Wer heute Aufmerksamkeit sucht, irgendwie noch provozieren möchte ohne wirklich in Gefahr zu geraten, ohne als “Hasser” oder “Phobiker” gesteinigt zu werden, der leckt eben an Jesus. Hat ja auch wieder geklappt - und unser lieber Jesus hat schon größere Dummheiten überstanden. “Bevor ich mich über andere Religionen auslasse, kehre ich doch vor meiner Haustür.” Cool, dann fang doch einfach mal an.
Ist doch an sich völlig Wurst, was die Dame singt. Ein schmähendes, herabsetzendes und konstruktiv leeres Video kann natürlich jemandes Vorstellung von “vor der eigenen Haustür kehren” sein, sicher… Vorliegend erscheint mir aber sehr viel wahrscheinlicher, dass sich Frau K. seinerzeit mal wieder ins Gespräch bringen wollte. Am besten geht das nunmal mit einem Skandälchen. Wenn man da nicht zu viel riskieren und zB keine Axtmänner im Haus oder ein Lebkuchenmesser im Leib haben möchte, sucht man sich als “Opfer” eben jemanden, bei dem “nur” mit verbaler, weit weniger aber mit körperlicher Empörung zu rechnen ist. That´s showbiz, Baby…
Während der Reformation vor 497 Jahren war Kritik am Katholizismus cool… Als nächstes sollte Frau Kebekus (muss man die kennen?) mal gegen die Monarchie und die Feudalgesellschaft wettern, ist doch ein brandaktuelles Thema.
Der Herr Wendt möchte Verständnis wecken für Männer mit “Ausgrenzungs- und Marginalisierungserfahrungen durch die Mehrheitsgesellschaft”, die eine Komödiantin beschimpfen. Sympathiebekundungen für religiöse Eiferer befremden ein wenig auf der “Achse des Guten”, aber es scheint wohl einen Unterschied zu machen, wer sich da ereifert. Und wenn ich weiter lese, dass von der Komödiantin, als gäbe es keine künstlerische Freiheit, gefordert wird, “ein ähnliches Video auch über den Islam” zu drehen, komme ich zu der Überzeugung, dass Herrn Wendt “Ausgrenzungs- und Marginalisierungserfahrungen” gar nicht schlecht täten.
Wieder mal der Gratismut einer Drittklassigen, die sich durch Skandälchen in die Öffentlichkeit schieben will - und prompt von Spon beschützt wird. Da werden doch noch ein paar Talg-Schows folgen. Das Thema ist übrigens schon seit längerem ziemlich abgegriffen. Alle denkbaren Geschmacklosigkeiten wurden wenigstens schon dreimal gemalt, besungen, gezeigt oder ausprobiert. Die Steigerung von öde scheint das Ödem unter KabarettistInnen zu sein. “Bevor ich mich über eine andere Religion auslasse, kehre ich doch vor meiner eigenen Haustür. Ich bin katholisch.” Verlogener geht’s nicht.
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