Wolfgang Röhl / 30.06.2009 / 10:08 / 0 / Seite ausdrucken

“Augstein gab immer wieder Geld”. Der Bankomat der 68er

Die Erinnerung des einstigen Apo-Aktivisten Peter Schneider, das linksliberale Verleger-Trio Nannen, Bucerius und Augstein hätten die 68er-Bewegung und ihre „Enteignet Springer“-Kampagne massiv alimentiert - also quasi Geld für die Beseitigung ihres Hauptkonkurrenten locker gemacht -, sorgte in der deutschen Medienszene vor kurzem für lautes Flügelschlagen. Während der stern konterte, Schneider habe sich eingestandenermaßen im Fall Nannen geirrt – nicht „Sir Henri“, sondern sein Kumpel „Buc“ habe die Linksradikalen bezahlt -, eierten sie beim Spiegel wortreich rum. In einem Augstein-Entlastungsangriff auf den Springer-Chef Döpfner hieß es, der Spiegel-Gründer habe wohl 20000 Mark „für die Renovierung des Republikanischen Clubs“ gezahlt. Jedoch: „Dass Augstein - wie es Manfred Bissinger erinnert - einen Scheck über 50 000 Mark für die Anti-Springer-Kampagne ausgestellt hat, dafür hat sich bislang beim SPIEGEL noch kein Beleg gefunden.“...

Hier scheint eine wahre Perle des deutschen Recherchierjournalismus auf. Weil sich im ganzen, gewaltigen, allmächtigen, alles wissenden Spiegel-Archiv keine Quittung mit der Zeile „50 Riesen für die Zerschlagung des Springer-Konzerns gelöhnt, gez. Rudi Augstein“ findet, ist der Rudolf aus dem Peter Schneider. Chapeau.

Wer, wie ich gerade, das Pech hat, aus aktuellem Anlass noch einmal Dutschkes Biografie von 1996 aus der durchaus unbegnadeten Feder seiner Witwe Gretchen lesen zu müssen, stößt auf weitere Stellen zum Thema systematische Knetezahlungen für die Systemveränderer. Da zitiert Gretchen, die Yoko Ono der 68er, auf Seite 169 Augstein: „Ich war der erste Dutschke-Geschädigte, als ich 1967 im Audimax der Hamburger Universität einen redlich-unschädlichen Vortrag hielt (...) Als ich elf Wochen später mit eben diesem (Dutschke, Red.) am Podium saß, schrie der, ein neuer Savonarola: ´Wir werden es einem Augstein nicht gestatten, sich mit fünf lumpigen Tausendern von unserer Bewegung loszukaufen.´ Anschließend nahm er mich beiseite und fragte: ´Mahler kann ohne Geld nicht mehr verteidigen. Gibst du mir zehntausend Mark?´“

Und Gretchen fährt fort: „Augstein gab Geld, auch später immer wieder, aber er war beleidigt.“

Auf S. 175 beschreibt sie, wie sich die Vorbereitungen zu einem geplanten so genannten Springer-Tribunal pekuniär gestalteten: „Rudi gehörte dem Organisationskomitee des Springer-Tribunals nicht an, aber er hatte die Aufgabe übernommen, bei ´Spiegel´ und ´stern´ Geld zu beschaffen. Das sollte nicht aussichtslos sein. (...) In diesem Klima fiel es Rudi nicht schwer, Geld aufzutreiben, aber Rudolf Augstein und Gerd Bucerius stellten die Bedingung, dass kein Tribunal stattfinden sollte, sondern nur ein Hearing.“

Wetten, dass sich auch für diese Memoiren garantiert nicht ein einziger Beleg im Spiegel-Archiv findet?

Sie lesen gern Achgut.com?
Zeigen Sie Ihre Wertschätzung!

via Paypal via Direktüberweisung
Leserpost

netiquette:

Leserbrief schreiben

Leserbriefe können nur am Erscheinungstag des Artikel eingereicht werden. Die Zahl der veröffentlichten Leserzuschriften ist auf 50 pro Artikel begrenzt. An Wochenenden kann es zu Verzögerungen beim Erscheinen von Leserbriefen kommen. Wir bitten um Ihr Verständnis.

