Silvia Meixner / 14.12.2010 / 00:08 / 0 / Seite ausdrucken

Das Tofu-Tagebuch - 2

An der Bushaltestelle steht eine Frau, die zweieinhalb mal so dick ist wie ich. Als Neu-Veganer hat man merkwürdige Gedanken. Bestimmt hat sie heute schon viel gegessen, das ihr geschmeckt hat, denke ich mir. Ja, ich beneide sie. Denn ich habe nur einen Obstsalat gegessen, obwohl ich gar keine Diät machen will. Ich esse gern Obst, aber nicht dreimal am Tag in Riesenschüsseln. Ich habe Bushaltestellenhunger. Der Bus verspätet sich. Ich bekomme schlechte Laune. Richtig schlechte Laune (normalerweise nehme ich es ergeben hin). Wenn ich schon hungern muss, kann dann wenigstens der Bus einmal pünktlich sein? Ist das denn zu viel verlangt vom Leben?

Ich habe ein Problem. Esse ich Sojaprodukte- von Tofu bis Pudding- wird mir umgehend schlecht. Tofu, geschickt mit Gemüse und vielen Gewürzen vermengt, kann man sogar als Normalo essen. Man kann es aber auch lassen, denn Tofu schmeckt immer grauslich. Spätestens 27 Minuten nach dem sogenannten Genuss dieses Lebensmittels bekomme ich Magenschmerzen und noch zwei Tage später liegen mir die Tofubrocken im Magen. Sämtliche hilflose Versuche der Industrie, Sojawurstersatzprodukte zu entwickeln, sind aus meiner Sicht gescheitert. Sie schmecken allesamt scheußlich. Als ich vegetarisch lebte, habe ich tapfer alle durchprobiert. Fazit: Schade ums Geld. Tofu schmeckt am Ende immer wie Tofu. Egal, was man auf die Verpackung schreibt, zum Beispiel „Wie Wurst“. Warum brauchen Menschen, die angeblich Wurst verabscheuen, den Hinweis „schmeckt wie Wurst“ oder schmeckt wie Steak“? Weil „schmeckt wie Tofu“ nicht gerade verlockend klingt?

Mein Speiseplan schrumpft auf sehr übersichtliche Posten. Einkaufen als VeganerIn ist eine entspannte Angelegenheit: Man braucht keinen Einkaufszettel, die drei Sachen, die man wirklich braucht, kann man sich mühelos merken. Darüber hinaus kaufe ich einfach, was mir nicht schmeckt, noch nie geschmeckt hat und niemals schmecken wird. Und viel Obst und Gemüse (esse ich zum Glück gern). Frage an Radio Eriwan: Warum gibt’s eigentlich kein Buch über die Freuden der veganen Hausfrau? Antwort: Weil es keine glücklichen veganen Hausfrauen gibt. Ich brauche noch nicht mal eine Tüte, alles, was ich essen kann, passt in meine mittelgroße Handtasche. Von dem Geld, das ich spare, kaufe ich mir hinterher einen Lippenstift! Für drei Minuten vergesse ich Leid und Hunger. So sind die Frauen.

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