Nach den Amokläufen von Erfurt (2002) und Emsdetten (2006) wird hierzulande verstärkt über die Gewalt an Schulen und deren vermeintliche Ursachen diskutiert. Dabei gerät die Opferperspektive zunehmend in den Hintergrund. Wer weiß schon noch, wie sie hießen, die Opfer jenes berühmt-berüchtigten Robert Steinhäuser, der am Vormittag des 26. April 2002 in Erfurt 16 Menschen kaltblütig ermordete, bevor er selbst Hand an sich legte? Stattdessen steht bei Pädagogen, Soziologen und Sozialarbeitern die Täterperspektive scheinbar nach wie vor hoch im Kurs…
Woran liegt es, wenn z.B. ein Robert Steinhäuser plötzlich wie aus heiterem Himmel gewalttätig wird? War seine Kindheit und Jugend sooo schwierig? Wurde er von Vater und Mutter nicht oft genug in den Arm genommen und geknuddelt? Hatte er wirklich nur herzlose Lehrer, die in ihm einzig und allein das Objekt ihrer oft vergeblichen Versuche der Wissensvermittlung sahen und nicht in erster Linie den Menschen Robert Steinhäuser? Oder spielte Robert Steinhäuser etwa viel zu oft das berühmt-berüchtigte Computerspiel “Counterstrike”, das sich durch eine hohe Aggressivität im Umgang mit den lieben Mitmenschen auszeichnet?
Vielleicht wurde Robert Steinhäuser ja nur deshalb zum Täter, weil er einfach nur “Bock auf Amok” hatte, wie es in einem Flyer des Schulmuseums Leipzig e.V. heißt, mit dem zu einem Vortrag mit Diskussion am 19.12.2007 eingeladen wird.
Veranstalter sind das Schulmuseum-Leipzig e.V. sowie die Antifa-Initiative “Tomorrow”, die zum linksradikalen Spektrum der Leipziger Südvorstadt gehört und die eines ihrer Hauptziele offenbar darin sieht, Schüler zur Respektlosigkeit gegenüber ihren Lehrern zu erziehen und um Verständnis für menschenfeindliche Gewalttäter à la Robert Steinhäuser zu werben..
In dem o.g. Flyer heißt es wörtlich:
“Am Vormittag des 26. April 2002 ermordet der 19jährige Robert Steinhäuser 16 Menschen und richtet sich schließlich selbst. Er ist nicht der erste, noch war er der letzte sogenannte (!) Amokläufer in Deutschland.
Simple Erklärungen sind schnell bei der Hand:
Gewalttätige Videospiele, Filme und Musik.
In der öffentlichen Diskussion wird nicht selten tabuisiert, was viele Schüler beschäftigt:
Leistungsdruck, Ausgrenzung, Versagensangst und Perspektivlosigkeit sind nur einige der zu nennenden Probleme.
Der Umgang mit ihnen wird von den einzelnen unterschiedlich bewerkstelligt. Oft spielen bei diesem Verarbeitungsprozeß Gewaltphantasien eine wichtige Rolle. Selten werden sie in die blutige Tat umgesetzt, meist in abgemilderter Form gegen die eigene Person.
Gibt es reale gesellschaftliche Gründe für den jugendlichen Zorn, oder sind sie einfach nur verzogene Rebellen (!)?
Woher kommt dieser Drang sich und andere verletzen zu wollen, dieser Trieb zu rücksichtsloser Rache an den vermeintlich Schuldigen (!)?
Welche Schuld (!) schreiben die Täter und ihre Sympathisanten ihren realen oder vorgestellten Opfern (!) überhaupt zu, und ist diese zutreffend?”
Wohlgemerkt:
Bei dem o.g. Flyer handelt es sich nicht etwa um eine sicherlich diskussionswürdige, wenn auch etwas abseitige Meinungsäußerung bzw. Positionsbestimmung einer im Prinzip selbsternannten sog. “Antifa-Initiative” namens “Tomorrow”, sondern - man höre und staune - um den offiziellen Einladungstext zu einer Veranstaltung des Schulmuseums Leipzig e.V., das sich zwar weitgehend selbst, und zwar v.a. durch Spenden, finanziert, das darüberhinaus aber auch das ausdrückliche Wohlwollen der Stadtväter in Person des OBM Burkhard Jung (SPD) genießt und das ab und an von z.T. erheblichen Fördergeldern von Initiativen wie z.B. “Civitas” u.a. profitiert.
