Rainer Bonhorst / 15.06.2020 / 06:15 / Foto: Thomas Edwards / 71 / Seite ausdrucken

Das von Rasse gesäuberte Grundgesetz

Kurz bevor das Wort „Rasse“ aus dem Grundgesetz und bald darauf wohl auch aus der deutschen Sprache gestrichen wird, erlaube ich mir noch schnell ein paar Bemerkungen zu dem künftigen Unwort. Vorab gleich das Fazit: Das Problem ist nicht das Wort, sondern die Haltung, die hinter dem Wort steht. Binsenweisheit? Na klar. Aber heutzutage muss man gelegentlich auf Binsenweisheiten zurückgreifen, um die neue Wortpolizei an eine andere, in Vergessenheit geratene Binsenweisheit zu erinnern: Das Gegenteil von gut ist gut gemeint.

Mich juckt es nicht weiter, wenn das Wort Rasse aus der Verfassung gestrichen wird. Es ist eine hübsche Geste ähnlich dem Knien gegen den Rassismus und einem „Black-lives-matter“-T-Shirt. Nur ist so eine Streichung eben permanent. Weg ist weg. Der Kniende steht irgendwann wieder auf. Ein T-Shirt kann man wechseln. Zum Beispiel gegen eines mit der Aufschrift „Wer, wenn nicht ich“. Aber was einmal raus aus dem Grundgesetz gestrichen ist, kommt nicht wieder. Deshalb muss man höllisch aufpassen, dass ein wichtiger Schutz nicht wegfällt. Dass die entstehende Lücke also ordentlich gefüllt wird. Der Vorschlag, die Rasse durch ethnische Herkunft zu ersetzen, ist ok. Aber was ändert er an der Realität? Nix. Wahrscheinlich müssen wir in ein paar Jahren mangels verbesserter Wirklichkeit die ethnische Herkunft wieder durch einen anderen Begriff ersetzen.

Außerdem: Es gibt nun mal Rassen, auch wenn die Wissenschaft sagt, der Begriff sei unwissenschaftlich. Ist er sicher auch. Aber Rasse ist eine Realität, nämlich eine politische und gesellschaftliche Realität. Durch ein delete im Computer oder mit einem Radiergummi auf Papier ist sie nicht abzuschaffen. Was bringt es, diese Realität zu leugnen? Was bringt es, die Augen zu verschließen und wie die Kinder zu glauben, dass dann Unsichtbarkeit hergestellt wird? Ich bin mehr dafür, die Augen weit aufzumachen, sich der Realität zu stellen und, wenn möglich, statt Wörter auszuradieren, die Wirklichkeit zu verbessern.

Da Amerika immer noch der größte melting pot ist, lohnt sich ein Blick auf den Rasse-Begriff in Amerika. Dort existiert das Wort race munter weiter, auch wenn wir es bei uns streichen. Und zwar ganz offiziell behördlicherseits. Wer sich in die Hände einer amerikanischen Behörde begibt, wird auf Formularen eingeladen, sich nach Rasse-Zugehörigkeit zu identifizieren. Afroamerikanisch, also schwarz, kaukasisch, also weiß, hispanisch, also indianisch mit mehr oder weniger starker europäischer Beimischung, asiatisch, nordamerikanisch-indigen und ein, zwei mehr. Freiwillig? Naja. Wer mit etwas dunklerem Teint die Rubrik „weiß“ ankreuzt, wird zumindest schief angeguckt.

Nur ein Tropfen afrikanisches Blut

Es tut auch kaum einer, denn in Amerika folgt man oft noch der uralten „One-drop-only“-Tradition. Danach gehört, wer nur „einen Tropfen“ afrikanisches Blut in seinen Adern hat, nicht mehr zu den Weißen. Diese ursprünglich vom weißen Amerika eingeführte Katalogisierung ist weitgehend vom schwarzen Amerika übernommen worden, aus einer Mischung aus Trotz und Stolz. Motto: „Ich bin ganz bewusst schwarz, selbst wenn man es mir kaum ansieht.“

Tatsächlich verschwimmen die Hautfarben in Amerika seit alters her. In der schlechten alten Zeit haben sich weiße Sklavenhalter freizügig „ihrer“ dunkelhäutigen Damen bedient. Black war eben schon beautiful, als es diesen Satz noch gar nicht gab. Später gab es mehr und mehr Ehen und sonstige Liebesbeziehungen zwischen hellhäutigen und dunkelhäutigen Personen. Kurz und gut: Es gibt jede Menge Schattierungen, die Amerikas „Ein-Tropfen“-Ideologie ins Reich des Absurden verweisen.

Das amerikanische Beispiel zeigt, dass der Begriff „Rasse“ einerseits tatsächlich ein grober Unfug ist, andererseits aber im real existierenden Alltag ausgesprochen virulent ist. Und bei uns? Bei uns gibt es nicht die amerikanische Systematik, aber das Prinzip herrscht in unausgesprochener Form auch hierzulande. Rasse als klar abgrenzbaren Begriff gibt es nicht, aber sie ist in vielerlei Hinsicht zu spüren. Ob bei der Wohnungs- und Job-Suche, ob als Opfer blöder Sprüche im Alltag oder ob als Zielscheibe rechtsradikaler Rassisten.

