Wolfgang Meins / 26.03.2020 / 06:00 / Foto: Pixabay / 71 / Seite ausdrucken

Corona und das saisonale Auftreten von Infektionen der Luftwege

Bereits Hippokrates erwähnte es, allen Medizinern ist es geläufig und auch so gut wie allen Nicht-Medizinern: Sogenannte Erkältungskrankheiten, also virale Infektionen der oberen Luftwege und in deren Gefolge nicht selten auch virale oder bakterielle Infektionen eine Etage tiefer – in Bronchien und Lunge – kommen bei uns in der kalten Jahreszeit deutlich häufiger vor als in der warmen. Und das gilt nicht nur für banale Erkältungen, sondern auch für die echte Grippe. Laut Robert-Koch-Institut wird als Grippesaison der Zeitraum bezeichnet, in dem die Influenzaviren hauptsächlich zirkulieren. Auf der nördlichen Halbkugel sei das zwischen Anfang Oktober und Mitte Mai der Fall, mit dem häufigsten Vorkommen typischerweise ab Januar für drei bis vier Monate. 

Damit stellt sich die Frage, wieso in der aktuellen Diskussion um das Corona-Virus beziehungsweise um die beste Strategie zur Verzögerung seiner Ausbreitung die saisonale Abhängigkeit bisher keine erkennbare Rolle spielt. Damit soll nicht gesagt sein, dass wir nur bis Mitte Mai durchhalten müssen und sich dann das Problem, zumindest bis zum späten Herbst, von alleine erledigt hat. Aber zweifelsohne ist das gerade beginnende Frühjahr und die damit einhergehende fortschreitende Erwärmung ein sehr starker Verbündeter im Kampf gegen das Virus. Möglicherweise sogar stärker als einzelne der verschiedenen nicht-pharmakologischen Interventionen, die der ärztliche Kollege Gunter Frank kürzlich auf achgut.com kenntnisreich unter Berücksichtigung von ausgewählten Expertenmeinungen näher analysiert hat. 

In der medizinischen Fachdiskussion ist es unstrittig, dass in den gemäßigten Breiten die Infektionshäufigkeit mit Erkältungs- und Grippeviren eng mit der Außentemperatur korreliert ist: Beispielsweise führte eine Abnahme der Lufttemperatur im Winter in Großbritannien pro Grad Celsius zu einer Zunahme von etwa 8.000 Toten, mindestens ein Drittel davon in Folge von Infektionen der Atemwege. Was den Kundigen nicht besonders verwundert, da kälteassoziierte Todesfälle gut 18-mal häufiger vorkommen als wärmeassoziierte. Fakten, die in der aufgeregten Diskussion um den Klimawandel aber nur ein Schattendasein führen, wenn sie denn überhaupt zur Kenntnis genommen werden. 

Wie verhält es sich mit der Infektionshäufigkeit in nicht-gemäßigten Klimazonen? Je näher die interessierende Region am Äquator liegt, desto geringer fallen bekanntlich die Temperaturunterschiede über das Jahr aus. Die Infektionshäufigkeit hängt dann zunehmend weniger von der Temperatur, sondern mehr von der Feuchtigkeit, etwa der Anzahl der Regentage pro Monat ab. 

Erstaunlicherweise hat die Medizin bis heute nicht das Rätsel gelöst, worauf genau die saisonalen Schwankungen bei Viruserkrankungen der Luftwege zurückzuführen sind. Zwei Erklärungsansätze werden diskutiert, die sich eher gegenseitig ergänzen als ausschließen: Zum einen, dass in der kalten Jahreszeit die Menschen sich häufiger mit anderen drinnen, in zudem oft schlecht gelüfteten Räumen aufhalten. Zum anderen, dass durch niedrige Umgebungstemperaturen die Immunabwehr, zum Beispiel die lokale der Nasenschleimhäute, gemindert wird. 

Fehlendes Interesse der Medizin

Nach Sichtung der entsprechenden Literatur kann ich mich des Eindrucks nicht erwehren, dass die Medizin seit einer umfassenden Übersicht zum Thema im Jahr 2007 dieses Problem aktiv meidet. Jedenfalls finden sich auf Google Scholar keine einschlägigen Arbeiten mehr, die sich mit den offenen Fragen zur Saisonalität von viralen Infektionskrankheiten der Luftwege und den zugrunde liegenden Mechanismen beschäftigen. Umso stärker wird dafür die Kehrseite des Problems thematisiert: potenziell ungünstige Auswirkungen von, klimawandelbedingt, wärmeren Umgebungstemperaturen. Dabei geht es zum Beispiel um in bestimmten Gewässern vorkommende und bei zunehmender Wärme besonders gut gedeihende Erreger oder übertragende Insekten, welche, so die weitgehend substanzlosen Schreckensszenarien, unsere Trinkwasserversorgung gefährden oder gar Tropenkrankheiten bei uns heimisch machen könnten. 

Solche Forschung wird großzügig gefördert, ist zudem der Karriere dienlich und bedient darüber hinaus das Interesse der Medien. Dass aber vor allem niedrige Temperaturen schädigende oder gar tödliche Wirkungen auf den Menschen haben, während eine Erwärmung oder damit verbundene kürzere und mildere Winter ganz überwiegend positive gesundheitliche Auswirkungen zeitigen, ist mittlerweile schon fast jenseits des Sagbaren. Und damit leider auch die Frage, ob die Aufklärung der medizinischen Ursache für die temperaturabhängige pathologische Wirkung von bestimmten Viren nicht vielleicht auch die Entwicklung von vorbeugenden Therapien bahnen könnte. 

