Rainer Bonhorst / 10.02.2012 / 15:49 / 0 / Seite ausdrucken

Die Klimaleugner

Der strenge Winter ist ein gefundenes Fressen für die Klimaleugner. Immer mehr frierende Menschen kehren den Vertretern der Erderwärmung den Rücken und laufen ins Lager der Klimaleugner über. Wenn die Erderwärmer nicht bald ein überzeugendes Gegenmittel herbeizaubern, zum Beispiel einen Sommereinbruch noch im Februar, werden sie über kurz oder lang als Generäle ohne Truppen da stehen.

Das Klima ist sei eh und je ein umstrittenes und schwer berechenbares Phänomen. Es gibt das Kleinklima, das Großklima, das Langfristklima und das Kurzfristklima, das im Volksmund auch Wetter heißt. Es gibt das Nordklima und das Südklima, das europäische Klima, das asiatische Klima, das amerikanische Klima und das afrikanische Klima. Es gibt das pazifische Klima , das atlantische Klima und das Mittelmeerklima. Es gibt das Seeklima und das Kontinentalklima. Es gibt das Wüstenklima und das Regenwaldklima. Und es gibt die Klimakatastrophe. Oder etwa nicht?

Spätestens hier scheiden sich die Geister. Wie und warum sie sich scheiden, soll hier mit Hilfe einiger Begriffsklärungen erläutert werden.

Die Vertreter der Erderwärmung sind zugleich Gegner und Anhänger der Klimakatastrophe. Einerseits wollen sie uns vor der Katastrophe warnen und die Erderwärmung bekämpfen. Anderseits ist ihnen die Erderwärmung so sehr ans Herz gewachsen, dass sie sich ein Leben ohne sie nicht mehr vorstellen können.

Ihre Gegner, die Klimaleugner, leugnen nicht das Klima an sich, wollen sich aber nicht auf die drohende Katastrophe einlassen. Einige Hardcore-Leugner stellen den Klimawandel generell in Frage. Die gemäßigten Leugner kümmern sich weniger darum, ob die Erde wärmer wird oder nicht. Sie sagen lediglich: “Na und?” Dieses “Na und” begründen sie erstens mit dem Hinweis, dass sich das Klima schon immer verändert hat. Und zweitens mit der Feststellung, dass der Mensch nicht der Hauptverursacher der möglicherweise drohenden Erwärmung sei. Und schließlich sind da noch die relativen Klimaleugner. Typisch für ihre Haltung ist der Hinweis, dass sich die Bewohner nördlicher Breitengrade, zum Beispiel Isländer und Grönländer, mit einer gewissen Erderwärmung durchaus anfreunden könnten. Diese Leugner relativieren die Bedrohung, indem sie individuelle geografische Aspekte ins Spiel bringen, nach dem Motto: Wat dem einen sin Uhl, ist dem anderen sin Nachtigall.

Die Klimaleugner sind also kein monolithischer Block, sondern eine gemischte Gruppe von Leuten, die ihr Leugnen auf unterschiedliche Weise und in unterschiedlicher Heftigkeit betreiben. Gemeinsam ist ihnen, dass sie sich unbeeindruckt von der heraufziehenden Katastrophe einfach in ihre Hängematte legen und der Dinge harren, die da kommen oder nicht kommen. Darum wäre es nicht falsch, die Klimaleugner auch Klima-Apathiker oder Klimabeschwichtiger zu nennen.

Für einen engagierten Vertreter der Erderwärmung ist dieses provokant leugnerische Liegen in der Hängematte ein unakzeptables Ärgernis. Sie empfinden es als einen Versuch, ihnen durch demonstrative Skepsis ihr Liebstes zu rauben, nämlich ihre Angst vor der Klimakatastrophe. Aus ihrer Sicht sind die Klimaleugner nichts anderes als brutale Klimaräuber.

Die schlimmste Sünde aber ist das Leugnen. Wer leugnet, glaubt nicht. Ein Klima-Agnostiker würde wenigstens die Möglichkeit einer Klimakatastrophe einräumen. Ein Klimaleugner ist im Grunde ein Klimaheide. Und zwar ein Heide bösen Willens. Befände er sich, abgeschnitten von der Welt in einem Urwalddorf am Äquator, so könnte man ihm sein Heidentum nicht vorwerfen. Er wüsste es nicht besser. Wer aber mitten in der Zivilisation, also mitten in der Klimakatastrophe, sein privilegiertes Leben lebt, und die Katastrophe trotzdem leugnet, dem geschieht es ganz recht, wenn sie dann kommt.

Noch schlimmer als die Leugner sind allerdings die aktiven Befürworter der Klimakatastrophe. Zu ihnen gehören jene Isländer, die sich rücksichtslos über die Erderwärmung freuen und jubeln:  “Endlich mal kein Schnee im Sommer.” Dabei vergessen die Glücklichen ganz, was die Erderwärmungskatastrophe für den Urwalddorfbewohner am Äquator bedeutet: “Was? Es wird noch wärmer? Ja, spinnen die denn?”

