Gastautor / 01.11.2011 / 16:01 / 0 / Seite ausdrucken

Aus grünen Fesseln befreien!

Die Ideologie von der Klimaerwärmung durch CO2 kommt uns volkswirtschaftlich teuer zu stehen. Liberale haben freiheitliche Grundsätze preisgegeben, als sie sich diesem Dogma gebeugt haben.

Von Holger Krahmer

Der Klimawandel in Form globaler Erwärmung sei Realität und der Mensch schuld daran. Der Ausweg führe über “Nachhaltigkeit” hin zu „grünen Wachstum“ mit erneuerbarer Energie, mit der die kohlenstoffarme Volkswirtschaft der Zukunft zu versorgen sei. So die gängigen Thesen, die von Politikern bis hin zu Pädagogen in voller Überzeugung wiederholt werden.

Die Feinsteuerung des Weltklimas auf maximal zwei Grad Erwärmung im Vergleich zum vorindustriellen Zeitalter ist unwidersprochenes Ziel politischen Handelns. Diesem Ziel wird eine komplette politische Agenda untergeordnet. Von der Gestaltung der Energieversorgung bis zur Frage, welche Produkte noch produziert werden dürfen. Mitunter wird dafür sogar weitgehend unwidersprochen hinterfragt, ob die schwerfälligen Entscheidungsprozesse demokratischer Gesellschaften noch der richtige Rahmen zur Erreichung dieser Ziele sind. Dem International Panel on Climate Change (IPCC), das angeblich die weltweite Forschung zum Klimawandel vertritt, ist es gelungen ein Dogma zu errichten. Das Dogma abgeschlossener wissenschaftlicher Erkenntnis über die es „keine Zweifel“ mehr geben soll und die belegen, dass menschliche Aktivitäten die alleinige Ursache globaler Klimaerwärmung sind.

Doch schon die tatsächliche Temperaturentwicklung der letzten Dekade widerlegt die gängigen Klimamodelle des IPCC. Vielfältige wissenschaftliche Untersuchungen aus der Physik, der Geologie und der Astronomie belegen, dass das System Klima viel zu komplex ist, als dass man zu beobachtende Veränderungen auf nur eine einzige kausale Ursache zurückführen könnte. Spätestens seit Al Gores Film, „Eine unbequeme Wahrheit“, in dem die Korrelation zwischen Temperaturänderungen und der Kohlenstoffdioxidkonzentration in der Atmosphäre für Grundschüler spielerisch visualisiert wurde, ist eine Diskussion über die Frage entbrannt, was diese Korrelation eigentlich aussagt, die selbst Al Gore im Film „als stark vereinfachte Widergabe“ relativieren muss.

Was war zuerst da? Die Temperaturänderung oder die Kohlenstoffdioxidkonzentration? Bei genauerem Hinsehen wird deutlich, dass die Veränderung der Kohlenstoffdioxidkonzentration der Temperaturänderung in einem Abstand von 500 bis 800 Jahren folgte und nicht etwa umgekehrt. In der jüngeren Vergangenheit haben sich zahllose Wissenschaftler vom IPCC öffentlich distanziert. Meinungen und Thesen, die der CO2-These widersprachen, wurden innerhalb des IPCC nicht zugelassen oder diskreditiert. Das IPCC ist unglaubwürdig geworden. Das Wort der „politisch okkupierten Wissenschaft“ ist bereits gefallen. Immer öfter wird gefragt: „War das objektive Wissenschaft?“.

Die Skandale um die politische Einflussnahme auf das IPCC müssen für Politiker Anlass sein, die Schlussfolgerungen dieses Gremiums nicht länger als alleinige Diskussionsgrundlage zu verwenden. Die akademische Diskussion soll nicht weiter Gegenstand dieses Beitrags sein. Der kleine Ausflug soll nur eines verdeutlichen: Die Diskussion in der Wissenschaft ist breiter und offener als je zuvor. Die wissenschaftliche Forschung über die Ursachen klimatischer Veränderungen ist nicht abgeschlossen, sie stehen erst am Anfang. Was Klimawandel antreibt, ist überwiegend unerforscht. Fest scheint zu stehen, dass ein einziges Spurengas in der Atmosphäre nicht zum alleinigen „Schuldigen“ erklärt werden kann.