Und das ist nun mal das Entscheidende: Wenn es bei uns demnächst keine „Rasse“ mehr gibt, so gibt es trotzdem noch den Rassismus. Der Ismus lebt munter weiter, auch wenn man ihm verbal die Beine oder sonst was abhackt. Denn der Ismus ist in der Realität zu Hause. Er krabbelt einfach weiter wie eine Eidechse, der man den Schwanz abreißt.

Ach, es ist ja alles so gut gemeint von wirklich ganz lieben Menschen. Ein fast schon süßer Versuch, ein Übel wie den Rassismus mit einem verbalen Zaubertrick verschwinden zu lassen. Er passt perfekt in unsere Zeit des schönen Scheins. Aber ich würde mir von der Schwärzung nicht allzu viel versprechen. Der alte Dreck existiert unter der Tünche weiter. Als trauriges Gegenstück zu dem schönen Strand, den man in optimistischeren Zeiten unter dem Pflaster erahnte.        

Sie lesen gern Achgut.com?
Zeigen Sie Ihre Wertschätzung!

via Paypal via Direktüberweisung
Leserpost

netiquette:

Dieter Kief / 15.06.2020

Rasse kann man nicht abschließend definieren - insofern gehört er zu einer speziellen Sorte von Begriffen. Aber diese Sorte von Begriffen, die sich nicht abschließen definieren lässt, kennt die Wissenschaft durchaus. Z. B. die “Art” in der Biologie. Oder das Weltall. Oder der Hügel in der Geographie. Was sich aber mit großer Klarheit bestimmen lässt, biologisch, ist, wie sch die menschlichen - nun ja: Rassen, unterscheiden. Es gibt eine Vielzahl dieser Merkmale. Eines davon ist besonders problematisch, wie es scheint: Der wirtschaftliche Erfolg in Industriegesellschaften - und der IQ, auf den der Dr. Heinsohn hier so gern hinweist. - Muss man den Dr. Heinsohn oder den Thilo Sarrazin gelesen haben? Naja, das sollte man schon. Man kann sonst leicht was Falsches sagen, Rainer Bonhorst.

Peter Maier / 15.06.2020

Sobald der Begriff Rasse aus dem Grundgesetz gestrichen wurde, kann man daran gehen den Begriff Volk abzuschaffen und aus dem Grundgesetz zu streichen, da Volk als rassistische Vokabel, welche die white supremacy zementiert, anzusehen ist.

Frank Stricker / 15.06.2020

Man denke an Michael Jackson, der verzweifelt versucht hat mittels operativer Aufheller weiß zu werden. Das könnte man ja auch so interpretieren, dass er der schwarzen Opferrolle entfliehen wollte und mehr Selbstbewußtsein an den Tag legen wollte.

Christoph Horrix / 15.06.2020

Das ist magisches Denken auf dem Niveau von “Ach wie gut, dass niemand weiss, dass ich Rumpelstilzchen heiss”.

Ulla Schneider / 15.06.2020

@GERHARD GIESEMANN: Sehr geeherter Herr Giesemann, wäre es möglich, eine kleine Abhandlung über das Hormon D mir mitzuteilen? Es würde mich sehr interessieren. Es gibt mehrere Giesemanns. Ich hätte mich sonst telefon.  mit Ihnen in Verbindung gesetzt. Herzlichen Dank!

Rolf Lindner / 15.06.2020

Reden und schreiben wir doch der Einfachheit halber von Hauttypen unterschiedlicher geografischer Herkunft. Also, jeder darf nicht aufgrund seines Hauttyps benachteiligt oder bevorzugt werden.

Wolfgang Kaufmann / 15.06.2020

Man sollte das Thema dialektisch angehen. Es ist eine alte Taktik, dem Gegner seine eigenen Fehler anzuhängen. Wer das Wort „Rasse“ stigmatisiert, zeigt damit in der Sache seine Fixierung auf das Thema. – Eines der ersten Gesetze in der #CHAZ in Seattle war die Bestimmung, dass jeder Weiße 10 Dollar an die Schwarzen spenden muss. Und heute will man uns einreden, bestimmte Gruppen seien von der Geschichte so benachteiligt worden, dass sie sich ihre wohlverdiente Entschädigung für historisches Unrecht direktemang hier und heute bei uns abholen können. Pikanterweise stehen die Nachfahren der Täter in dieser Schlange ganz weit vorn. Ich sag nur Sansibar.

