Grüne und Linke sind besonders staatsgläubig. Der Prepper ist ihr natürlicher Feind, weil er dem Staat misstraut und individuell für sich selbst vorsorgt. In Zeiten steigender Stromausfälle erscheinen Prepper jedoch plötzlich sehr vernünftig.
Wer Vorräte hamsterte oder Notfallpläne für eine Katastrophe schmiedete, galt eine Zeit lang als nicht ganz dicht. Manche machten ihn gar zu einer finsteren, rechtsextremen Figur. Jetzt, da längere Blackouts näherrücken, raten sogar Behörden, sich auf Schlimmes vorzubereiten.
Der Dezember 2010 war in ganz Deutschland sehr kalt. Das Weihnachtsfest brachte, wie man bei kachelmannwetter nachlesen kann, dazu noch die größten Schneemengen seit Beginn der Wetteraufzeichnungen, nur vergleichbar mit denen des Jahres 1981.
Meine Frau und ich bibberten oft erheblich, obwohl unser backsteinernes, reetgedecktes Haus an einem nordseenahen Deich gut isoliert ist. Ich schneeschippte mir ein Rudel Wölfe, um die Wege zum Haus einigermaßen passierbar zu halten. Streute dauernd Sand, damit mein Audi unter Hängen und Schliddern die Auffahrt zum etwas höher gelegenen Deichweg schaffte.
Dieser Weg besteht aus zwei befestigten Spuren und wird von allen Straßen der Umgebung zuletzt geräumt. Schon gar nicht regelmäßig, mag es auch schneien wie im zu Recht berühmten Schneewestern von Sergio Corbucci. Unsere schwachen Ortskräfte haben andere Prioritäten; gibt nicht viele Deichanrainer. Wer unbedingt entlegen wohnen möchte wie wir, muss eben sehen, wie er klarkommt.
Lebten wir hier in der Kalahariwüste?
Als es mit der Kälte und den Schneefällen immer weiterging, wurden die 700 Meter bis zur geräumten Landesstraße L 113, welche uns mit der Außenwelt verbindet, zum Risikotrip – Frontantrieb hin, Winterreifen her. Nur ein wenig vom mittlerweile vereisten Weg abkommen, und man würde über die Böschung in den Graben kegeln. Ich eierte, wenn Einkäufe im nächsten Ort unaufschiebbar wurden, mit angstschweißfeuchten Pfoten durch die gefrorene Landschaft.
Das erinnerte an den sogenannten „Jahrhundertwinter“ 1978/79. Zehntausende waren damals im Norden des Landes wochenlang von ungeheuren Schneemassen eingeschlossen.
Die Kältewelle im Dezember 2010 war allerdings eine glatte Frechheit vom Wetter. Sie hätte keinesfalls eintreten dürfen. Hatte Mojib Latif, einer der führenden Priester der Church Of Climatology, im Spiegel nicht bereits anno 2000 versprochen: „Winter mit starkem Frost und viel Schnee wie noch vor zwanzig Jahren wird es in unseren Breiten nicht mehr geben“?
Wir waren schwer enttäuscht von Mojib. Doch was half’s? Es musste weitergehen. Zum Glück gab es einen aus Hamburg zugezogenen Nachbarn, der als Zweitwagen einen betagten Landrover besaß. Wir hatten den Ex-Onkologen, der seinen Lebensabend am Deich verbringen wollte, wegen des rumpligen Oldtimers manchmal belächelt.
Lebten wir hier in der Kalahariwüste? War denn ein Krieg denkbar, vor dem nur verschont würde, wer sich durch Matschwiesen und Moore mit diesem Urtyp eines robust geländegängigen Fahrzeugs durchzuschlagen vermochte?
Eine Nachbarin lieh ihren Heizpilz
Bernd, Eigner des olivgrünen Vehikels aus GB, wurde zum Deichhelden. Seine Karre lief über den prekären Pfad wie am Schnürchen. Er schaffte Vorräte heran – zum Beispiel für zwei ältere Damen, die sich nicht mehr über den Deichweg trauten. Okay, möglicherweise wären wir auch ohne Bernd und seinen Landy nicht verreckt. Aber schöner war es doch mit knackigen Brötchen und frischer Milch und dem kleinen dummen Lokalblatt.