Es lassen sich also tatsächlich bestimmte, indirekte Zusammenhänge zwischen Klimawandel und Corona-Krise finden, wenngleich die gänzlich anders gelagert sind, als es das ZDF-Klimaorakel Harald Lesch zu insinuieren versucht.                                                 

Sie lesen gern Achgut.com?
Zeigen Sie Ihre Wertschätzung!

via Paypal via Direktüberweisung
Leserpost

netiquette:

Roland Müller / 26.03.2020

Die Gleichsetzung des Coronavirus mit der Grippe ist doch offensichtlich blanker Unsinn. Das Coronavirus breitet sich auch in warmen Gefilden aus, die nie etwas mit der Grippe zu schaffen haben. Deshalb ist es auch völliger Schwachsinn, auf den Frühling und auf den Sommer zu hoffen.

Erik Rabung / 26.03.2020

Genau genommen sind es ja eher überheizte Zimmer oder Kfz-Heizungen auf max., die die Luft so austrocknen, dass die Schleimhäute leiden. Denselben Effekt haben im Sommer ja auch Klimaanlagen in Pkw und Bürogebäuden.

Jürgen Kunze / 26.03.2020

Darum meine Hypothese: Die Erkältungswelle mit Corona in diesem Jahr wird genauso schnell abebben, wenns wärmer wird, wie diejenigen in den letzten Jahrtausenden. Auf gar keinen Fall sollten wir auf eine Gauß‘sche Verteilungskurve der Infektionsdynamik hoffen.

Dr. Joachim Lucas / 26.03.2020

Es ist schon erstaunlich, was der ursprünglich als Astrophysiker gestartete Harald Lesch inzwischen für eine Strahlkraft auf die Massen hat. Man könnte sagen, dass er das für das Staatsfernsehen heute ist, was Dr. Sommer für die Teeniezeitschrift Bravo war. Nur gibt Lesch zu allem seinen Senf dazu, ist also der Erkläronkel fürs Volk.

Gerd Hecken / 26.03.2020

Ich möchte auf diesem Weg auf ein Video von Dr. Mang, Medizindidaktik bei YouTube hinweisen. Der Titel lautet: Coronavirus - was Sie wissen sollten. Bisher das beste Video, was ich zu dem Thema gesehen habe, sehr empfehlenswert, Er beschreibt darin auch die Wirkung des Kehldeckels, welcher im Winter nicht so gut schließt. Das ist der Wärme-Kälteschock, dem wir beim rausgehen aus der warmen Stube ausgesetzt sind.

Frances Johnson / 26.03.2020

@ Johannes Schuster: “Gottesdienste mitverantwortlich”. Klar. Wenn man den Boden küsst. Oder was anderes, siehe Ghom. Wer kürzlich als gläubiger Katholik in Santiago war, könnte es auch haben; ich hoffe, sie haben die Krypta rechtzeitig zugemacht.

Jürgen Gramberg / 26.03.2020

“in der medizinischen Fachdiskussion ist es unstrittig, dass in den gemäßigten Breiten die Infektionshäufigkeit mit Erkältungs- und Grippeviren eng mit der Außentemperatur korreliert ist: ”  Wie hier schon andere Kommentatoren schrieben gibt es einen Zusammenhang: Fehlendes Vitamin D3. Fehlt da vielleicht nur die Sonne? Ich habe mit D3, Magnesium und dem K2-MK7 sehr gute Erfolge erzielen können. Dafür danke ich Herrn Dr. von Helden ausdrücklich. Er hat mit sehr viel Engagement sich dieses weitläufig unbekanntem Themas angenommen. Wen es interessiert: www.vitaminDelta.de

Wolf-Dieter Busch / 26.03.2020

„Erstaunlicherweise hat die Medizin bis heute nicht das Rätsel gelöst, worauf genau die saisonalen Schwankungen bei Viruserkrankungen der Luftwege zurückzuführen sind.“ – Ich glaube doch: in der kalten Jahreszeit bildet sich eher der „Nebel“ beim Ausatmen – winzige Tröpfchen, im Nebenberuf Virus-Shuttle. In warmen Zeiten (also Sommers) kommt das seltener vor.

Weitere anzeigen Leserbrief schreiben:

Leserbrief schreiben

Leserbriefe können nur am Erscheinungstag des Artikel eingereicht werden. Die Zahl der veröffentlichten Leserzuschriften ist auf 50 pro Artikel begrenzt. An Wochenenden kann es zu Verzögerungen beim Erscheinen von Leserbriefen kommen. Wir bitten um Ihr Verständnis.

Verwandte Themen

Es wurden keine verwandten Themen gefunden.

Unsere Liste der Guten

Ob als Klimaleugner, Klugscheißer oder Betonköpfe tituliert, die Autoren der Achse des Guten lassen sich nicht darin beirren, mit unabhängigem Denken dem Mainstream der Angepassten etwas entgegenzusetzen. Wer macht mit? Hier
Autoren

Unerhört!

Warum senken so viele Menschen die Stimme, wenn sie ihre Meinung sagen? Wo darf in unserer bunten Republik noch bunt gedacht werden? Hier
Achgut.com