In der Art und Weise der Aufmachung sowie mit Hilfe der o.g. Fragen wird wenn auch vielleicht nicht um Verständnis für Täter wie Robert Steinhäuser, so doch zumindest um den Wunsch nach Nachvollziehbarkeit der sog. “Täterperspektive” geworben. Schließlich kann einer wie Robert Steinhäuser, der eine schwere Kindheit hatte, der von seinen Lehrern unterdrückt und von seinen Mitschülern ausgegrenzt wurde und sozusagen permanent unter Versagensängsten und Perspektivlosigkeit litt, im Prinzip kein schlechter Mensch sein, muß doch, wie gewohnt, “die Gesellschaft”, die von der sog. “Antifa-Initiative” “Tomorrow” als äußertst repressiv geschildert wird, schuld am Schicksal von Amokläufern wie Robert Steinhäuser sein..
Der Besucher der Veranstaltung am 19.12.2007 darf jedenfalls schon jetzt äußerst gespannt sein:
Vielleicht bekommt er ja bereits am Eingang zum Schulmuseum einen Flyer mit konkreten Anleitungen zum Bombenbau o.ä. ausgehändigt, damit er lernt, wie er das von der sog. “Antifa-Initiative” “Tomorrow” offenbar dermaßen verhaßte sog. “Schweinesystem” möglichst effizient beseitigen kann, um an dessen Stelle eine “solidarische Gesellschaft” von freien und gleichen Tätern unter Anleitung von Robert Steinhäuser und seinen “Kameraden” zu setzen.
Mit Sicherheit werden ihn jedoch, sobald er die Einlaßkontrolle des Schulmuseums passiert hat, im Veranstaltungssaal zahlreiche interessierte und überaus engagierte Pädagoen, Soziologen und Sozialarbeiter erwarten, die vermutlich ohne eine ausreichende Anzahl von Tätern wie Robert Steinhäuser ihren liebgewonnenen Arbeitsplatz verlieren würden und sich stattdessen im wirklichen Leben behaupten müßten.
Und wo bleibt die Sichtweise auf die Opfer seligen Angedenkens?
Ach ja, wie konnte ich das vergessen!
Wie heißt es doch gleich in dem o.g. Flyer des Schulmuseums Leipzig e.V. sowie der Antifa-Initiative “Tomorrow”?
“Welche Schuld schreiben die Täter und ihre Sympathisanten ihren realen oder vorgestellten (!) Opfern überhaupt zu und ist diese zutreffend?”
Wahrlich eine spannende Frage, wegen deren sachkundiger, wissenschaftlicher Beantwortung allein sich ein Besuch der Veranstaltung im Schulmuseum Leipzig am Abend des 19. Dezember 2007 um 19.00 Uhr lohnen dürfte.
Wer dagegen - wie z.B. der Bürgermeister des Berliner Bezirks Neukölln Buschkowsky (SPD) - über einschlägige Erfahrungen mit Gewaltexzessen an Berliner Schulen (Rütli-Schule u.a.) verfügt und sich deshalb für Waffenkontrollen an Schultoren ausspricht, hat erstens nichts begriffen, denn er gefährdet schließlich die Arbeitsplätze von tausenden und abertausenden Sozialarbeitern, Streetworkern u.ä. Personal, und zweitens wollen wir schließlich hier bei uns in Deutschland doch auf gar keinen Fall die berühmt-berüchtigten “amerikanischen Verhältnisse”!
Gelobt sei die Toleranz, fragt sich nur, ob sie sich mit einem oder mit zwei “l” schreibt! Aber wer kennt heutzutage schon noch die elementaren Regeln der deutschen Rechtschreibung und des alltäglichen Umgangs zwischen Schülern und Lehern im mehrfach PISA-geschädigten deutschen Bildungssystem?