Matthias Heitmann, Gastautor / 18.11.2015 / 16:40 / 7 / Seite ausdrucken

Der Fall Matussek: Journalismus in einer durchgeknallten Welt

Nach den Anschlägen von Paris liegen die Nerven blank - offenbar auch in den Chefredaktionen deutscher Tageszeitungen. Anstatt gerade jetzt die Freiheit - und gerade auch die Meinungsfreiheit - offensiv zu verteidigen, geschieht das Gegenteil: Die “Welt” setzt ihren Kolumnisten Matthias Matussek nach einem Streit über einen harmlosen Facebook-Eintrag vor die Tür.

“Welt”-Kolumnist Matthias Matussek hatte unmittelbar nach den Anschlägen in Paris folgenden Eintrag auf Facebook veröffentlicht: „Ich schätze mal, der Terror von Paris wird auch unsere Debatten über offene Grenzen und eine Viertelmillion unregistrierter junger islamischer Männer im Lande in eine ganz neue frische Richtung bewegen.“ Am Ende dieses Eintrags stand ein Smiley. Matusseks Chefredakteur und Welt-Chef Jan-Eric Peters distanzierte sich daraufhin im Namen der Zeitung und verurteilte das Posting als „durchgeknallt“. Gestern eskalierte dieser Disput, und die „Welt“ trennte sich mit sofortiger Wirkung von Matussek.

Kann es sein, dass Menschen für dieselbe Meinungsfreiheit ihr Leben riskieren, die andere wegen eines Facebok-Eintrags samt Smiley (!) mit Füßen treten? Wir reden immer von „Stärke zeigen“ und von „Selbstbewusstsein“ – aber ein dem Wortlaut nach so harmloses Facebook-Posting mit Smiley führt schon zu einem solchen Eklat? Mann Mann Mann, was für eine durchgeknallte Welt!

Es ist schon ein vielsagender Schritt, wenn ein angesehener Journalist wie Peters als Chefredakteur einer angesehenen Tageszeitung, die in der Vergangenheit immer wieder mal kontroverse Artikel publizierte (wofür ich sie schätze), so einen Facebook-Eintrag wie den von Matussek meint, öffentlich als „durchgeknallt“ bezeichnen zu müssen.

Ob bei dem Rauswurf Matusseks für längere Zeit gepflegte Animositäten eine Rolle spielten, ist mir völlig egal. Wäre dies tatsächlich der Fall, so hätte man hier einen Akt der Meinungsfreiheit instrumentalisiert, um andere Süppchen zu kochen. Ich finde, gerade jetzt müssen wir aber, was Meinungsfreiheit angeht, ein dickeres Fell haben. Das gilt auch für Journalisten, und auch für Chefredakteure.

Matthias Heitmann ist freier Publizist und Autor des Buches “Zeitgeisterjagd. Auf Safari durch das Dickicht des modernen politischen Denkens” (TvR Medienverlag, Jena 2015, 197 S., EUR 19,90). Seine Website findet sich auf www.zeitgeisterjagd.de. Dieser Kommentar erschien zuerst in der BFT Bürgerzeitung (http://www.freiheit-toleranz.de)

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George Urbanski / 19.11.2015

Ja genau, Herr Heitmann, Herr Matussek ist das Opfer einer bundesweiten Verschwörung gegen die Meinungsfreiheit! Und nein, ganz bestimmt nicht hat die Welt sich von ihm getrennt, weil er seine Chefs beleidigt hat, sondern weil nun auch dort die Meinungsfreiheit in Gefahr ist. Ein paar Nummern kleiner geht es hier auf der Achse wohl nicht mehr. Austeilen kann Herr Matussek auf jeden Fall überdurchschnittlich, einstecken eher weniger (s. u.a. die gescheiterte Klage gegen die Ausstahlung einer TV-Sendung). Und wenn selbst die Welt, die beinahe alle abgehalfterten alten Medienmänner aus dem Umfeld von Aust für sich schreiben lässt, die Schnauze voll hat von Herrn Matussek, dann spricht das für sich. Beste Grüße George Urbanski

