Walter Schmidt / 07.10.2007 / 22:02 / 0 / Seite ausdrucken

Nachhaltig in die große Pause

Deutsche Schülerinnen und Schüler können, wie wir spätestens seit den Ergebnissen diverser PISA-Studien wissen, weder ausreichend rechnen, lesen oder schreiben. Doch statt diesem Mißstand durch mehr Informations- und Wissensvermittlung im Unterricht abzuhelfen, organisieren deutsche Schulen immer mehr didaktisch-methodische Konferenzen und Methodentage. Das ist auch nur konsequent, denn wenn schon die bildungspolitischen Inhalte immer beliebiger, damit mehr oder weniger austauschbar und somit auf lange Sicht vollkommen irrelevant werden, so müssen die Schülerinnen und Schüler wenigstens nachhaltig vermittelt bekommen, welche Methode ggf. die beste ist, um am Ende so wenig wie möglich zu lernen, außer der korrekten Mülltrennung in den Klassenzimmern, versteht sich.

Das Zauberwort hierfür heißt “Nachhaltigkeit”, wie in einem “Antrag an die allgemeine Konferenz zum Thema “Nachhaltig lernen und praktizieren” an der Gesamtschule Bergedorf (GSB) vom September 2007 nachzulesen ist.

Dort heißt es u.a.:

“Die Konferenz möge beschließen, dass

1. in allen Klassen der GSB außer den KlassensprecherInnen “Umweltbeauftragte” gewählt/benannt werden,

2. von Seiten der Schulleitung (SL), der LehrerInnen, der Verbindungslehrer und der AG “Nachhaltigkeit” die Schülervertretung (SV) angeregt wird, SchülerInnen innerhalb der SV oder einer neuen Gruppe zu benennen, die sich des Themas “Nachhaltigkeit” annehmen und die Klassen unterstützen,

3. in allen Klassen im Rahmen von “Fifty-Fifty” (50%) ressourcensparende Maßnahmen durchgeführt werden, d.h. Mülltrennung (Papier, Restmüll, gelber Sack), richtiges Lüften, im Oberstufenhaus auch die Regelung der Thermostatventile an den Heizungen. Eine Koppelung mit den Klassendiensten ist sinnvoll,

4. diese Maßnahmen an einem verabredeten Tag an der GSB in Kraft treten (Vorschlag mit Beginn der Heizperiode, z.B. in der zweiten Woche nach den Herbstferien). Dazu müssten noch einige Vorbereitungen getroffen werden (Mülleimer für die Trennung für alle Klassen, Infoblatt zum richtigen Lüften o.ä.), die Vorbereitung und Anleitung liegt bei Mitgliedern der SV und der AG “Nachhaltigkeit”. Die SL unterstützt das Vorhaben durch finanzielle Mittel aus den “Fifty-Fifty”-Geldern und durch die Festlegung der organisatorischen Rahmenbedingungen. Die Hausmeisterei wird davon in Kenntnis gesetzt. Die Aktion (und die entsprechenden Maßnahmen) bekommen einen Namen (z.B. “clean und cool”),

5. dass alle “Fifty-Fifty”-Aktivitäten öffentlich sichtbar dokumentiert und beim “Frühschoppen” im Januar präsentiert werden (Litfasssäule, stellwand o.ä.). Dazu gehört auch die Bekanntgabe der eingesparten Gelder durch unseren Hausmeister und/oder die Schulleitung,

6. dass die Schulgemeinschaft öffentlich festlegt, wie die der Schule zur Verfügung gestellten “Fifty-Fifty”-Gelder verwendet werden (Spielgeräte, neue Kaffeemaschine, Anschaffungen für energiesparende Maßnahmen, z.B. Wasserarmaturen, Bewegungsmelder für die Flure usw.). Hierzu sollten auch besonders Wünsche der Hausmeisterei berücksichtigt werden. Besondere Anschaffungen erhalten ein “Label” mit der Aufschrift “finanziert mit “Fifty-Fifty”-Mitteln”. Vorschläge für die Verwendung der Gelder können von allen Mitgliedern der Schulgemeinschaft gemacht werden. Es ist auch denkbar, ein Prämiensystem zu entwickeln für besonders aktive Klassen,

7. dass die Fachvertreter die Nachhaltigkeitsthemen der Fächer und Klassen zwecks Bestandsaufnahme an die AG “Nachhaltigkeit” weitergeben,

8. dass im Laufe dieses Schuljahres das Thema “Nachhaltigkeit” noch einmal Thema auf der Didaktischen und Allgemeinen Konferenz ist, um die Realisierung obiger Aktivitäten zu überprüfen und weitere Schritte zu überlegen und in die Wege zu leiten. Denkbar sind: Welche sozialen Projekte laufen an der GSB? Wie binden wir diese in den Unterricht ein (z.B. das Nepalprojekt)? Welches Nachhaltigkeitsprojekt wird in den anderen Jahrgängen regelmäßig durchgeführt (z.B. Schulgarten, Betreuung von Grünflächen, gesunde Ernährung usw.)? Wollen wir einen Projekttag zur Nachhaltigkeit einführen? Wie sieht es mit dem Umgang von Papier (Kopieren) und sonstigen Materialien aus? Wie nachhaltig sind unsere Klassenreisen (Billigflieger)? An welchen Wettbewerben mit dem Thema Nachhaltigkeit nehmen wir teil?

P.S.: Der Antrag beinhaltet die Ziele, die die AG “Nachhaltigkeit” an die Steuergruppe für das laufende Schuljahr melden wird. (Frage: Ist das Thema “Nachhaltigkeit” ausreichend in unserem Leitbild verankert?)

Soweit der Antrag.
Die abschließende Frage läßt sich theoretisch eher mit “ja”, praktisch jedoch eher mit “nein” beantworten, wie der Wortlaut des o.g. Antrages nachhaltig dokumentiert.
Während der sog. “Wissenskanon”, den ein Schüler zur Bewältigung des Abiturs benötigt, nachhaltig entrümpelt worden zu sein scheint, hapert es offensichtlich noch bei der nachhaltigen Umsetzung der Mülltrennung in den Klassenzimmern. Schließlich sind die Belastung durch Feinstaub und die Verunreinigung durch Papierflugzeuge umgekehrt proportional zu der o.g. Entsorgung des humanistischen Bildungsgutes.

Dennoch befindet sich die GSB Bergedorf mit Sicherheit in puncto “Nachhaltigkeit” auf einem guten Weg. Schließlich hat sie ein Ziel vor den Augen, damit in der Welt sie nicht irrt, und wenn sie schon nicht in die Top Ten der deutschen Eliteschulen vordringen wird, so läßt sie sich in puncto “nachhaltige didaktisch-methodische Schulentwicklung” mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit von niemandem übertreffen.

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