Mit diesen Sätzen begibt man sich in den politischen Debatten unserer Zeit allerdings auf das Parkett der politischen Unkorrektheit. Selbst die FDP, die mit dem Slogan „Selbstdenker gesucht“ Mitgliederwerbung betreibt und sich als liberale Partei in der Tradition des Zeitalters der Aufklärung sieht, sind offene Diskussionen zu diesem Thema nicht willkommen. Das Dogma wurde programmatisch adaptiert. Das Zwei-Grad-Ziel steht auch in den Programmen liberaler Parteien, nicht nur in dem der FDP. Die mit diesem Ziel verbundenen Eingriffe in bürgerliche Freiheiten werden weitgehend hingenommen. Ordnungspolitische Einwände werden allenfalls punktuell erhoben, etwa beim Glühbirnenverbot, das symbolisch für eine Öko-Design Agenda steht, dem nicht weniger als die politische Steuerung privater Lebensstile zugrunde liegt.

Die FDP begeht bei diesem Thema Verrat an ihrer aufklärerischen Tradition. Sie macht sich mitschuldig an der Verbreitung einer freiheitsfeindlichen Ideologie und den daraus folgenden politischen Entscheidungen. Vor der Behauptung, der Klimawandel sei die größte Herausforderung der Menschheit, sind Liberale frühzeitig eingeknickt. Obwohl es für diese Behauptung zu keinem Zeitpunkt eindeutige Erkenntnisse gab, wurde ihr nicht widersprochen. Der Klimaschutz hat einen beispiellosen Siegeszug als freiheitsfeindliche Ideologie erlebt, ähnlich dem des Kommunismus im zwanzigsten Jahrhundert. Das Liberale sich der Verbreitung dieser Ideologie nicht widersetzt haben, könnte sich als einer der größten Fehler des organisierten Liberalismus erweisen. Dabei wäre Zivilcourage im Sinne der Verteidigung der offenen Gesellschaft das Gebot der Stunde. Eine liberale Kraft, die sich dem grünen Konsens und den ihn tragenden politischen und wirtschaftlichen Interessen widersetzt, wird dringend gebraucht.

Klimaschutz ist inzwischen das Geschäftsmodell für einen ganzen Wirtschaftszweig. Dagegen wäre nichts einzuwenden, wenn diese Industrie ihre Produkte wie jede andere Branche auch im Wettbewerb um die beste Technologie und den günstigsten Preis anbietet. Die politische Vorgabe wird jedoch über die Suche nach Lösungen im freien Wettbewerb gestellt. Die staatlich geförderte Stromerzeugung durch Windräder und Photovoltaik ist eines der größten Vermögensvernichtungsprogramme, die es jemals gegeben hat. Die staatliche Einspeisevergütung für die Betreiber der Anlagen ist nichts anderes als ein Zwangspreis, zu dessen Zahlung jeder Stromverbraucher per Gesetz gezwungen wird. Freiwillig würde es kaum jemand tun, denn die Preise dieses Stroms sind nicht wettbewerbsfähig. Den so zur Abnahme gezwungenen Stromkunden wird Kaufkraft entzogen, die sie für andere Produkte oder Dienstleistungen ausgeben würden, die im Wettbewerb stehen. Deshalb ist die Behauptung, durch die Förderung erneuerbarer Energien entstünden Arbeitsplätze, eine der größten politischen Lügen der Bundesrepublik. Auch die soziale Dimension sei erwähnt. Denn es profitieren von dieser staatlichen Preisfestlegung nur Vermögende, die über Grundbesitz und Dachflächen verfügen, auf denen sie Solarzellen und Windräder betreiben können. Insofern ist das „Erneuerbare Energien Gesetz“ eine gesetzlich festgelegte Einkommensumverteilung zu Lasten ärmerer Bürger. Die Akzeptanz dieses Gesetzes speist sich ausschließlich aus der erklärten Notwendigkeit des Klimaschutzes. Wird hier eine pure Gewinnerzielungsabsicht durch ein vermeintlich höheres Gut verschleiert?