Und was wäre, wenn die Leugner recht behielten und die Katastrophe nicht einträte? Der Isländer würde schimpfen: “Ja wo bleibt sie denn? Sie ist uns doch fest versprochen worden.” Während der Bewohner des Urwalddorfes am Äquator aufatmen und sagen würde: “Uff. Da haben wir ja noch mal Glück gehabt. Wie stehen eigentlich die Chancen auf eine erfrischende kleine Eiszeit?”

Diese letzten Bemerkungen deuten an, dass die Klimarelativisten unter den Klimaleugnern wohl den Finger am Puls der Menschen haben. Offenbar ist jedem sein Klima am nächsten. Das gilt übrigens auch für die Erderwärmer. Sie wollen ja, dass ihr Klima so bleibt wie es ist, ohne zu fragen, wer mit seinem Klima zufrieden ist und wer nicht. Sie betrachten ihr Klima als Gewohnheitsrecht. Man könnte sie also Klimakonservative,  Klimaveränderungsverweigerer oder gar Klimaegoisten nennen.

Wie gesagt, ein komplexes und kaum berechenbares Thema. Wer weiß schon, was geschieht, wenn der Schnee von heute wieder der Schnee von gestern ist. Handelt es sich bei dem Aufwind, den zur Zeit die Leugner erleben, um eine langfristisge Klimatendenz oder nur um eine kurzfristige Kleinwetterlage, die bald wieder einem Revival der Erwärmer Platz macht? Die einzig mögliche Antwort auf diese Frage lautet: Abwarten und Schnee schaufeln. 

Sie lesen gern Achgut.com?
Zeigen Sie Ihre Wertschätzung!

via Paypal via Direktüberweisung
Leserpost

netiquette:

Leserbrief schreiben

Leserbriefe können nur am Erscheinungstag des Artikel eingereicht werden. Die Zahl der veröffentlichten Leserzuschriften ist auf 50 pro Artikel begrenzt. An Wochenenden kann es zu Verzögerungen beim Erscheinen von Leserbriefen kommen. Wir bitten um Ihr Verständnis.

Verwandte Themen
Rainer Bonhorst / 12.03.2024 / 17:00 / 9

Die Kate-Krise oder viel Lärm um nichts?

Ein Familienfoto der Royals ist schon kurz nach Erscheinen als ungelenke Bildmanipulation entlarvt worden. Medialer Wirbel dank Photoshop! Ist Englands königliche Familie eine Fälscherbande? Wenn ja, dann keine…/ mehr

Rainer Bonhorst / 25.09.2022 / 11:00 / 25

Woke-Fußball gegen Non-Woke-Fußball

Die brutalste Kritik an meinem letzten Text zur englischen Monarchie lautete: Das hätte so auch in der Süddeutschen Zeitung stehen können. Um eine solche Schmähung…/ mehr

Rainer Bonhorst / 05.08.2022 / 15:00 / 18

Lob des deutschen Flickenteppichs

Der Föderalismus ist eine der Stärken Deutschlands, obwohl viel auf unserem Flickenteppich herumtrampelt wird. Das halbwegs selbstständige Leben der unterschiedlichen Bundesstaaten ist ein Erfolgsmodell.  Gerade…/ mehr

Rainer Bonhorst / 12.11.2021 / 10:00 / 35

Groß und klein in Glasgow

Anders als die Europäer sind Washington und Peking nicht bereit, die Wirtschaft der vermeintlichen Weltrettung zu opfern. Sie machen ihr eigenes Ding. Glasgow ist keine…/ mehr

Rainer Bonhorst / 01.09.2021 / 12:00 / 34

Ein paar unangenehme Fragen zur Wahl

Sowohl Olaf Scholz als auch Armin Laschet stellt sich das Fragen-Paar: Wie viel Olaf Scholz steckt in der SPD und wie viel Armin Laschet steckt…/ mehr

Rainer Bonhorst / 13.07.2021 / 10:00 / 64

England oder Italien: Eine politische Entscheidung

Da ich gerne zwischen England und Italien pendle, fragte ich mich natürlich: Mit welchem Fußball-Finalisten soll ich es halten? Die Entscheidung fiel diesmal knapp, aber…/ mehr

Rainer Bonhorst / 12.07.2021 / 13:30 / 49

Wie wäre es mit Grünfahren?

Schwarzfahren gilt neuerdings als rassistischer Begriff. Wie soll man aber in Zukunft fahren, wenn man ohne Fahrschein ist? Nach reiflicher Überlegung scheiden sämtliche Farben aus…/ mehr

Rainer Bonhorst / 22.04.2021 / 15:30 / 10

Afghanistan: Zwanzig Jahre und kein bisschen weiter

Als George Bush, der Jüngere, vor zwanzig Jahren bekanntgab, dass er Soldaten nach Afghanistan schicken wird, holte ich mir ein altes Buch aus dem Regal:…/ mehr

Unsere Liste der Guten

Ob als Klimaleugner, Klugscheißer oder Betonköpfe tituliert, die Autoren der Achse des Guten lassen sich nicht darin beirren, mit unabhängigem Denken dem Mainstream der Angepassten etwas entgegenzusetzen. Wer macht mit? Hier
Autoren

Unerhört!

Warum senken so viele Menschen die Stimme, wenn sie ihre Meinung sagen? Wo darf in unserer bunten Republik noch bunt gedacht werden? Hier
Achgut.com