Dirk Maxeiner / 26.12.2011 / 17:13 / 0 / Seite ausdrucken

Der Adel im Ökotest

Der Adel ist wieder schwer angesagt. Besonders wenn es um die Rettung der Umwelt geht, fühlen sich Freiherren, Barone, Prinzen und Könige gleichsam naturrechtlich zuständig. Das mag an den einstigen oder noch vorhandenen Ländereien liegen oder auch daran, dass man gewohnt ist, für Unmündige zu sprechen. Die neuen Mündel heißen „Natur“, „Klima“ oder „künftige Generationen“ und haben gegenüber den Schutzbefohlenen früherer Epochen den unschätzbaren Vorteil, nicht widersprechen zu können. Von Schweden bis nach Spanien rückt beinahe der gesamte europäische Hochadel an die Seite von Mutter Erde, betreibt Bio-Güter, posiert vor Gletschern oder stiftet Umweltpreise.

In Deutschland avancierte der Dirigent Enoch zu Guttenberg, Vater des bis auf weiteres aus dem Verkehr gezogenen Karl-Theodor zu Guttenberg, zum Öko-Adligen vom Dienst. Das Oberhaupt des 400 Millionen Euro schweren Guttenberg-Clans fordert, der gemeine Konsument möge in seinen Ansprüchen deshalb endlich etwas bescheidener werden. „Mit jedem Drücker auf den Lichtschalter, mit jedem Tritt aufs Gaspedal, mit jeder Überseereise im Flugzeug nehmen wir unseren Kindern und Enkelkindern Lebensqualität und möglicherweise sogar das Leben, wir fahren mit Vollgas in die Katastrophe“, verlautet es aus Schloss Guttenberg, rund 100 Zimmer mit Fernsicht.

Der größte Artenreichtum an Blaublütern findet sich allerdings in der Umweltorganisation World Wide Fund For Nature (WWF), in dem besonders das britische Königshaus eine tragende Rolle spielt. Königinnen-Gatte Prinz Philip Mountbatten, Duke of Edinburgh ist Ehrenpräsident der internationalen Organisation. Sein Sohn Charles Mountbatten-Windsor, Prince of Wales, steht seit kurzem an der Spitze der britischen Sektion. Prinz Charles hat es inzwischen zum führenden Adels-Maskottchen der globalen Umweltszene gebracht - ein grünes Gesamtkunstwerk mit blauem Blut. Er bündelt den ökologisch-esoterischen Zeitgeist geradezu perfekt in seiner Person.

So empfiehlt der Prinz dem britischen „National Health Service“ Homöopathie als kostendämpfende Maßnahme und wettert gegen Schulmedizin. Er meint man solle sich weniger auf „Zellen und Moleküle“ konzentrieren und empfiehlt Karottensaft gegen Krebs. Er fordert seine Zeitgenossen auf mehr mit Pflanzen zu sprechen und baut auf seinem Gut Highgrove das dazu passende Bio-Gemüse an (die Konversation könnte lediglich durch Lärm vom gutseigenen Hubschrauberlandeplatz gestört werden). Er beschimpft Hochhäuser als „Eiterbeulen“ und propagiert neo-ländliche Kleinstädte und Dörfer im Stile der Hobbits. So ein Ort ist Tetbury,  in dessen Ortsmitte sich der Bioladen des königlichen Hofgutes befindet, teuer und bevölkert von wohlhabenden, anthroposophisch angehauchten Pensionären. Im Kreise von Stuttgart 21-Gegnern würde der britische Thronfolger vermutlich nur dadurch auffallen, dass er nicht im Mercedes, sondern im Aston Martin anfährt.

