Verbirgst du dein Angesicht, so erschrecken sie; nimmst du weg ihren Odem, so vergehen sie und werden wieder Staub. – Psalm 104
Jesus hätte Maske getragen, hieß es letzten Winter, während dieser doch zu den „ansteckenden“ Ausgestoßenen gegangen ist, seine Hände auf ihre Wunden legte. Dieser Menschenfreundlichkeit entspricht der zitierte Psalm. Zu einem zivilisierten Miteinander gehört es, Gesicht zu zeigen: Die Mimik ist Teil jeder zwischenmenschlichen Verständigung, die zu regulieren keinem Staat dieser Welt erlaubt sein sollte. Zwar vergeht man nicht gleich zu Staub, wenn man in brütender Hitze seinen eigenen Ausdünstungen ausgesetzt ist; lebensfeindlich ist die Hemmung des Odems gleichwohl.
Und nicht nur das ist die Maskenpflicht: Sie transportiert auch ein voraufgeklärtes, ja reaktionäres Menschenbild, das von vielen per Alltagsvermummung verinnerlicht wird. Viren werden als etwas Dämonisches und Schmutziges vorgestellt, dem sakrale Reinheit (und Unberührtheit) des menschlichen Köpers gegenübergestellt wird. Sie zu bewahren, indem man ja nicht zu nah an seine Mitmenschen herantrete, gilt der Corona-Politik als erstrebenswert, während darin doch gerade etwas Abstoßendes liegt: Reinheit und Hygiene sind zentrale Topoi faschistoider Diskurse.
Menschenkontakt ist gut für Seele und Körper
Sämtliche Corona-Regeln basieren auf der Vorstellung, dass Menschen einander anstecken und schließlich krank werden, weshalb man die Zahl der „Ansteckungen“ repressiv reduzieren müsse. Der Neurotiker stellt sich einen im Supermarkt herumlaufenden „Infizierten“ vor wie eine brennende Kerze, die bei mangelndem Abstand die anderen eben ansteckt. Nach dem Superspreading brennt der REWE sozusagen lichterloh.
Dem widerspricht nicht nur die Tatsache, dass Infektionen in Supermärkten nie nachgewiesen wurden, dass Gesundheitsämter vor dem Wellenbrecher-Lockdown in den meisten Fällen nicht einmal wussten, wo die Infektionen herkommen, sondern auch die eigene Erfahrung: Man weiß selten, wo und bei wem genau man sich angesteckt hat, was auf die Rolle des Immunsystems verweist: „Le microbe n´est rien, le terrain c´est tout“, sagte Antoine Béchamps. Der Erreger ist nichts, das Milieu ist alles.
Manchmal schläft man neben dem hustenden und niesenden Partner ein, ohne dass man am nächsten Tag krank ist, manchmal erwischt es einen doch. Entscheidend ist offensichtlich nicht der bloße Kontakt zu einem Infizierten, sondern die Kraft des Immungedächtnisses, das desto trainierter ist, je mehr Viren es kennt.
Da geringe Viruslasten in der Regel leicht zu verkraften sind, kann es nur von Vorteil sein, mit vielen Menschen in Kontakt zu treten. Es tut nicht nur der Seele gut, sondern stärkt einen auch ganz biologisch. So oder so gilt: Man hat ständig mit Viren zu tun, trägt sie in sich, aber das heißt nicht, dass sie einem schaden. Sie werden vom Immunsystem in Schach gehalten. In Phasen der Schwäche, etwa durch Vitamin-D-Mangel oder Kälte, setzen sie sich durch, und dann ist man eben einmal krank, meidet seine Mitmenschen und kuriert sich aus. Die Mehrheit der Menschen hat nicht einmal Symptome, wenn sie positiv auf das Corona-Virus testen, was darauf hindeutet, dass das Immunsystem der Menschen meistens sehr gut mit dem Erreger zurechtkommt. Ein regelmäßiges Viren-Update, wie Wolfgang Wodarg es ausdrücken würde, ist der depressiv machenden Selbstisolation vorzuziehen.
Wir müssen die Menschen deneurotisieren
Der Dresdner Gynäkologe Prof. Dr. med. Sven Hildebrandt kritisiert in einer Indubio-Folge die Vorstellung von Viren als Bakterien, die Einordnung von ihnen in das Robert-Koch’sche Paradigma der Mikroorganismen. Da Viren allerdings eine förderliche Rolle bei der Anpassung von Organismen an ihre Umweltbedingungen haben, sind sie „ganz essenzieller Teil unseres Lebens“. Gefangen in der Denk-Welt von Robert Koch betrachten wir hingegen Viren immer noch als bloße Feinde, die krank machen und den Tod bringen.
Einen großen Fehler macht, wer einfach blind den tonangebenden Experten vertraut, die sich nicht nur mit ihren Prognosen laufend blamieren (etwa Christian Drosten), sondern auch als Fachidioten oftmals einen verengten Blick haben. Den Menschen als „Bazillenträger“ zu betrachten, wie Robert Koch es tat, mag insofern etwas treffen, als auch Gesunde zur Verbreitung von Krankheitserregern beitragen können; das bedeutet allerdings noch lange nicht, die Menschen auf krankmachende Gefäße zur Vermehrung und Verbreitung von Bakterien reduzieren zu dürfen und sie dementsprechend in ihren Rechten einzuschränken. Ein menschenfreundlicher Umgang mit Kranken sorgt für bestmögliche Bedingungen, sodass sie gut versorgt werden. Man hält ihnen die Hand, bringt ihnen Tee ans Bett, gibt ihnen frei und entlastet sie. Krankheit ist die Kehrseite von Gesundheit, nicht ihr Feind, den man um jeden Preis verhindern muss; sie gehört zum Leben dazu, und wenn sie auftritt, lindert man sie.
Menschen mit einem Putzfimmel haben zwar recht, dass man überall Dreck entdecken könnte, wenn man nur lange genug mit der Lupe nach ihm sucht (PCR-Test), der einem potenziell ja auch schaden könnte (symptomatische Verläufe), verkennen aber, dass man sich darum nicht zu scheren braucht, sobald für eine gewisse Grundsauberkeit (Stabilität des Gesundheitssystems, intaktes Immunsystem) gesorgt ist.
Die Aufarbeitung der Corona-Krise müsste von der Erkenntnis, dass Lockdown und Co. überhaupt nichts gebracht haben, zur De-Neurotisierung der Menschen fortschreiten. Man muss sich genauso wenig vor ansteckenden Bürgern fürchten wie vor angeblich schlecht gespülten Biergläsern.