Matthias Heitmann, Gastautor / 11.02.2017 / 06:00 / Foto: Tomaschoff / 1 / Seite ausdrucken

Der WochenWahnsinn: „Maddin sucht das Glück“

In ihrer Radio-Kolumne „Der WochenWahnsinn“ gehen Achse-Autor Matthias Heitmann und Antenne Frankfurt-Moderator Tim Lauth jede Woche auf Zeitgeisterjagd. Ab sofort jeden Samstag auf der Achse zum lesen und hören.

Diese Woche widmen sich die beiden der Überhöhung des SPD-Kanzlerkandidaten "Maddin" Schulz. Zur Audio-Datei geht es hier entlang.

Tim Lauth: Matthias, vor lauter Getrumpel haben wir noch gar nicht über Martin Schulz, den SPD-Kanzlerkandidaten der SPD gesprochen. Die Partei scheint ja von der Nominierung zu profitieren, die Umfragewerte steigen …

Matthias Heitmann: Andererseits wäre es aber auch fatal, wenn eine Partei ohne Kandidat so gut abschneiden würde wie mit. Ich finde, die Überhöhung von Martin Schulz zeigt, wie tief die Krise der SPD ist. Der Mann hat 23 Jahre lang im bürgerfernsten Parlament Europas gesessen, davon 5 Jahre als dessen Präsident. Wenn der jetzt zur fleischgewordenen Bürgernähe verklärt wird, dann weißt Du, dass da etwas schief läuft.

Lauth: Aber ist es in Zeiten, in denen nationalistische Parolen immer lauter werden, nicht doch ein positives Signal, einen überzeugten Europäer in die Wahl zu schicken?

Heitmann: Man könnte ebenso sagen: Ein zermürbter EUler flieht vom sinkenden Schiff in den Heimathafen. Schulz steht jedenfalls für genau das Europa, von dem sich viele Menschen aus guten Gründen abwenden. An diesem Wechsel sieht man eher, wie eng verwoben die nationale Politik mit dem Brüsseler Apparat ist. Die EU ist sozusagen der antidemokratische Schutzwall der europäischen Eliten – und offensichtlich verlieren Leute wie Schulz angesichts wutschäumender Wähler gerade das Vertrauen in die Statik dieses Gebildes.

Lauth: Du hast von einer Sogwirkung gesprochen, die Schulz aus Brüssel direkt nach Berlin gespült hat. Ist dieses Vakuum nur ein SPD-Problem, oder gibt es das auch bei anderen Parteien?

Heitmann: Alle Parteien haben damit zu kämpfen. Bei der CDU sitzt Angela Merkel wie ein Stöpsel auf dem Abfluss. Bei der CSU hoffen sie verzweifelt darauf, dass ihr fakender Freiherr zu Guttenberg endlich wiederkommt. Bei den Grünen verbietet sich Erneuerung von selbst. Im Personalrecycling sind sie nicht zu toppen. Die Linke braucht auch keine neuen Gesichter, da sie gar nicht versucht, ihre alten Konzepte aufzuhübschen. Die FDP hat zwar einen recht jungen Chef, aber irgendwie denkt man bei Christian Lindner, dass der schon ewig dabei ist. Jungsein allein reicht nicht. Und die AfD ist so alternativ und innovativ und so mutig und der Zukunft zugewandt, dass ich mir die ganzen Namen ihrer schillernden Köpfe einfach nicht merken kann.

Lauth: „Mutig und der Zukunft zugewandt“ – hast Du gerade von unserer Eintracht gesprochen?

Heitmann: Das wäre zumindest angemessener gewesen. Und nur um es klar zu stellen: Die AfD hat 25.000 Mitglieder. Eintracht Frankfurt hat 40.000. Da mag es auch Überschneidungen geben. Aber wenn Eintrachtler „Im Herzen von Europa“ singen, dann meinen sie damit weder Berlin noch Brüssel!

Ältere WochenWahnsinn-Ausgaben finden sich hier.

Matthias Heitmann ist freier Publizist und Autor des Buches „Zeitgeisterjagd. Auf Safari durch das Dickicht des modernen politischen Denkens“ (TvR Medienverlag, Jena 2015). In Kürze erscheint sein neues E-Book „Zeitgeisterjagd Spezial: Essays gegen enges Denken“. Seine Website findet sich unter www.zeitgeisterjagd.de.