Vater und Sohn sind sich im Ziel der Planetenrettung einig, aber über den Weg dorthin gibt es leicht unterschiedliche Auffassungen. Aber kommen wir erst mal zu Gemeinsamkeiten. So lässt sich jeweils ein gewisser Hang zur Misanthropie feststellen. Philip äußerte sich zum Thema der wachsenden Weltbevölkerung schon mal mit der steilen These: „Ich muss gestehen, um eine Reinkarnation als ein besonders tödlicher Virus zu bitten“. Der Sohnemann möchte das Problem hingegen noch im Diesseits lösen: Mit Biolandbau - sprich Nahrungsmittel-Verknappung. Nichts anderes bedeutet nämlich seine Forderung nach einer flächendeckenden Rückkehr zu einer kleinbäuerlichen Alternativ-Landwirtschaft. Drei von sieben Milliarden Menschen müssten wegen der geringeren Erträge verhungern, rechneten ihm empörte Welternährungs-Experten vor.

Soweit die Gemeinsamkeiten, jetzt zu den Unterschieden. Während es Charles zuvorderst um die Rettung der Welt geht, legt sein Vater ganz offenbar auch Wert auf die Rettung des britischen Humors. Charles sammelt Gelder zur Erhaltung der Regenwälder, schließlich seien diese „riesige Versorger unseres Planeten“. Sein Vater sieht das im Prinzip genauso und doch ein wenig anders: „Ich war nie Großwildjäger. Nie. Nur dieses eine mal in Indien. Ich habe nur einen Tiger in meinem Leben geschossen.“ Ansonsten macht sich der Vater auch Sorgen um die Artenvielfalt, kollidiert aber dabei wiederum mit dem multikulturelle Engagement seines Sohnes und dessen Respekt vor fremden Kulturen: „Wenn es vier Beine hat und kein Stuhl ist, oder wenn es zwei Flügel hat und fliegt, aber kein Flugzeug ist, oder wenn es unter Wasser schwimmt und kein U-Boot ist, dann werden es die Chinesen essen.“

Prinz Charles will die letzten indigenen Stämme auf der Welt in ihrem Urzustand bewahren und vor der westlichen Zivilisation schützen. „Sonst eliminieren wir eine der letzten überlebenden Quellen der Weisheit“. Sein Vater wollte darüber offenbar mehr wissen und fragte einen australischen Ureinwohner: „Bewerft ihr euch eigentlich immer noch mit Speeren?“ Bei einem aus Papua Neuguinea rückgekehrten Studenten erkundigte er sich: „Sie haben es also geschafft, dass man sie dort nicht aufgefressen hat?“ Wenn man jetzt die Schotten mal zu den gefährdeten Eingeborenen hinzu zählen will, dann lies er es auch dort an einer gewissen Sensibilität mangeln. Einen schottischen Fahrlehrer fragte er: „Wie schaffen Sie es eigentlich, die Eingeborenen so lange vom Saufen abzuhalten, bis sie durch die Fahrprüfung kommen?“

Auch in Sachen künftiger Energieversorgung ziehen Vater und Sohn nicht unbedingt an einem Strang. Während Charles die britischen Atomkraftwerke abschalten will, möchte Papa keine Windräder mehr sehen: „Völlig nutzlos, vollständig von Fördermitteln abhängig und eine absolute Schande.“ Als man ihm darauf den Vorschlag machte, so ein Gerät doch mal auf seinen Gütern auszuprobieren, war dann aber auch bei Philip Schluss mit lustig: „Bleiben Sie von meinem Grundbesitz weg, junger Mann!“ Sein Sohn sieht derweil eine „Krise des Denkens“ und sucht spirituelle Antworten auf die letzten Fragen. Zu diesem Zweck verfasst er erbauliche Sinnstiftungsprosa („Harmonie - eine neue Sicht unserer Welt“). Sein Vater liest derweil lieber Pferdebücher. Und auf die Frage, wie er über sich denke, antwortete er schlicht: „Tue ich nicht, Ich bin einfach da.“ Nun erhebt sich die Preisfrage: Von welchem Ökoprinzen möchten Sie lieber regiert werden?

Eine Kurzfassung dieses Essays erschien in der Basler Zeitung vom 2312.2011

 

 

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