Wolfgang Röhl / 27.09.2008 / 11:22 / 0 / Seite ausdrucken

Alt, aber ungeil. Das Elend der “Hamburger Morgenpost”

Aus dem deutschen Qualitätsjournalismus ist die weiland SPD-eigene Hamburger Morgenpost wahrscheinlich überhaupt nicht wegzudenken. Flankiert von spritzigen Inseraten („Alt, aber geil. Oma braucht es immer noch“) kann man in ihr alle möglichen Schnurren finden, die andere, arrogantere Blätter nicht für berichtenswert halten. In der Mopo wird einfach alles gedruckt! Muss der Polizeireporter einen neuen Ausweis beantragen und wird dabei festgestellt, dass seine Augenfarbe eine andere ist als die, die in seinem alten Ausweis steht, so rauscht das sofort ins Blatt…

Die Mopo ist auch ein spannendes edukatives Experiment, nämlich die einzige deutsche Zeitung, die fast ausschließlich von gesamtideellen Azubis und solchen, die es werden wollen, redigiert wird. Kein Schwein geht freiwillig zur Mopo. Längst von der SPD verhökert, ist sie nach etlichen Besitzerwechseln bei der BV Deutsche Zeitungsholding gelandet, deren Besitzer, die Heuschrecke Montgomery, seine Spar-Garrotten immer enger zieht.

Was für ein jammervolles Ende. 1949 von der SPD als „Hamburger Echo“ gegründet, war sie zehn Jahre später auf dem Zenith ihrer Auflage und verkaufte stolze 450 000 Exemplare. Ihre Redakteure konnten gar nichts falsch machen, denn die Zielgruppen – Sozialdemokraten, Gewerkschaftler und deren Umfeld – kauften das SPD-Blatt automatisch; schon deshalb, weil es die einzige Tageszeitung war, die nicht zum Springer-Verlag gehörte. Die Lektüre der „dümmsten Zeitung der westlichen Welt“, wie sie, glaube ich, Hermann Gremliza mal genannt hat, war ein Statement, um das man in Hamburg nicht herum kam, wollte man nicht als reaktionäres Arschloch gelten.

Und sie hatte ja auch knorrige Typen als Chefredakteure, deren Gepolter man immer wieder gerne las, wie Heinrich Braune oder das Urgestein Wolf „Hecki“ Heckmann. Doch das Milieu der typischen Sozis zerbröselte im Laufe der Jahrzehnte, und mit ihm die Treue zur Mopo. Dann fummelten Leute wie Wolfgang Clement und Mathias Döpfner erratisch am Blatt herum, und von da an ging´s endgültig bergab. Heute liegt ihre gemeldete Auflage bei 110 000 Exemplaren oder so. Wenn die Zahl denn annährend stimmt.

Mit weitem Abstand, uneinholbar, führt Bild-Hamburg auf dem Boulevard. Das Dilemma der Mopo ist, dass die Bildzeitung in ihrer populistischen Verschlagenheit die klassischen sozialdemokratischen Neidthemen, wie das Gemecker gegen „Reiche“ und „Abzocker“, die Wut auf Strom- und Ölkonzerne und das Gejammer der „kleinen Leute“ über wirkliche und angebliche Ungerechtigkeiten, viel besser abdeckt als die tutige Mopo. Der bleibt nur mehr ein gerupfter Themenstrauß übrig. Welcher für Hamburgs Grünen-Wähler attraktiv sein mag, nicht aber für die einstige Klientel, die abhängig Beschäftigten der unteren Lohngruppen.

Beim Hochjazzen von Schwulenparaden und Öko/Bio/Klimaangstthemen sowie von Multikulti-Straßenfesten im Lehrer- und Sozialpädagogen-Kiez ist die Mopo ungeschlagen, ebenso beim Schlechtreden von Industrieansiedlungen oder Kraftwerksbauten. Kritik übt die Mopo zuvörderst nicht an den in der Hansestadt hoch aktiven „linksautonomen“ Schlägertrupps, sondern an der Polizei, die gegen die kriminelle Krawallszene manchmal unter Lebensgefahr vorgehen muss. Als Top-Thema, das am vergangenen Freitag die gesamte Seite eins belegte, musste das Skandälchen herhalten, dass neuerdings ein Laden in der Innenstadt Klamotten der Marke Thor Steinar verkauft, die bei Rechtsradikalen beliebt sind. Ein Thema, heiß wie der Reichtagsbrand.

