Aus dem deutschen Qualitätsjournalismus ist die weiland SPD-eigene Hamburger Morgenpost wahrscheinlich überhaupt nicht wegzudenken. Flankiert von spritzigen Inseraten („Alt, aber geil. Oma braucht es immer noch“) kann man in ihr alle möglichen Schnurren finden, die andere, arrogantere Blätter nicht für berichtenswert halten. In der Mopo wird einfach alles gedruckt! Muss der Polizeireporter einen neuen Ausweis beantragen und wird dabei festgestellt, dass seine Augenfarbe eine andere ist als die, die in seinem alten Ausweis steht, so rauscht das sofort ins Blatt…
Die Mopo ist auch ein spannendes edukatives Experiment, nämlich die einzige deutsche Zeitung, die fast ausschließlich von gesamtideellen Azubis und solchen, die es werden wollen, redigiert wird. Kein Schwein geht freiwillig zur Mopo. Längst von der SPD verhökert, ist sie nach etlichen Besitzerwechseln bei der BV Deutsche Zeitungsholding gelandet, deren Besitzer, die Heuschrecke Montgomery, seine Spar-Garrotten immer enger zieht.
Was für ein jammervolles Ende. 1949 von der SPD als „Hamburger Echo“ gegründet, war sie zehn Jahre später auf dem Zenith ihrer Auflage und verkaufte stolze 450 000 Exemplare. Ihre Redakteure konnten gar nichts falsch machen, denn die Zielgruppen – Sozialdemokraten, Gewerkschaftler und deren Umfeld – kauften das SPD-Blatt automatisch; schon deshalb, weil es die einzige Tageszeitung war, die nicht zum Springer-Verlag gehörte. Die Lektüre der „dümmsten Zeitung der westlichen Welt“, wie sie, glaube ich, Hermann Gremliza mal genannt hat, war ein Statement, um das man in Hamburg nicht herum kam, wollte man nicht als reaktionäres Arschloch gelten.
Und sie hatte ja auch knorrige Typen als Chefredakteure, deren Gepolter man immer wieder gerne las, wie Heinrich Braune oder das Urgestein Wolf „Hecki“ Heckmann. Doch das Milieu der typischen Sozis zerbröselte im Laufe der Jahrzehnte, und mit ihm die Treue zur Mopo. Dann fummelten Leute wie Wolfgang Clement und Mathias Döpfner erratisch am Blatt herum, und von da an ging´s endgültig bergab. Heute liegt ihre gemeldete Auflage bei 110 000 Exemplaren oder so. Wenn die Zahl denn annährend stimmt.
Mit weitem Abstand, uneinholbar, führt Bild-Hamburg auf dem Boulevard. Das Dilemma der Mopo ist, dass die Bildzeitung in ihrer populistischen Verschlagenheit die klassischen sozialdemokratischen Neidthemen, wie das Gemecker gegen „Reiche“ und „Abzocker“, die Wut auf Strom- und Ölkonzerne und das Gejammer der „kleinen Leute“ über wirkliche und angebliche Ungerechtigkeiten, viel besser abdeckt als die tutige Mopo. Der bleibt nur mehr ein gerupfter Themenstrauß übrig. Welcher für Hamburgs Grünen-Wähler attraktiv sein mag, nicht aber für die einstige Klientel, die abhängig Beschäftigten der unteren Lohngruppen.
Beim Hochjazzen von Schwulenparaden und Öko/Bio/Klimaangstthemen sowie von Multikulti-Straßenfesten im Lehrer- und Sozialpädagogen-Kiez ist die Mopo ungeschlagen, ebenso beim Schlechtreden von Industrieansiedlungen oder Kraftwerksbauten. Kritik übt die Mopo zuvörderst nicht an den in der Hansestadt hoch aktiven „linksautonomen“ Schlägertrupps, sondern an der Polizei, die gegen die kriminelle Krawallszene manchmal unter Lebensgefahr vorgehen muss. Als Top-Thema, das am vergangenen Freitag die gesamte Seite eins belegte, musste das Skandälchen herhalten, dass neuerdings ein Laden in der Innenstadt Klamotten der Marke Thor Steinar verkauft, die bei Rechtsradikalen beliebt sind. Ein Thema, heiß wie der Reichtagsbrand.
Kurz, es ist Mission impossible, das Blatt zu reanimieren. Nicht einmal (beziehungsweise schon gar nicht), wenn man noch mehr Leute entlässt oder wenn man bestimmt Ressorts billig in Berlin produzieren ließe. Wenn es die Mopo dereinst nicht mehr gibt, wird man sie aber doch vermissen. Und sei es nur wegen der vielen lustigen Fickanzeigen. Auch der Internet-Auftritt ist sehr sexy. Klicken Sie mal drauf!
http://www.mopo.de/erotik/index2.html