Wenige Tage vor dem G8 Gipfel scheinen sich die politischen Ereignisse - und die machtpolitischen Waagschalen - fast zu überschlagen. Meinungsführende Leute wie Bernd Pfaffenbach und Sigmar Gabriel, die noch bis gestern die immer brüchiger werdenen Dämme zu halten versuchten, scheinen über Nacht fast wie weggespült. Wer erinnert sich noch an die Drohung von Angela Merkels Berater, den Gipfel scheitern zu lassen, sollte die UN durch Bushs neuen Klimaplan geschwächt werden. Das war gerade mal gestern abend.
Seit heute morgen sieht die politische Landschaft so verändert aus, als seien wir über Nacht auf einem anderen Planeten gelandet. Der Grund ist eindeutig. George W Bush hat im Klimapoker die grüne Trumpfkarte gespielt - und scheint damit endgültig die Partie für sich entschieden zu haben.
So jedenfalls interpretiere ich die fast schon euphorische Unterstützung, die der amerikanische Präsident durch den Chef des UN-Klimasekretariats heute erhalten hat:
Der Chef des UN-Klimasekretariats, Yvo de Boer, hat die Klimaschutz-Initiative von US-Präsident George W. Bush als unerwartet positiv begrüßt.
«Ich glaube, dass die US-Regierung neue Energie in die Debatte hineinbringt, und es ist gut, dass die USA führen möchten», sagte de Boer am Freitag. Der Plan scheine ehrgeiziger zu sein als das, was die Vereinten Nationen vorschlagen.
«Wir stellen uns konkrete Ergebnisse innerhalb der nächsten zwei Jahre vor - mit dem Beginn von Verhandlungen für die Zeit nach 2012 in Bali im Dezember dieses Jahres und dem Abschluss der Verhandlungen im Jahr 2009», erklärte de Boer. Der Bush-Plan sehe konkrete Ergebnisse innerhalb von nur eineinhalb Jahren vor. «Das ist ehrgeiziger, als ich mir in meinen kühnsten Träumen vorgestellt habe.»
Vertreter des Weißen Hauses hätten ihm gesagt, dass der US-Plan Teil der Bemühungen unter den Vereinten Nationen sein werde und «dass keine parallelen Verhandlungen begonnen werden sollen», sagte de Boer. Begrüßenswert sei auch, dass weitergehende Ziele der Klimarahmenkonvention unterstützt würden, wie die Begrenzung von Waldrodungen (verantwortlich für bis zu 25 Prozent aller Treibhausgase), Anpassungsmaßnahmen an den Klimawandel und Technologietransfer. http://www.co2-handel.de/article187_5686.html
Mehr noch als das. Wie es scheint, ist es Bush zum ersten mal gelungen, die bisher einheitlich erscheinende Haltung der EU zur internationalen Klimapolitik aus den Angeln zu heben. Während die grüne Garde um EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso und EU-Umweltkommissar Stavros Dimas auf Konfrontationskurz zu der US Administration geht, hat der EU Energiekommissar Andris Piebalgs heute Bushs Klimaplan als einen extrem wichtigen “Durchbruch” begrüßt:
The European Union on Friday welcomed U.S. President George W. Bush’s climate change proposal, saying it was “groundbreaking” and could pave the way for a global agreement on reducing emissions. EU Energy Commissioner Andris Piebalgs said Bush’s speech was “extremely important and very welcome news,” particularly for the Group of Eight countries meeting next week. “I very much now would like the G-8 to use this momentum ... to conclude an agreement,” Piebalgs said in Helsinki. http://www.iht.com/articles/ap/2007/06/01/europe/EU-GEN-EU-G-8-Climate-Change.php
Die Reaktionen auf den überraschenden Zug des amerikanischen Päsidenten sind kaum noch zu überblicken. Aber eines ist meines Erachtens jetzt schon sicher: Bushs grüne Trumpfkarte war der alles entscheidende Spielzug, mit dem er den Klimapoker endgültig für die USA entschieden hat.
Dessen ungeachte gibt es noch einen wichtigen Trostpreis: Trotz des offensichtlichen Erfolgs von Präsident Bush, eröffnet sich nämlich für Angela Merkel eine ganz neue Chance, aus der vermeintlichen Niederlage etwas Positives herauszuschlagen - und sozusagen am Gewinn beteiligt zu werden. Was Merkel jetzt bedarf ist eine ruhige Hand und gut gespielte Karten, die eine politische Übereinkunft mit dem jetzt klar dominierenden Pokerspieler ermöglicht. Die unzweideutige Unterstützung, die Bushs Klimapläne heute durch den Chef des UN-Klimasekretariats erhalten hat, wird der Bundeskanzlerin eine weise Entscheidung sehr viel leichter machen.