Meine Frau und ich hatten ein größeres Problem. Der Inhalt unseres 2.000-Liter-Gastanks ging umso schneller zur Neige, je länger die Kälte andauerte. Wir waren nicht vorsorglich gewesen.
Meine Frau bestellte Nachschub. Doch der Gaslieferant stellte sich stur. Ein schwerer, explosiver Tanklastzug könnte den vereisten Deichweg nicht gefahrlos befahren. Hinweise meiner Frau (Anwältin) auf Lieferpflicht fruchteten nicht. Ich verstand die Leute irgendwie. Einen Transport wie in „Lohn der Angst“ konnte man ihnen schwerlich abverlangen. Der Film – einer der spannendsten, der je gedreht wurde – geht bekanntlich nicht gut aus.
Indessen tendierte unsere Tankanzeige gen Null. Eine Nachbarin lieh ihren Heizpilz. Wir wärmten die Diele damit, schalteten fast alle Heizkörper auf Minimum, um Gas zu sparen. Wenn nämlich Leitungen einfrieren, weil die Heizung ausfällt, muss man im Frühjahr das halbe Haus aufstemmen. Am Ende hatte das Wetter ein Erbarmen. Mitte Januar bekam der fast geleerte Gastank endlich Stoff. Wir waren beglückt. Hatten aber die Lektion gelernt.
Wir wurden, nun ja, Prepper.
„Die Kunst zu überleben“
Prepper? Das Wort stammt von der Wendung to be prepared, vorbereitet sein. Quasi die Pfadfinderparole „Allzeit bereit!“, den Fans von Tick, Trick und Track und ihren Abenteuern mit dem Fähnlein Fieselschweif sehr geläufig. Das Substantiv Prepper war freilich bis vor ein paar Jahren hierzulande so gut wie unbekannt.
Was man im Westen Deutschlands seit den Fünfzigern und ihren Angstschüben kannte, war jenes Individuum, das im Garten einen Bunker bauen lässt und ihn mit Vorräten bestückt, um den Atomkrieg zu überleben.
In den Siebzigern beerbte es der salatautonome Typus des Bioschrats, der sich vom todgeweihten Spätkapitalismus radikal zu emanzipieren trachtete. Vor seiner Tür daddelte ein Windrädchen. Es lieferte Saft für eine 15-Watt-Funzel, hübsch auf den Punkt persifliert in der Komödie „Am Tag als Bobby Ewing starb“.
Unabhängig davon landete der Konditor Rüdiger Nehberg 1979 einen Megaseller mit dem Titel „Die Kunst zu überleben“. Darin stand mehr oder weniger geklautes Zeug aus dem „US Army Survival Handbook“. Man erfuhr, welche Würmer am nahrhaftesten sind und wie man sich im Notfall mit einem Outdoor-Messer faulende Extremitäten absäbelt. Das Buch schob eine Welle an.
Die große Survivalwelle jedoch verebbte irgendwann
Shops für Survival-Accessoires pilzten aus dem Boden. Sicher, auch in dieser Zeit grassierten Kriegsängste. Doch war der Aufstieg von „Sir Vival“ Nehberg zu einem der gefragtesten Talkshowtouristen vor Karl „The Doom“ Lauterbach mehr eine Modeerscheinung als echtes Preppertum.
Kaum jemand trug sich wirklich mit Gedanken, in die Wälder zu gehen. Selbst während der Tschernobyl-Hysterie schafften es die vor dem vermeintlichen Fallout Fliehenden allenfalls bis zur gut versorgten Hippieinsel La Gomera. Dafür las man umso eifriger das Buch „Walden“ von Henry David Thoreau.
Der Naturverkitscher und Faker seines Lebens (so richtig in der Wildnis hatte er nie gelebt) fasziniert bis heute eine Gemeinde, die das gleichnamige Magazin aus dem untergehenden Hause Gruner+Jahr abonniert hat. Die große Survivalwelle jedoch verebbte irgendwann, und Nehberg erfand sich als Indigenenschützer neu.
Wenn das Ärschlein kalt und die Playstation dunkel wird
Ist der Überlebenskünstler eigentlich eine populäre Figur, ein Rollenmodell? Teils, teils. Der Autor Harald Jähner hat in seinem hervorragend recherchierten Buch „Wolfszeit“ die deutsche Stunde Null dokumentiert, welche tatsächlich Jahre währte. In jenem Zwischenreich vor der Währungsreform, wo displaced persons aller Couleur massenhaft durch Ruinenlandschaften streunten, hatten nur Starke, wölfisch Entschlossene eine Chance, sich selber und ihren Clan durchzubringen.