Foto: Tomaschoff

Sie lesen gern Achgut.com?
Zeigen Sie Ihre Wertschätzung!

via Paypal via Direktüberweisung
Leserpost

netiquette:

Ingo Hertel / 11.02.2017

Die AFD hat aktuell (Dezember 2016 / Focus 28.12.2016) 26.000 Mitglieder. Innerhalb eines Jahres sind 4000 Mitglieder dazugekommenen !!! Davon kann nicht nur die Eintracht träumen.

Leserbrief schreiben

Leserbriefe können nur am Erscheinungstag des Artikel eingereicht werden. Die Zahl der veröffentlichten Leserzuschriften ist auf 50 pro Artikel begrenzt. An Wochenenden kann es zu Verzögerungen beim Erscheinen von Leserbriefen kommen. Wir bitten um Ihr Verständnis.

Verwandte Themen
Matthias Heitmann, Gastautor / 16.01.2024 / 12:00 / 24

Mit dem Traktor durch Frankfurt

Mittendrin statt nur dabei: Unser Reporter nahm auf einem Traktor Platz, der durch Frankfurt/Main rollte. Das Gespräch mit dem Bauern war angenehm unpolitisch, unaufgeregt, sachlich…/ mehr

Matthias Heitmann, Gastautor / 11.03.2023 / 14:00 / 28

Der Mut und die Nation

Der Ukrainekrieg zeigt nicht nur, wie falsch der Westen in seiner Bewertung von Wladimir Putin lag. Es wird auch deutlich, wie viel Bedeutung die Idee…/ mehr

Matthias Heitmann, Gastautor / 30.08.2022 / 14:00 / 20

Die Angst vor der Meinungsbildungsfreiheit

Der heutige Journalismus wirkt entpolitisiert und emotionalisiert. Er basiert auf der bedenklichen Vorstellung, dass Medienkonsumenten der moralischen Anleitung bedürfen. Die Corona-Krise nagt an den Nerven…/ mehr

Matthias Heitmann, Gastautor / 23.02.2022 / 16:00 / 39

Aufstand gegen die Angstapostel

Längst geht es um viel mehr als die Impfpflicht: Gegenwärtig entscheidet sich, wie wir als Gesellschaft künftig mit Ängsten umgehen wollen. Die alten politischen Schubladen…/ mehr

Matthias Heitmann, Gastautor / 04.09.2018 / 06:12 / 60

Organspende ja – Organabgabe nein!

Ich habe mich frei und freiwillig dazu entschieden, Organspender zu sein. Wenn die widerrufliche Organabgabe eingeführt führt, ist es gut möglich, dass ich widerspreche. Seit…/ mehr

Matthias Heitmann, Gastautor / 06.01.2018 / 10:30 / 16

Der Wochen-Wahnsinn: Ein Sportverein ist keine Partei

Peter Fischer, Präsident von Eintracht Frankfurt e.V., hat die AfD als „Nazis“ und „braune Brut“ bezeichnet und angekündigt, keine Nazis im Verein zu dulden. Nun…/ mehr

Matthias Heitmann, Gastautor / 30.12.2017 / 12:00 / 1

Der Wochen-Wahnsinn: 2017 – das Jahr zwischen den Jahren

Zum Jahreswechsel sprechen Zeitgeisterjäger Matthias Heitmann und Antenne-Frankfurt-Moderator Tim Lauth in ihrer Radiokolumne „Der WochenWahnsinn“ über den Sinn der Redewendung „zwischen den Jahren“. Eigentlich sei…/ mehr

Matthias Heitmann, Gastautor / 08.12.2017 / 18:34 / 2

Der WochenWahnsinn: Friedhofsruhe ist nicht friedlich!

„Ich bezweifle, dass Donald Trump Lösungen für die Konflikte in der Welt und auch im Nahen Osten liefert. Ich weiß aber, dass er nicht deren…/ mehr

Unsere Liste der Guten

Ob als Klimaleugner, Klugscheißer oder Betonköpfe tituliert, die Autoren der Achse des Guten lassen sich nicht darin beirren, mit unabhängigem Denken dem Mainstream der Angepassten etwas entgegenzusetzen. Wer macht mit? Hier
Autoren

Unerhört!

Warum senken so viele Menschen die Stimme, wenn sie ihre Meinung sagen? Wo darf in unserer bunten Republik noch bunt gedacht werden? Hier
Achgut.com