Gastautor / 23.12.2011 / 15:18 / 0 / Seite ausdrucken

Das Klima in Europa ist rauer geworden

Von Günter Ederer

Wenn, ja wenn das Wörtchen „wenn“ nicht wär, dann wäre 2011 ein Jahr der erfolgreichen Mammutkonferenzen gewesen. Die europäischen Staatschefs hatten vor lauter Gipfeltreffen kaum noch Zeit zum Regieren. Zusätzlich gab es noch die Treffen von G 8 und G 20 und nicht zuletzt den Massenauflauf in Durban (Südafrika), wo 15 000 selbsternannte Delegierte wieder einmal das Klima der Welt retten wollten.
In der Tat, das Klima, vor allem in Europa, hat sich verschlechtert. Der Ton zwischen den Staaten ist rauer geworden. Erst fordert unsere Kanzlerin Angela Merkel die Südländer auf, doch bitte schön so fleißig zu arbeiten wie wir Deutschen und erklärt sie kurzerhand alle zu Faulenzern. Dafür druckten die Griechen Plakate von Merkel mit Hakenkreuz in SS-Uniform.
Der sonst so behäbig wirkende CDU-Fraktionschef Volker Kauder will seine Partei auf Linie bringen, indem er, von allen guten Geistern verlassen, verkündet: „In Europa wird wieder deutsch gesprochen,“ worauf die Briten bockig gleich die ganze europäische Integration in Frage stellen.
Nein, das Klima in Europa ist versaut. Und alles nur wegen des Euro, also um des lieben Geldes willen. Dabei wurde der Euro doch geschaffen, damit Europa näher zusammenrückt. „Wenn der Euro scheitert, scheitert Europa“, wieder so eine „Wenn-Feststellung“, die von der Merkel-Fraktion als Totschlagargument in den Raum gestellt wird. Dabei ist für alle das Gegenteil sichtbar: Wenn der Euro in der jetzigen Form beibehalten wird, endet Europa in einer inflationären Schuldenfalle, die zu immer schlimmeren Schuldzuweisungen innerhalb Europas führt.
Auf dem letzten Gipfel wurde dann unter der Führung der deutschen Kanzlerin und des französischen Staatspräsidenten ein Stabilitätsversprechen von 26 Staaten verabschiedet. Das könnte Europa und dem Euro in einigen Jahren helfen,
– wenn wirklich alle 26 Staaten eine Schuldenbremse in ihrer Verfassung verabschieden,
– wenn es gelingt, bis dahin die 9 Billionen Euro Schulden der Euro-Staaten zu finanzieren,
– wenn Herr Sarkozy im Frühjahr wiedergewählt wird, denn sein Konkurrent, der Sozialist Hollande, hat ja schon erklärt, dass er alle Verträge neu verhandeln wird,
– wenn die Arbeitnehmer Europas bereit sind, die Lasten der Schulden weiterhin alleine zu tragen und die Gewinnler der Schuldenorgie nicht zur Kasse gebeten werden,
– wenn aus Süditalienern plötzlich Norditaliener werden, aus Griechen Schweden, das zerstrittene Belgien sich endlich auflöst und Weihnachten auf Ostern fällt.
Liebe Frau Merkel, da kommt noch ’ne Menge Arbeit auf Sie zu. Denn in den offiziellen Statistiken steigt der Schuldenstand weiter: zum Beispiel der der Griechen bis 2013 von 162,8 auf 198,5 Prozent und der der Portugiesen von 101,6 auf 112,1 Prozent des jeweiligen Bruttoinlandsprodukts.
Während die Konferenzen also wunderbare Ergebnisse vorweisen, die von lauter träumerischen „Wenns“ abhängen, sieht die Realität ganz anders aus. Zum Jahresschluss hat die Europäische Zentralbank 489 Milliarden Euro den Banken im Euro-Raum für drei Jahre zu einem Prozent Zinsen verliehen. Dafür können sie jetzt Staatsanleihen der Schuldenländer für 6 oder 7 Prozent Zinsen kaufen. Ein Bombengeschäft, das die Banken und damit den Wirtschaftskreislauf retten soll.
Für uns heißt das: Die Inflation wird angekurbelt, leider ohne Wenn und Aber. Und Inflation heißt: Schleichende Enteignung, die vor allem die kleinen und mittleren Einkommen tragen müssen.
Wie schon oft in dieser Kolumne gefordert, führt meines Erachtens nichts an einem einmaligen Lastenausgleich vorbei, der vor allem die Sieger der Schuldenmacherei betrifft. Das ist auch marktkonform. Wenn die „bürgerlichen“ Parteien außer Sparen und illusionistischen „Wenn“-Lösungen nichts zu bieten haben, werden die Sozialisten mit Steuererhöhungsorgien den Rest der europäischen Idee zerstören.
So endet das Jahr leider nicht, wie es begonnen hat. Das Klima hat sich deutlich verschlechtert.
Trotzdem: Frohe Weihnachten.

Der Text erschien zuerst am 23. Dezember 2011 in der Fuldaer Zeitung.

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