Der Schwarzmarkthändler, der berühmt-berüchtigte „Kohlenklau“, der trickreiche „Organisierer“ dringend benötigter Waren, er war der Held dieser Zeit. Zugleich aber auch ein bisschen ihr Schurke. Wer zum Überleben taugt, demütigt ja unvermeidbar jene, die nicht so stark oder so gerissen sind. Viele Männer, die krank und traumatisiert aus Krieg und Gefangenschaft kamen, mussten mit der Kränkung leben, dass es ihre Frauen und ihre Kinder waren, die nun den häuslichen Laden schmissen.
Bei der Lektüre von „Wolfszeit“ sträubten sich jedenfalls mir, Jahrgang 1947, so einige Nackenhaare. Haben die Generationen, die den Babyboomern folgten, auch nur die theoretische Möglichkeit, einen tatsächlichen Ernstfall zu überstehen? Schneeflöckchen, die jetzt in ihren Safe Spaces aufwachsen, unfähig, auch nur eine vom Mainstream abweichende Meinung zu ertragen, was machen die wohl, wenn kein Strom aus der Steckdose kommt? Wenn das Ärschlein kalt und die Playstation dunkel wird? Kohlen klauen geht ja nicht mehr.
Die Karikatur des Drückebergers
Zurück zum Prepper. Je stabiler die Verhältnisse wurden oder wenigstens erschienen, je kollektiver und solidarischer sich die Bevölkerungsgemeinschaft nach dem Willen ihrer ideellen Gesamterzieher aufstellen sollte, dabei ständig Mantras von den wichtigen Aufgaben der Zivilgesellschaft murmelnd, desto mehr sank das Ansehen des rücksichtsfrei Solitären.
Wer in einer gutgesinnten Runde zum Besten gab, er werde sich im Falle eines Falles in ferne Gefilde verkrümeln und habe dafür Vorsorge getroffen, der galt bald als böser Bube. Als Wiedergänger des Herrn Ohnemichel, in der Ära Adenauer die Karikatur des Drückebergers, Nichtmitmachers.
Der Prepper stellt das genaue Gegenteil zur Berliner Republik dar. Nach deren Ausrichtung muss stets der Staat das Sagen haben, auch und gerade wenn es eng wird. Prepper dagegen möchten autonom entscheiden, was ihnen frommt. Grüne und Linke sind besonders staatsgläubig. Der Prepper ist ihr natürlicher Feind, weil er dem Staat misstraut.
Kein Wunder, dass Grüne und Linksradikale vor Jahren auf den Dreh kamen, über die Medien eine angebliche „rechte“ Prepperversion auf die politische Geisterbahn zu setzen. Die Prepperszene bestünde aus Kryptonazis, welche sich über Netzwerke von „Reichsbürgern“ und „Selbstverwaltern“ im ganzen Land metastasenhaft verbreiteten.
Prepper seien asozial, staatsfeindlich, gewaltbereit und orientierten sich an stiernackigen amerikanischen Survivalisten, die in irgendeiner Waldhütte von Wyoming mit der Pumpgun im Arm auf den Tag X warten, da die überkommene Welt zusammenbricht.
Selbstredend existieren derlei Außenseiter. Nur nicht im Format einer schlagkräftigen, irgendwie relevanten Gruppe. Die gibt es allein auf dem Papier berufsmäßiger Absahner. Mit immer neuen, selbstgebastelten Butzemännern Geld aus öffentlichen oder privaten Töpfen zu erschleichen, vor freihändig erfundenen Gefahren zu warnen, das ist von jeher die Geschäftsidee der Firma Mahner & Warner.
Schnorrer können was erleben
Was meine Frau und mich betraf, so ließen wir uns nach den Erfahrungen des Bibberdezembers 2010 einen gusseisernen Kaminofen der Traditionsmarke Morsø in die Diele stellen, Leistung 5,2 Kilowatt. Das Ding, man glaubt es kaum, vermag das halbe Haus zu heizen. Zusätzlich bauten wir in den Wohnzimmerkamin eine Kassette ein, was die Wärmezufuhr verdreifachte.
