Rainer Bonhorst / 11.02.2016 / 10:30 / 3 / Seite ausdrucken

Also, dieser Bernie Sanders hat doch was

Ich kann mir nicht helfen, aber ich habe eine Schwäche für Bernie Sanders. Dabei wäre ich gar nicht seine Zielgruppe, selbst wenn ich einen amerikanischen Pass hätte. Der 74jährige Überraschungs-Star der Demokraten ist ja der Liebling der Jugend. In New Hampshire haben die demokratisch gesonnenen Jungen ihn zu 80 Prozent gewählt. Und nicht nur die jungen Männer. Bernie, der alte Knabe, hat der ersten Frau, die echte Chancen hat, amerikanische Präsidentin zu werden, auch noch die Mädels und die jüngeren Frauen abspenstig gemacht. Für Hillary Clinton blieben nur die älteren Damen und Herren. Was für eine Pleite für die ehemalige First Lady.
 
Was ist der Reiz des alten Mannes, der, wenn er es ins Weiße Haus schaffen sollte, bei Dienstantritt deutlich älter wäre als Ronald Reagan? Mehr noch: Der Sohn jüdischer Einwanderer aus Polen, wäre auch älter als unser eigener Konrad Adenauer, der mit 73 Deutschlands erster Kanzler wurde. Aber was heißt das schon. Wenn man bedenkt, wie lange sich Konrad Adenauer im Amt hielt, dann hätte ein Präsident Sanders allemal das Zeug, wenigst eine Vierjahres-Strecke zu schaffen und selbst zwei wären durchaus möglich. Er wäre dann beim Abschied 83 Jahre alt. Adenauer war 87, als er ging. Da könnte Bernie Sanders sogar noch eine dritte Amtszeit dranhängen, wenn die Verfassung das zuließe.
 
Ein Sozialist im Weißen Haus. Das wäre doch mal etwas ganz Verwegenes. Gegen das, was Sanders an Revolutionärem verspricht, wäre der New Deal, mit dem Franklin D. Roosevelt vor dem Krieg für mehr soziale Gerechtigkeit in Amerika gesorgt hat, ein linder Reformhauch. Wenn schon, denn schon, sagt sich Sanders und könnte sich beim linken Flügel der SPD durchaus zu Hause fühlen. Selbst Sara Wagenknecht könnte sich zu einem Flirt verwandter Seelen mit dem alten Herrn hinreißen lassen. Es ist wie bei den 68ern in Frankfurt und Berlin, als ergraute Philosophen und Professoren die intellektuelle Jugend Deutschlands zu Begeisterungsstürmen und allerlei Verrücktheiten animierte. Der Ärger über das „Establishment“ ist unter Sanders Anhängern so groß wie damals bei der Apo.
 
Also Revolution in Amerika? Nein, sicher nicht. Man kann so fröhlich über Bernie Sanders spekulieren, weil es so unwahrscheinlich ist, dass die Sache problematischer Ernst wird. Demnächst in South Carolina hat es Hillary Clinton nicht mehr nur mit frustrierten weißen Angelsachsen zu tun sondern mit jeder Menge Afroamerikaner und Hispanics. Und das sind ihre Leute. So heißt es jedenfalls hoffnungsfroh im Clinton-Camp. Und so sieht es wohl auch aus.
 
Allerdings müsste die Frau endlich mal die Frauen für sich gewinnen. Aber viele Frauen mögen sie nicht. Dass sie selber eine ist, hilft ihr nicht über die lästige Tatsache hinweg, dass sie eben auch eine Clinton ist. Und von den Clintons haben viele Amerikaner einfach genug. Dabei ging es ihnen unter Bill Clinton so gut wie schon lange nicht mehr. Aber eine Abneigung, die aus dem Bauch kommt, ist schwer zu überwinden.
 
Und wie sieht es bei den zerstrittenen Republikanern aus? Läuft es etwa auf Donald Trump, den Sieger von New Hampshire hinaus? Der dürfte auf Dauer selbst den Republikanern zu unheimlich sein. Und sie haben im Hintergrund noch den einen oder anderen Kandidaten, der sich in der vernünftigen Mitte bewegt. Da ist ja nicht nur der Erz-Evangelist Ted Cruz. Da sind auch John Kasich, Jeb Bush und Marco Rubio, der mit seinen 45 Jahren auch optisch einen Generationskontrapunkt zu Sanders bildet. Drei berechenbare Männer.
 
Zwei von ihnen, Kasich und Bush, haben in New Hampshire gut genug abgeschnitten, um auf mittlerer Strecke den wilden Trump zu überholen und abzuhängen. Auch Rubio ist noch nicht verloren. Allerdings leidet Jeb unter dem Namen Bush fast so sehr wie Hillary unter dem Namen Clinton. Kasich, der Gouverneur von Ohio und Sohn eines Postboten, ist ein maßvoller Mann, der im letzen Jahr in seinem Staat ein Dutzend Hinrichtungen auf unbestimmte Zeit verschoben hat. Zu maßvoll für die Republikaner oder am Ende doch der Richtige, weil Aussichtsreiche?
 
