all die Skandale aufführen, die sich im Buch auf 360 Seiten ausdehnen, auf der Straße, der Schiene, zu Wasser und in der Luft.

Aber im „Handbuch für die gegenwärtige Politikanwendung“ steht auch, warum diese bayerische Folklore-Maut wahrscheinlich sogar Gesetz wird. Wichtigstes Element der Maut: Sie wird in den allgemeinen Staatshaushalt fließen und steht damit den Begehrlichkeiten aller Parteien zur Verfügung. Dobrinth macht nicht den Fehler, eine Maut, wie in Österreich zu fordern, die als Gebühr dann nur für den Straßenbau verwendet werden dürfte. Das wäre eine Herausforderung an die mächtigen Planwirtschaftler im Parlament und der Verwaltung. Jetzt verteilen die Haushälter die Mittel nach Gutsherrenart, die Milliarden werden weitgehend nach Länderquoten verteilt, unabhängig von dem Bedarf, und vor allem dürfen alle Ressorts sich aus dem Aufkommen bedienen, die mit Infrastruktur nichts zu tun haben.

Kaum hatte Dobrinth seine Maut angekündigt, die ja nicht nur für Autobahnen, sondern für alle Straßen gefordert wird, meldete sich auch der Deutsche Städtebund und forderte seinen Anteil, die Länder zeigten sich entrüstet, dass sie nicht gefragt wurden etc.. Damit bleibt er der Tradition treu: Die Teilnehmer am Straßenverkehr ab zu kassieren, weil die sich nicht wehren können. Gleichzeitig reden wir ihnen auch noch ein, dass sie als Umweltverschmutzer froh sein dürfen, nicht noch mehr bezahlen zu müssen. So addieren sich die Steuereinnahmen aus dem Straßenverkehr auf 60 Milliarden pro Jahr, das ist mehr, als allgemein erzählt wird. Denn außer Mineralölsteuer, Kfz-Steuer, müssen auch noch die Lkw-Maut und die anteiligen Einnahmen der Versicherungssteuer dazu gerechnet werden. Diesen 60 Milliarden Einnahmen aus dem Straßenverkehr stehen 18 Milliarden Euro Subventionen für den Schienenverkehr gegenüber. Und Dobrinth tut nichts, was diese Kapital vernichtende Struktur ändern würde, denn dann würde er richtig Ärger bekommen – mit der ganzen Lobby- und Nutznießerstruktur, die diese Umverteilung seit Jahrzehnten aufgebaut haben.

Natürlich schimpft die Opposition auf die CSU-Maut, und hier und da wagt auch ein Abgeordneter der Koalition einige Fragen zu stellen. Aber das muss nicht Ernst genommen werden. Im Grunde genommen sind die Grünen damit zufrieden, dass Dobrinth die Steuerfinanzierung nicht in eine Gebührenfinanzierung umwandelt. Das würde mehr Geld für den Straßenbau bedeuten, und das wollen sie auf keinen Fall. Die grünen Verkehrsminister Taril Al-Wazir, Hessen, und Winfried Hermann, Baden-Württemberg, können doch mit großem Bedauern feststellen, dass sie leider nicht die gewünschten Straßen bauen können, weil ihnen das Geld fehlt. Und so beerdigen sie jahrzehntelange Planungen und Vorarbeiten. Gleichzeitig freut sich Herr Dobrinth, weil dann auch keine Forderungen für mehr Geld für den Straßenbau an ihn gestellt werden. So ist allen gedient.

Auch die Kanzlerin kann zufrieden sein. Sie sagt: Kein Deutscher darf mehr belastet werden. Das verspricht auch die CSU-Truppe. Was für eine peinliche Argumentation. Verkehrspolitik mit einer Mobilisierung von Ausländerressentiments. Nur weil die politische Klasse nicht in der Lage ist, eine marktwirtschaftliche Verkehrspolitik zu zulassen, in der die Nutzer mit Gebühren die Infrastruktur bezahlen – ohne Ansehen der Nationalität, des Einkommens und des Geschlechtes, oder was sonst noch alles bei der Maut berücksichtigt werden soll. Entschuldigen Sie wenn ich da einiges durcheinander bringe, aber die Gleichheits- und Ausgleichs- und Gerechtigkeitsgrundsätze, die im Handbuch der gegenwärtigen Politikanwendung stehen, sind so ausführlich und übergreifend, dass da schon mal was durcheinander geht.

Ach ja, da gibt es auch noch das Problem, ob dieses bürokratische Monster Europa-konform ist. Die Mehrheit der EU-Staaten verlangt eine Maut. Nur Deutschland probiert wieder so eine Sondernummer. Mauteinnahmen für den allgemeinen Haushalt, statt Gebühren. Wenn dann die EU feststellt, dass die Niederländer und Österreicher nicht auf der Straße abkassiert werden dürfen, weil sie dann unsere Renten mitfinanzieren müssen, ist wieder Brüssel Schuld. Und jetzt höre ich auf, weil das schon wieder genug Stoff für ein Buch wäre.

Das „Handbuch für gegenwärtige Politikanwendung“ ist leider nicht schriftlich festgelegt. Wenn Sie es erleben wollen, müssen Sie einen Parteitag besuchen – egal von welcher Partei.

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Markus Pech / 10.07.2014

Der Mann heißt Dobrindt, nicht Dobrinth.

Ludwig Mann / 10.07.2014

Zumindest den Namen richtig abschreiben können sollte man, wenn man über jemanden herzieht und sei es noch so berechtigt….

Dirk Ahlbrecht / 09.07.2014

Auf Ihr Buch, Herr Ederer, bin ich schon sehr gespannt - und freue mich schon auf diese Neuerscheinung. Ob es allerdings ein Lesevergnügen werden wird, wage ich zu bezweifeln - und das liegt sicher nicht an Ihrem Buch selbst, sondern an den Dingen, die man dort wird lesen müssen. Da stehen wahrscheinlich, ähnlich wie bei Broders Buch über die EU, diese ganzen aberwitzigen Dinge drin, die einen täglich verzweifeln lassen. PS: Schreiben Sie in Ihrem Buch aber bloß den Namen des Planwirtschaftlers Dobrindt richtig. Dieser Experte kommt am Ende noch auf die Idee Sie deshalb zu verklagen. Und Sie müssen dann die erste Auflage einstampfen…:-)

Rominte van Thiel / 09.07.2014

Sicher ein durchaus nachdenkenswerter Text. Aber der mehrfach zitierte Mann heißt Dobrindt.

Roland Seifert / 09.07.2014

Na super! Sie reden die ganze Zeit von diesem tollen Handbuch - und am Ende ist es nur ausgedacht. Da hätte ich mir den Artikel sparen können, sie Spezi.

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