Verwandte Themen
Wolfgang Röhl / 19.04.2024 / 06:00 / 72

Künstliche Intelligenz vs natürliche Dummheit: Wer siegt?

Mainstream-Journalisten fürchten, dass ihre Jobs durch KI entbehrlich werden. Zu Recht. Die herrschende Meinungseinfalt können auch Maschinen bewerkstelligen. Doch ein paar Journos werden an Medienbord…/ mehr

Wolfgang Röhl / 03.03.2024 / 10:00 / 68

Ist Peak Woke schon erreicht?

Zeitgeist-Buster Alexander Wendt (Foto oben) untersucht, wie es zum Aufstieg der Moralbourgeoisie und ihrer Glaubenssätze kommen konnte. Und ob der Scheitel der Erwecktenschwemme mittlerweile überschritten ist. Wer…/ mehr

Wolfgang Röhl / 08.02.2024 / 06:00 / 119

Anständigenaufstände: Zwischen Sebnitz und Potsdam

Kampagnen von Medien und Parteien gab es schon immer. Gerne gegen Rechts. Aber manche Kreuzzüge entpuppten sich rasch als haltlose Flops. Eine Blütenlese im Dschungel der Empörungskulturen. „Eine…/ mehr

Wolfgang Röhl / 26.01.2024 / 06:15 / 53

Der „Putin-Schleimer“ und andere lupenreine Experten

Ein von der ARD gepriesener „Russland-Experte“ hat von dort viel Geld kassiert. Auch bei anderen Themen und Medien werden lupenreine Lobbyisten als „unabhängige Fachleute“ präsentiert.…/ mehr

Wolfgang Röhl / 17.12.2023 / 10:00 / 56

„Mikroaggression“: 50 Jahre Bullshit-Bingo

Während auf Straßen und in Schulen reale Gewalt explodiert, gehen akademische Linksradikale mit einem verstaubten Gewaltkonstrukt auf Weißen-Bashing. Mittels sogenannter Mikroaggressionen würden angeblich Marginalisierte ausgegrenzt,…/ mehr

Wolfgang Röhl / 02.12.2023 / 06:15 / 81

Den Schuss nicht gehört. Deutschland im Krimiwahn

Ohne Krimi geht der Deutsche nie ins Bett. Verrückt: Je stärker die reale Kriminalität steigt, desto lieber lassen sich Menschen von fiktiven Krimistoffen oder Podcasts…/ mehr

Wolfgang Röhl / 30.10.2023 / 06:00 / 61

Umfrage: Glanz und Elend der deutschen Journos

Endlich durch eine Studie bewiesen: Journalisten sind viel besser als ihr Ruf. Sie vermitteln das Geschehen unparteiisch anhand verlässlicher Quellen, befähigen Menschen zur Meinungsbildung, beleuchten…/ mehr

Wolfgang Röhl / 09.10.2023 / 06:00 / 49

Fernsehen: Wenn die Weltrettung zum Flop wird

Der Bundesverdienstkreuzträger, Planetensanierer und Corona-Fanatiker Dirk Steffens verwurstet bei RTL die einstige Edelmarke GEO zu einem albernen Öko-Brei. Die gute Nachricht: Seine Show geht geradewegs den Quotenbach…/ mehr

Unsere Liste der Guten

Ob als Klimaleugner, Klugscheißer oder Betonköpfe tituliert, die Autoren der Achse des Guten lassen sich nicht darin beirren, mit unabhängigem Denken dem Mainstream der Angepassten etwas entgegenzusetzen. Wer macht mit? Hier
Autoren

Unerhört!

Warum senken so viele Menschen die Stimme, wenn sie ihre Meinung sagen? Wo darf in unserer bunten Republik noch bunt gedacht werden? Hier
Achgut.com