Man liest oft, wie schrecklich es sein muss, beim Drogeriediscounter „Schlecker“ zu arbeiten. Schlimmer kann eigentlich nur sein, dort einzukaufen. Mein Ratschlag: Betreten Sie diese Läden nur mit einem klimpernden Sortiment an Münzen und kleinen Scheinen, denn es geht schließlich darum, der Kassierin zu Diensten zu sein. Weil es früh am Morgen war, hatte ich das irgendwie vergessen und wollte mit einem 50-Euro-Schein bezahlen. Sofort ging das Gezeter los, ob es denn nicht kleiner ginge, ich wäre heute schon die Dritte, kurzum: Blabla. Die Schlecker-Mitarbeiterin maulte vor sich hin und als ich meinte, dass es doch vielleicht nicht die Aufgabe der Kunden sei, für Wechselgeld zu sorgen, wurde sie noch unfreundlicher. Sie kramte nach Scheinen und fuhr fort, mich maßzuregeln. Da empfahl ich ihr, doch besser in einem Archiv zu arbeiten, denn dort gibt es erfreulicherweise keine Kunden, keine Menschen, nur Bücher, Akten, stumme Dinge.
Das absolute Totschlagargument nach „Sie sind der Erste, der sich beschwert“ ist im maroden Verkäufer-Kunden-Verhältnis die Feststellung: „Sie haben aber schlechte Laune!“ Ich hatte morgens gute Laune, dann fünf Minuten wegen der Verkäuferin nicht und anschließend, draußen an der frischen Luft, war ich wieder bestens gelaunt. Ich möchte auch nicht bei Schlecker arbeiten, aber wenn ich es täte, würde ich die Kunden nett behandeln. Falls Sie dort nicht einkaufen wollen: Es handelt sich um die Schlecker-Filiale am Mexikoplatz in Berlin.
Während ich dies schreibe, läuft im Radio eine Geschichte über Berliner Busfahrer und deren zum Teil unglaublich boshaftes und ruppiges Verhalten. Die müssen ein ähnliches Berufsverständnis wie Schlecker-Verkäuferinnen haben. Ich habe mehrmals erlebt, wie Busfahrer hämisch grinsend im letzten Moment die Tür geschlossen haben und abgefahren sind, während die zahlenden Gäste fassungslos davor standen. Einmal fuhr ein Fahrer glatt an der Station vorbei, ohne anzuhalten. Als die Fahrgäste protestierten, machte er eine Vollbremsung und rief: „Steigen Sie eben hier aus!“ Ein gehbehinderter Mann flog einmal quer durch den Bus, dem Fahrer war’s egal (als ich mich bei der BVG beschwerte, kam ein Formschreiben, dass sie den Vorfall bedauern, mit dem Fahrer sprechen wollen und es toll wäre, dass ich ein zufriedener BVG-Fahrgast sei).
Es muss unglaublichen Spaß machen, seine Macht auf diese Weise auszuüben. Man kann nur dankbar sein, dass diese Menschen nur Bus fahren und sich nicht an internationaler Politik beteiligen- die Welt wäre voller Diktatoren. Die Bus-Nummer ist besonders am Flughafen Tegel sehr beliebt. Schöner und herzlicher kann man in Berlin als Tourist nicht empfangen werden. Aber zumindest weiß man dann, was einen später, in der Stadt erwarten wird. Ist ja auch was wert.
Silvia Meixner ist Journalistin und Herausgeberin von http://www.good-stories.de