Natürlich benötigen Kamine ordentlich Brennholz, womit mich teilweise mein Grundstück, sozusagen autark, beliefert. Zwecks Trocknung baute ich einen gut durchlüfteten Verschlag, später einen weiteren. Sind die Speicher gefüllt, reicht ihr Inhalt für zwei Winter. Sollte die angedrohte Klimaerwärmung tatsächlich eintreten, vielleicht für länger.
Keinesfalls werden wir, natural born preppers, uns an irgendeine Fernwärmeleitung anschließen. Fernwärme ist bei den staatsgläubigen Grünen deshalb so beliebt, weil der Staat damit ruckzuck die Temperatur vieler Wohnungen nach Belieben absenken kann, wie der schlaue Don Alphonso neulich in der Welt schrieb. „Frieren für Habeck“? Haben wir eher nicht vor.
Durst werden wir nie leiden müssen. Wenn das lokale Wasserwerk nach einem Blackout den Betrieb einstellt, bleibt uns ein großer, tiefer Teich, und zehn Meter vor dem Carport fließt ein Gewässer der Güteklasse I. Eine Pumpgun besitzen wir nicht, aber Äxte, Mistgabeln, Spaten, Hacken, Kettensägen. Sollten uns nach dem Tag X Schnorrer zum Beispiel aus Hamburg auf die Pelle rücken, können die was erleben.
Die gute alte Kerze kommt wieder zu Ehren!
Das Wunderbare ist nun: Wir Prepper sind inzwischen nicht mehr Parias, sondern eine angesagte Kaste. Seit geraumer Zeit – nicht erst seit dem Ukraine-Krieg – beginnt man in Berlin mählich zu schnallen, dass die Energieversorgung Deutschlands auf eine Katastrophe zusteuert. Was unabhängige, nicht mit dem ökoindustriellen Komplex verbandelte Energieexperten wie Achgut-Autor Manfred Haferburg, Daniel Wetzel oder Holger Douglas seit mindestens einem Jahrzehnt voraussagen, klopft schon vernehmlich an die Tür: ein Blackout, der die gesamte Infrastruktur schlagartig ausknipsen kann. Dass man mit Zappelstrom keinen Industriestaat unterhalten kann, dämmert nun auch manch schlichtem Gemüt.
Bücher und Filme zum Thema mogeln sich zwar noch um den springenden Punkt der Chose herum (in den Fiktionen ist nicht die „Energiewende“ am Blackout schuld, sondern zum Beispiel ein Hackerangriff). Doch allein die Tatsache, dass das Thema in die Unterhaltungsbranche sickert, spricht Bände.
Da ist es nur konsequent, wenn das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) sekundiert. Wie schön, die" target="_blank" >https://www.bbk.bund.de/SharedDocs/Downloads/DE/Mediathek/Publikationen/Buergerinformationen/Ratgeber/ratgeber-notfallvorsorge.pdf?__blob=publicationFile&v=15">die gute alte Kerze kommt wieder zu Ehren!
Gern erinnere ich mich an ein Interview bei gemütlichem Kerzenschein und kühlem Kingfisher-Bier, das ich mit einem Hotelier aus dem indischen Bundesstaat Madhya Pradesh führte. Seine noble Herberge wurde, wie die gesamte, nicht so edle Umgebung, jeden Tag stundenweise von der Stromversorgung getrennt. Im Hotel ward es dann ziemlich schnell reichlich warm, weil auch die Klimaanlagen nicht mehr arbeiteten. Wie er erfahre, wann es Strom gäbe und wann nicht? Garment let us know. („Garment” ist die indisch-englische Aussprache von Government, Regierung.)
Eine komplette Checkliste der Behörde über Notvorräte für zehn Tage erfreut nicht nur den Lebensmitteleinzelhandel, sondern auch meine Frau und mich. Wir sind praktisch geadelt worden! Niemand wird mehr irritiert sein, wenn er unserer Notbevorratung (das sind vor allem nicht unerhebliche Weinreserven) gewahr wird.
Zeit, dass das BBK sich umbenennt. In Bundesamt für Blackout und Hamsterwirtschaft (BBH). Dieser Titel birgt das Flair der Zukunft.