Kurz, es ist Mission impossible, das Blatt zu reanimieren. Nicht einmal (beziehungsweise schon gar nicht), wenn man noch mehr Leute entlässt oder wenn man bestimmt Ressorts billig in Berlin produzieren ließe. Wenn es die Mopo dereinst nicht mehr gibt, wird man sie aber doch vermissen. Und sei es nur wegen der vielen lustigen Fickanzeigen. Auch der Internet-Auftritt ist sehr sexy. Klicken Sie mal drauf!

http://www.mopo.de/erotik/index2.html

 

Sie lesen gern Achgut.com?
Zeigen Sie Ihre Wertschätzung!

via Paypal via Direktüberweisung
Leserpost

netiquette:

Leserbrief schreiben

Leserbriefe können nur am Erscheinungstag des Artikel eingereicht werden. Die Zahl der veröffentlichten Leserzuschriften ist auf 50 pro Artikel begrenzt. An Wochenenden kann es zu Verzögerungen beim Erscheinen von Leserbriefen kommen. Wir bitten um Ihr Verständnis.

Verwandte Themen
Wolfgang Röhl / 19.04.2024 / 06:00 / 72

Künstliche Intelligenz vs natürliche Dummheit: Wer siegt?

Mainstream-Journalisten fürchten, dass ihre Jobs durch KI entbehrlich werden. Zu Recht. Die herrschende Meinungseinfalt können auch Maschinen bewerkstelligen. Doch ein paar Journos werden an Medienbord…/ mehr

Wolfgang Röhl / 03.03.2024 / 10:00 / 68

Ist Peak Woke schon erreicht?

Zeitgeist-Buster Alexander Wendt (Foto oben) untersucht, wie es zum Aufstieg der Moralbourgeoisie und ihrer Glaubenssätze kommen konnte. Und ob der Scheitel der Erwecktenschwemme mittlerweile überschritten ist. Wer…/ mehr

Wolfgang Röhl / 08.02.2024 / 06:00 / 119

Anständigenaufstände: Zwischen Sebnitz und Potsdam

Kampagnen von Medien und Parteien gab es schon immer. Gerne gegen Rechts. Aber manche Kreuzzüge entpuppten sich rasch als haltlose Flops. Eine Blütenlese im Dschungel der Empörungskulturen. „Eine…/ mehr

Wolfgang Röhl / 26.01.2024 / 06:15 / 53

Der „Putin-Schleimer“ und andere lupenreine Experten

Ein von der ARD gepriesener „Russland-Experte“ hat von dort viel Geld kassiert. Auch bei anderen Themen und Medien werden lupenreine Lobbyisten als „unabhängige Fachleute“ präsentiert.…/ mehr

Wolfgang Röhl / 17.12.2023 / 10:00 / 56

„Mikroaggression“: 50 Jahre Bullshit-Bingo

Während auf Straßen und in Schulen reale Gewalt explodiert, gehen akademische Linksradikale mit einem verstaubten Gewaltkonstrukt auf Weißen-Bashing. Mittels sogenannter Mikroaggressionen würden angeblich Marginalisierte ausgegrenzt,…/ mehr

Wolfgang Röhl / 02.12.2023 / 06:15 / 81

Den Schuss nicht gehört. Deutschland im Krimiwahn

Ohne Krimi geht der Deutsche nie ins Bett. Verrückt: Je stärker die reale Kriminalität steigt, desto lieber lassen sich Menschen von fiktiven Krimistoffen oder Podcasts…/ mehr

Wolfgang Röhl / 30.10.2023 / 06:00 / 61

Umfrage: Glanz und Elend der deutschen Journos

Endlich durch eine Studie bewiesen: Journalisten sind viel besser als ihr Ruf. Sie vermitteln das Geschehen unparteiisch anhand verlässlicher Quellen, befähigen Menschen zur Meinungsbildung, beleuchten…/ mehr

Wolfgang Röhl / 09.10.2023 / 06:00 / 49

Fernsehen: Wenn die Weltrettung zum Flop wird

Der Bundesverdienstkreuzträger, Planetensanierer und Corona-Fanatiker Dirk Steffens verwurstet bei RTL die einstige Edelmarke GEO zu einem albernen Öko-Brei. Die gute Nachricht: Seine Show geht geradewegs den Quotenbach…/ mehr

Unsere Liste der Guten

Ob als Klimaleugner, Klugscheißer oder Betonköpfe tituliert, die Autoren der Achse des Guten lassen sich nicht darin beirren, mit unabhängigem Denken dem Mainstream der Angepassten etwas entgegenzusetzen. Wer macht mit? Hier
Autoren

Unerhört!

Warum senken so viele Menschen die Stimme, wenn sie ihre Meinung sagen? Wo darf in unserer bunten Republik noch bunt gedacht werden? Hier
Achgut.com