Für Energieumwandlung muss das gleiche gelten wie für alle andere Produkte auch: Nur was sich rechnet setzt sich durch. Wir müssen zu Energiepreisen kommen, die nicht überwiegend politisch bestimmt sind, sondern durch Angebot und Nachfrage. Während die Nutzung der Kernkraft eine politisch gewollte Verbilligung des Strompreises darstellte, passiert nun unter dem Deckmantel des Klimaschutzes eine politisch beabsichtigte Verteuerung des Stroms.

Liberale wissen am besten, dass man die Welt nicht planen kann. Dennoch vertritt die FDP die allseits diskutierten Kohlenstoffminderungsziele. Von „Entwicklungspfaden“ in die kohlenstoffarme Zukunft ist die Rede. Statt „Pfad“ könnte man auch „Plan“ sagen. Das wäre ehrlicher. Eines haben langfristige politische Pläne immer gemeinsam: Sie sind an der Realität gescheitert. Wer die Welt des Jahres 2050 heute in Transformationsplänen beschreibt, macht nichts anderes, als sich zukünftiges Wissen anzumaßen. Niemand kennt die Technologien des Jahres 2050. Technische Erfindungen und Innovationen waren immer ein Ergebnis des Zufalls bzw. kluger Köpfe aus der Mitte der Gesellschaft. Die Erfindungen von Carl Benz bis Steve Jobs waren nie Ergebnis großer politischer Pläne und haben trotzdem die Welt verändert. Die Politik ist nicht der Ort, wo entschieden werden sollte, welche Produkte und Technologien wir verwenden. Für Liberale ist der Weg das Ziel. Der besteht aus Erkunden und Entdecken, aus Versuch und Irrtum, aus Erfolg und Misserfolg. Sich den Plänen zur Dekarbonisierung der Gesellschaft in den Weg zu stellen sollte eine Herzensangelegenheit für Liberale sein.

Sämtliche CO2-Minderungsziele sind letztlich willkürlich. Wir wissen nicht genau, an welcher Klimastellschraube gedreht werden muss, um ein exakt definiertes, globales Temperaturziel zu erreichen. Deshalb sollten Liberale sowohl das Zwei-Grad-Ziel, als auch die damit begründeten CO2-Minderungsziele aufgeben. Sie sind Ursprung und Begründung von politischen Entscheidungen, die Freiheits- und Wahlrechte der Bürger beschneiden. Und sie sind fragwürdige Begründungen für Umverteilungen innerhalb der Gesellschaft. Sowohl bei der Nutzung sogenannter „erneuerbarer Energien“, aber auch bei der Erhebung von Steuern im Namen des Klimaschutzes oder des Emissionshandels. Letzteres ist nichts anderes als ein weiterer politisch kreierter Markt, an dem die erhofften Preissignale für die Emissionsminderungen nicht erzielt werden. Der CO2-Emissionshandel generiert letztlich nur fragwürdige Vermögenstransfers zwischen den per Zwang am Handel Beteiligten. Von der Unmöglichkeit ihn international durchzusetzen, ganz zu schweigen.

Die Politik sollte man darauf konzentrieren, sich an klimatische Veränderungen anzupassen, solange sich Maßnahmen zur Vermeidung unerwünschter Klimaänderungen aufgrund der unerforschten Komplexität des Klimas einer nachvollziehbaren Erfolgskontrolle entziehen. Die Erforschung von Energieumwandlungstechniken zu verstärken ist ebenfalls sinnvoll. Das ist der beste Weg, der Verschwendung volkswirtschaftlicher Ressourcen vorzubeugen.

Es ist Zeit, den „grünen Konsens“, eine scheinbar verordnete Gleichförmigkeit des Denkens, zu durchbrechen. Er ist eine freiheitsfeindliche Ideologie, die die Welt nicht besser, sondern ärmer macht. Dahinter verbirgt sich eine gewaltige Aufgabe, aber auch ein gewaltiges Potential für die liberale Bewegung, die gerade dafür dringend gebraucht wird.