Uta Buhr / 15.06.2020

Bezieht sich die Abschaffung des Wortes Rasse nur auf Menschen oder müssen wir auch bei unseren geliebten Vierbeinern in Zukunft “kultursensibel” sein? Wie erkläre ich denn jemandem, welcher - na wat denn nu - mein Hund oder mein Reitpferd angehört? Dieser Unlogik folgend ist es ritterlichen Männern künftig auch verboten, eine schöne Frau als “rassig” zu bezeichnen. Ganz klar, dass diese irre Forderung von den behämmerten Grünen ausgeht.  Sollte sie sich durchsetzen, was mich in diesem dem kulturellen Untergang geweihten Land nicht wundern würde, wird unsere bereits arg gebeutelte Sprache noch weiter verarmen. Denn bei der Rasse werden Habeck und Konsorten es sicherlich nicht bewenden lassen, da Robert vieles Angedachte bereits als “denkunmöglich” abkanzelt. Ich habe bei diesem leicht verfetteten Beau, dem Schwarm mancher Redakteurin einer völlig überflüssigen Frauenzeitschrift,  den Eindruck gewonnen, dass die Löcher in seinen Socken bereits sein Gehirn erreicht haben. Der Mann sollte doch bei seinen Leisten bleiben und weiter seine lächerlichen PC-Kinderbücher schreiben, bevor er auf die Idee kommt, ein seinem grünen Ungeist angepasstes Neusprech-Wörterbuch zu verfassen. Diesem würdigen Nachfolger der Jakobiner und grünem Khmer traue ich wirklich alles zu. Wie lange wollen die Schlafmützen in dieser Republik sich diese diktatorischen Einmischungen in ihr Leben noch gefallen lassen. Eine Hoffnung bleibt indes. Es kann ja sein, dass das “Volk” - ist dieses Wort noch erlaubt - mal aufwacht, wenn die Coronanebel sich verzogen haben und der Scherbenhaufen rot-grün-schwarzer Politik für alle sichtbar wird. Dann ist wohl Schluss mit lustig, und die Leute besinnen sich auf die wahren Probleme, die sich nicht in der Abschaffung von Wörtern und Begriffen erschöpfen.

Weitere anzeigen Leserbrief schreiben:

Leserbrief schreiben

Leserbriefe können nur am Erscheinungstag des Artikel eingereicht werden. Die Zahl der veröffentlichten Leserzuschriften ist auf 50 pro Artikel begrenzt. An Wochenenden kann es zu Verzögerungen beim Erscheinen von Leserbriefen kommen. Wir bitten um Ihr Verständnis.

Verwandte Themen
Rainer Bonhorst / 25.04.2024 / 14:00 / 6

Scholz und Sunak – ein spätes Traumpaar

Sie passen gerade gut zueinander: Ihre Länder stecken im Krisen-Modus und sie sind letztlich nur noch Regierungschefs auf Abruf. Er kam spät nach Berlin, aber…/ mehr

Rainer Bonhorst / 17.04.2024 / 10:00 / 31

​​​​​​​Die Bayer(n)-Revolution

Rekordmeister Bayern muss den Meistertitel an Bayer abgeben. Ein Menetekel für die Politik? Wie wird es weitergehen? San mir net mehr mir? Ist rheinisch das…/ mehr

Rainer Bonhorst / 08.03.2024 / 12:00 / 19

Bye bye Nikki, hello Oldies

In den USA duellieren sich Biden und Trump um den Einzug ins Weiße Haus. In diesem Alter würde man in Deutschland weniger auf Karriere als…/ mehr

Rainer Bonhorst / 22.02.2024 / 14:00 / 26

Kamala gegen Nikki – ein Traum

Statt der beiden betagten Kontrahenten Joe Biden und Donald Trump wünsche ich mir eine ganz andere Konstellation im Kampf um das Amt des US-Präsidenten. Man…/ mehr

Rainer Bonhorst / 13.02.2024 / 12:00 / 39

Gendern im Fußball? Fans zeigen rote Karte!

Wie woke soll der Fußball sein? Oder genauer: Wie viele Geschlechter soll der Fußball kennen? Es wird Zeit, mal wieder auf den Fußballplatz zu gehen.…/ mehr

Rainer Bonhorst / 12.02.2024 / 12:00 / 35

Giorgia Meloni als Mamma Europa?

Georgia Meloni beginnt in Europa eine wichtige Rolle zu spielen. Die Politik hält sich mal wieder nicht an die ideologischen Vorgaben deutscher Medien.    Ja, darf…/ mehr

Rainer Bonhorst / 04.02.2024 / 14:00 / 33

Gedanken beim Demo-Gucken

Im Grunde haben wir ja Glück, dass in Deutschland die Verhältnisse so klar sind. Wir haben keine dunkelhäutigen Politiker in Berlin, die die Frechheit besitzen…/ mehr

Rainer Bonhorst / 30.01.2024 / 06:15 / 88

Danke! Die ungehaltene Rede auf meiner Traum-Demo

Ich habe einen Traum. Den hab ich öfter mal, aber jetzt hat er sich aus aktuellem Anlass wieder gemeldet. Weil ich in den letzten großen…/ mehr

Unsere Liste der Guten

Ob als Klimaleugner, Klugscheißer oder Betonköpfe tituliert, die Autoren der Achse des Guten lassen sich nicht darin beirren, mit unabhängigem Denken dem Mainstream der Angepassten etwas entgegenzusetzen. Wer macht mit? Hier
Autoren

Unerhört!

Warum senken so viele Menschen die Stimme, wenn sie ihre Meinung sagen? Wo darf in unserer bunten Republik noch bunt gedacht werden? Hier
Achgut.com