Gestern Abend lief im hessischen Fernsehen der erste Teil einer Wiederholung von Dieter Wedels Satire „Gier“. Die ist bekanntlich inspiriert vom Fall des Hamburger Anlagebetrügers Jürgen Harksen, der einer Bande deutscher Vollidioten abenteuerliche Renditen versprach - bis zu 1300 Prozent Profit auf ihre Einlagen. Am Ende waren die meisten ruiniert. War kein großer Wurf, dieser TV-Zweiteiler, aber wegen der Performance von Ulrich Tukur als tolldreister Finanzjongleur noch immer anschaubar.
Zufällig war gestern auch der Wochentag, an dem mir wie immer das Anzeigenblatt „Elbe-Weser aktuell“ vor die Haustür geworfen wurde. Aufmacher war die Reise von Bundesumweltminister Altmaier in den niedersächsischen Norden, wo er die kapitalen Fortschritte des Windanlagenbaus besichtigte.
Natürlich schlug der Minister einen eleganten Bogen um die an Weser und Elbe großflächig vor sich hin rostenden Einzelteile von Off-shore-Anlagen. Es läuft ja gar nichts rund bei den „Windparks“ in der Nordsee. Nur gigantische Kosten türmen sich auf, demnächst zu bezahlen von den Stromverbrauchern.
Stattdessen tingelte Altmaier mit lokalen Politgrößen sowie dem aus der Region stammenden parlamentarischen Staatssekretär Enak Ferlemann, der genauso verschlagen grinsen kann wie Tukur/Harksen in Wedels Film, wortreich durch die platte Landschaft. In Cuxhaven, wo die Off-shore-Industrie ihre größten Scheinblüten treibt, gab Merkels treuester Wendehals Versprechungen ab, welche die von Harksen locker übertrafen. Er sei sich sicher, so Altmaier, „dass wir es in zehn bis zwanzig Jahren schaffen, eine günstige und attraktive Stromversorgung sicherzustellen.“ Bis zum Jahr 2020 würde der Strom aus Solar- und Windenergieanlagen rund 35 Prozent betragen, „bis 2040 sogar 80 Prozent“ („Elbe-Weser aktuell“). Dass die Existenz von fliegenden Teppichen wahrscheinlicher ist als derlei Annahmen, hat sich mittlerweile bis in die letzte Redaktion herumgesprochen, mit Ausnahme der „taz“.
Weil Altmaier aber, genau wie Harksen, ein ausgebuffter Bursche ist, prägte er auf seiner Reise durch die windige Nordmark vorsorglich den schlauen Spruch: „Wir müssen die Energiewende als Gemeinschaftsprojekt begreifen.“
Harksen hätte es nicht schöner sagen können. Weil die Früchte seiner Anlagen nie so recht reif werden wollten, mussten die Anleger immer wieder frisches Geld nachschießen. Irgendwann würde der große Reibach bestimmt kommen. Vielleicht um das Jahr 2040?
Jürgen Harksen, geboren 1960, begann seine Betrügerkarriere 1987, wurde vom Landgericht Hamburg 2003 zu einer sechsjährigen Haftstrafe verurteilt und 2008 freigelassen. Peter Altmaier wird am 18. Juni 2040 seinen 82. Geburtstag feiern. Bis dahin wird er mutmaßlich nicht einen einzigen Tag im Knast verbracht haben. Denn das Vernichten selbst erheblicher Teile des Volksvermögens ist nicht strafbar, solange es nicht aus persönlicher Gewinnsucht geschieht.
Wenn Altmaier an seinem Zweiundachtzigsten noch gut drauf ist, hebt er vielleicht ein Gläschen saarländischen Mosel. Und bringt über seine alten Zeiten als Energiewender jenen wunderbaren Toast aus, den Tukur/Harksen in Wedels Komödie sagt, wenn er es mal wieder geschafft hat, die nach ihrem Geld jammenden Anleger mit den tollsten Ausreden hinzuhalten:
„Die Vorfreude ist für die Leute doch immer die schönste Freude.“