Der Autor ist Mitglied des Europäischen Parlaments

Sie lesen gern Achgut.com?
Zeigen Sie Ihre Wertschätzung!

via Paypal via Direktüberweisung
Leserpost

netiquette:

Leserbrief schreiben

Leserbriefe können nur am Erscheinungstag des Artikel eingereicht werden. Die Zahl der veröffentlichten Leserzuschriften ist auf 50 pro Artikel begrenzt. An Wochenenden kann es zu Verzögerungen beim Erscheinen von Leserbriefen kommen. Wir bitten um Ihr Verständnis.

Verwandte Themen
Gastautor / 12.03.2024 / 06:15 / 106

Europa 30 Grad kälter? Ein wissenschaftlicher Amoklauf

Von Andreas Zimmermann. Kürzlich machten Panikmeldungen die ganz große Runde, die Temperaturen in Europa könnten um 30 Grad absinken. Bereits schlichtes Nachrechnen entlarvt das ganze Szenario…/ mehr

Gastautor / 28.02.2024 / 12:00 / 22

In 10 Jahren keine europäischen Auto-Massenhersteller mehr

Von Matthias Weik. Der Standort Deutschland ist durch zu hohe Energiepreise, Steuern und Abgaben viel zu teuer und international nicht wettbewerbsfähig. Das Elektroauto ist nicht die Antwort, sondern…/ mehr

Gastautor / 25.12.2023 / 06:00 / 57

Musk have?

Von Rocco Burggraf. In Elon Musk hat sich der Kapitalismus, ganz im Sinne von Ayn Rand, mal wieder neu erfunden. Und zwar, indem er kantiges…/ mehr

Gastautor / 31.10.2023 / 06:15 / 62

Die Bitcoin-Reformation des Finanzwesens

Von Okko tom Brok.  An einem schicksalsträchtigen 31. Oktober, während die Welt am Rande des Chaos irrlichterte und die Mächtigen ihrer Zeit in banger Sorge…/ mehr

Gastautor / 19.10.2023 / 06:15 / 99

Die Jahrhundert-Panne des Weltklimarates

Von Roger A. Pielke Jr. Dem sogenannten Weltklimarat IPCC ist in seinem fünften Bewertungsbericht von 2013 ein fast unglaublicher Fehler unterlaufen. Der Schaden für Politik, Wirtschaft…/ mehr

Gastautor / 02.10.2023 / 06:15 / 74

Wohnungsbau-Politik auf sozialistische Art – und was man tun könnte

Von Peter Pedersen. Um die implodierende Bauwirtschaft vor ihrem totalen Niedergang zu retten, ergreift die Bundesregierung die für sie einzig logische Konsequenz, auf die wirtschaftsschädlichen…/ mehr

Gastautor / 29.09.2023 / 06:00 / 100

Das CO2 und die Katze

Von Dr. Eike Roth. Natürlich gibt es einen Klimawandel. Und er kann – muss aber durchaus nicht – schlimme Auswirkungen haben. Doch wie groß ist…/ mehr

Gastautor / 16.09.2023 / 15:00 / 16

Ein Obstkorb gegen den Fachkräftemangel?

Von Johannes Witt. Womit locken Headhunter und Personalabteilungen: Homeoffice? Flexible Arbeitszeiten? Tischkicker? Firmenwagen? Ein vernünftiges Gehalt? Steuerfreie Arbeitnehmergeschenke? Nein! Alles unwichtig. Der kostenlose Obstkorb ist…/ mehr

Unsere Liste der Guten

Ob als Klimaleugner, Klugscheißer oder Betonköpfe tituliert, die Autoren der Achse des Guten lassen sich nicht darin beirren, mit unabhängigem Denken dem Mainstream der Angepassten etwas entgegenzusetzen. Wer macht mit? Hier
Autoren

Unerhört!

Warum senken so viele Menschen die Stimme, wenn sie ihre Meinung sagen? Wo darf in unserer bunten Republik noch bunt gedacht werden? Hier
Achgut.com