Walter Schmidt / 13.11.2009 / 14:15 / 0 / Seite ausdrucken

Depressive können gar nicht an andere denken

War Fußballnationaltorwart Robert Enke nur “Opfer”, oder war er womöglich auch “Täter”?
Eine durchaus berechtigte und ernstzunehmende Frage. Schließlich hat Enke nicht nur sich selbst getötet, sondern auch einen Lokführer traumatisiert sowie eine liebende Ehefrau und eine kleine Adoptivtochter zurückgelassen, die nun mit den Folgen dieses Selbstmordes alleine fertig werden müssen.
Nachdem zunächst nur die Vereinigung “Pro Bahn” auf das zugegebenermaßen schwere Los des traumatiserten Lokführers aufmerksam gemacht und diesen als eigentliches “Opfer” dargestellt hat, wird nun auch auf dieser Website die These vertreten, daß es sich bei Robert Enke um den eigentlichen “Täter” handele.
Dabei wird m.E. verkannt, daß es sich bei der Selbsttötung Robert Enkes durch einen sog. “Schienensuizid” um einen Akt der “depressiven Verantwortungslosigkeit” handelt.
Wer selbst noch nie eine Depression durchgemacht oder direkten Umgang mit depressiven Menschen hatte, dem dürfte es zunächst äußerst schwer fallen, einen Selbstmord als einen Akt “depressiver Verantwortungslosigkeit” zu deuten.
Doch die “Verantwortungslosigkeit” gehört zur Depression. sie ist ein integraler Bestandteil dieser psychischen Krankheit. Und Robert Enke war ein kranker Mensch!
Der Depressive besitzt eine mehr oder weniger verzerrte Wahrnehmung der Wirklichkeit. Er fragt sich weniger, wie er sich u.U. selbst helfen kann, geschweige denn, wie er ggf. anderen helfen könnte, die ihm versuchen beizustehen. Stattdessen fragt er sich bisweilen umso mehr, warum die Anderen ihn anscheinend im Stich lassen oder aber warum sie ihm nicht noch mehr helfen als sie es sowieso bereits tun.
Manchmal erkennt ein depressiver Mensch gar nicht, daß er unter einer ernstzunehmenden psychischen Krankheit leidet, oder aber er überspielt - nicht zuletzt aufgrund einer nach wie vor existierenden Tabuisierung dieser Krankheit - das eigentliche Krankheitsbild, z.B. durch mehr oder weniger banale Infekte.
In jedem Fall steht bei einem depressiven Menschen zunächst die Sorge um die eigene Person vollkommen im Mittelpunkt seiner Gedanken-und Gefühlswelt. Die Empathie mit Anderen ist demgegenüber eher unterentwickelt. Oder aber der Depressive konzentriert sich - wie z.B. auch Robert Enke - vorwiegend darauf, seine Empathie mit dem Schicksal anderer im Rahmen von karitativen Solidaritätsaktionen mit den Erniedrigten und Beleidigten in unserer Gesellschaft zur Schau zu stellen.
Deshalb kann ein depressiver Mensch, wenn er erst einmal den Entschluß gefaßt hat, sich das Leben zu nehmen, gar nicht anders, als “verantwortungslos” zu handeln.
Ob der Akt der Selbsttötung, der ihn vermeintlich aus seinem Leid bzw. aus seiner scheinbar ausweglosen Lage “befreien” soll, u.U. anderen Mitmenschen schaden könnte, eine solche Überlegung wird niemand anstellen, dem es einzig und allein um eine möglichst effektive Form der möglichst kurzen und “schmerzlosen” Selbsttötung geht.
Und der sog. “Schienensuizid von Robert Enke ist ein solcher effektiver Akt der Selbsttötung, vielleicht sogar der effektivste überhaupt!
Robert Enke war, nach allem, was man inzwischen über ihn weiß, nicht nur ein depressiver Mensch, dem es bis zuletzt gelungen ist, seine eigentliche Krankheit hinter anderen Symptomen zu verbergen, sondern er war darüberhinaus eine Persönlichkeit, der es nicht nur mit hohen Ansprüchen an die eigene Leistung im Beruf darum ging, seine Ziele mit einer größtmöglichen Effektivität zu verfolgen.
Der Vorwurf der “Verantwortungslosigkeit” kann Robert Enke als depressiven, kranken Menschen im Grunde nicht treffen. Dies sollte m.E. bei der moralischen Beurteilung seines Selbstmordes und der tragischen Folgen, nicht nur für seine Hinterbliebenen, sondern auch für den Lokführer u.a. Hilfskräfte am Unfallort nicht außer Acht bleiben.
Nicht alle Depressiven finden - wie Sebastian Deisler - “zurück ins Leben”!

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