Die Demokraten werden sich zwischen dem radikalen Bernie Sanders und der wenig charmanten, tief im Establishment verwobenen Hillary Clinton entscheiden müssen. Sollte sich auf der anderen Seite im Sommer einer wie John Kasich durchsetzen, dann könnte es trotz der verrückten Streitereien im konservativen Lager ein echtes, enges Rennen zwischen Demokraten und Republikanern geben.
 
Es bleibt also spannend. Und ich bleibe bei meiner Schwäche für Bernie Sanders, vorausgesetzt, er wird es nicht.
 

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Renate Pilsner / 12.02.2016

Sanders wäre eine Katastrophe für das US Konsensmodell - sofern es noch lebt. Er wäre sogar bei weitem schlimmer als Trump, der unter der Glitzeroberfläche ein kleinbürgerlicher Demokrat ist. Sanders steht für die Generation der vom Boden abgehobenen Generation an Progressiven, die meinen, sie könnten sich die Welt gut wünschen und dann wirds auch so. Also nicht allzu entfernt von dem, was unsere Linksbewegten so machen. Obamacare ist schon eine Katastrophe, aber die Aussage von Sanders, wonach Krankenversicherung ein Menschenrecht sei dreht den Konsens in den USA völlig um. Bestes Beispiel für den US-Konsens waren die geplanten Second Bill of Rights von Roosevelt mit denen er nicht durchkam. Am Ende hiess der Kompromiss mit den Republikanern unter anderem G.I. Bill. So bekommen Soldaten, die 3 Jahre gedient haben ein Unistipendium und eine Krankenversicherung. Dies entsprach den Werten der USA weit mehr als ein durchorganisierter öffentlicher Sozialstaat. Das Motto dafür lautete: Beweise, dass du die Investition wert bist (mit der Dienstverpflichtung) und du bekommst, was du brauchst. Wären die heutigen Demokraten interessiert an einem Ausgleich mit den Republikanern, sie würden das Gelabere vom skandinawischen Modell lassen und die G.I. Bill Regelungen erweitern. Etwa mit einer 18-Monate Dienstverpflichtung (gerne auch bei der Nationalgarde oder im Zivilschutz), womit man am Ende in die Militärkrankenversicherung aufgenommen wird. Und die auf ein drittes Jahr verlängert werden kann für das Stipendium. Das würde dem Land mehr helfen und es nicht zerreissen, wie es momentan geschieht. Der mit Abstand beste Sozialarbeiter in den USA ist noch immer der Rekrutierungsoffizier der an armen High-Schools den jungen Leuten die Aufstiegsmöglichkeiten aufzeigt und dabei nicht vergisst, sie in Karrieren zu bringen, die weit weg vom Schlachtfeld liegen. Der Weg von der Unter- in die US-Mittelschicht, er führt in den USA fast schon klassisch über den Militärdienst. Wer mal in Kontakt mit GIs kommt, die in Deutschland stationiert sind wird das schnell bestätigt bekommen. Die unteren Ränge sind fast durchgehend besetzt von armen schwarzen Jungs aus den Ghettos von Georgia, Detroit etc., sowie Latinos aus dem Süden und Westen. Die Linken wollen das nur (leider) nicht begreifen.

Andreas Stadler / 12.02.2016

Einen Kandidaten der Republikaner haben Sie vergessen: Der afro-amerikanische Neurochirurg Dr. Ben Carson. Er ist der netteste und vernünftigste Republikaner, den ich je gesehen habe. Leider fehlt es ihm bis jetzt an Angriffslust auf der Bühne. An Witz und Verstand fehlt es ihm aber nicht.

Paul H. Ertl / 11.02.2016

Die schreibende Zunft in Deutschland neigt dazu, Ted Cruz zu unterschätzen. Mal davon ab, daß er Verfassungsrechtler ist, der - im Gegensatz zu Obama, der nicht einmal einen einschlägigen Artikel in der Uni-Zeitung veröffentlicht hat - mehrere Auszeichnungen der amerikanischen Justizminister für seine Argumentation vor dem Supreme Court erhalten hat, ist sein Hauptanliegen mitnichten die Durchsetzung “evangelikaler” Werte (was - nebenbei - weder dem Präsidenten noch dem Kongreß zusteht), sondern die Revitalisierung Amerikas; seine wirtschaftlichen und steuerpolitischen Vorstellungen kann man durchaus als libertär angehaucht bezeichnen. Insofern ist es gut möglich, daß die Anhänger Rand Pauls am Ende für ihn stimmen. Seine Wahlkampfstrategie ist völlig anders als die Rubios. Cruz glaubt, daß er gewinnen kann, wenn er “seine” Basis hinreichend mobilisert, Rubio möchte gerne in der “Mitte” fischen. Wer immer sich in den - zum Teil ja offenen - Vorwahlen durchsetzt, hat wahrscheinlich auch die besseren Chancen am 8. November.

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