Nadja Dierks / 19.11.2015

Hier wird der Eindruck erweckt, Matussek wäre aufgrund des Postings entlassen worden. Liest man die Berichterstattung zu dem Thema stellt man aber fest: Laut Springer-Verlag hat er in einer Redaktionssitzung, in der auch sein - durchaus streitbares - Posting zur Sprache kam, seinen Chefredakteur und dessen Vize als “A…loch” bzw. “durchgeknalltes A…loch” bezeichnet. Erst daraufhin hat man sich von ihm getennt. Würde ich meinen Chef in einer Besprechung derart beleidigen, würde er mich auch vor die Tür setzen. Und das völlig zu Recht.

Thomas Schlosser / 18.11.2015

‘Durchgeknallt’ scheint ein mittlerweile gebräuchlicher Begriff zu sein, um unerwünschte Äußerungen zu diffamieren. Ich erinnere mich an einen (übrigens ungedienten..) SPD-Verteidigungsminister, der einen veritablen Brigadegeneral als ‘durchgeknallt’ bezeichnet hat, weil der einem rufgemordeten CDU-MdB sein Recht auf Meinungsfreiheit nicht absprechen wollte. Wie im vorliegenden Fall war auch hier der Weg das Ziel: Der MdB flog aus Partei und Fraktion, der General wurde in den einstweiligen Ruhestand versetzt und der Sozi wurde berühmt, weil er die Freiheit Deutschlands am Hindukusch verteidigen lassen wollte…

Alexander Wallasch / 18.11.2015

Da kann man jeden Satz unterschreiben! Aber was nutzt es, auch ihr Portal steht ja schon unter Beobachtung der “Arschlöcher”. Nur das man ihnen nicht ans Bein pinkeln kann. Verstehen Sie mich nicht falsch, ich mag diesen Portal nicht. Um es ausweichend zu erklären, mir ist das Design zu dröge ... Hier aber: Guter Kommentar!

Wilfried Paffendorf / 18.11.2015

Es gibt einen interessanten Spruch, der mir zum Fall Matthias Matussek einfällt: Wer sich zur Spreu legt, den fressen die Schweine!

Manfred Glöckner / 18.11.2015

Wie üblich ,wer es wagt gegen den illegalen Zuzug von “Flüchtlingen” auch nur ansatzweise   zu reagieren ist ein “Rechter” “Nazi” wirds wie ein Aussätziger behandelt. Wer bei den Nazies meckerte wurde eingelocht wer heute wagt politisch anders zu denken und darüber spricht wird ausgegrenzt diffamiert “wirtschaftlich ruiniert.

Burkhard Miersch / 18.11.2015

Mir ist Herr Matussek nicht bekannt, ich lese nicht viele Kolumnen… Aber ist es möglich, dass neuerdings Menschen, die unabhängig von ihren beruflichen Tätigkeiten privat Meinungen (und die hier zitierte scheint mir nicht justiziabel zu sein) im Internet oder anderswo äußern, fristlos gekündigt werden? Was ist eigentlich mit dem deutschen Arbeitsrecht, das angeblich so arbeitnehmerfreundlich sein soll, los? Herr Matussek, ich hoffe, sie klagen gegen Ihre Entlassung, bekommen Recht (was nicht viel wert ist) und eine fette Entschädigung von diesen Warmduschern (ich bin dann auch gerne bereit diese aus meinen Steuern zu finanzieren). Viel Erfolg wünsche ich Ihnen, Herr Matussek, in Ihrem weiteren Berufsleben und mögen Sie einen Chef finden, der noch Eier in der Hose hat und jemanden wie sie zu schätzen weiß. “Eine eigene Meinung ist Goldes wert!” Burkhard Miersch

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