Von Jörg Schneidereit.
Wir haben die Pläne geändert – und uns für noch eine Woche Exil entschieden. Nun führen wir nicht nur im sprichwörtlichen Sinn ein Inseldasein: Dem sonnigen, entrückten Eiland Hvar haben wir uns ergeben – hier sind wir freiwillig gestrandet. Schon morgens, beim ersten, noch verschlafenen Blick über die Brüstung der Terrasse, wölbt sich der tiefblaue Himmel über das kleine, uralte Hafenstädtchen, dessen Gassen, Türme und schneeweiße Steinfassaden uns nach bereits einer Woche schon vertraut und heimelig geworden sind.
Der Wohlklang der Glocken, die ersten Laute von Geschäftigkeit, das Gelächter der Möwen, das Horn der ein- und auslaufenden Fähren gen Split bilden eine fast hypnotisierende Klangkulisse, die den visuellen Genuss der vor uns ausgebreiteten Schönheit zur Gänze vollendet. Alle Farben wirken transparent und fluoreszierend, die Luft ist wie aus Glas. Wäre ich Maler, könnte ich mich nicht von Pinsel und Leinwand trennen – aus solcherlei Unvermögen aber muss ich es beim Schreiben belassen.
Und beim Lesen. Es ist frappierend: Die Nachrichten aus Deutschland wirken von hier aus von Tag zu Tag grotesker, schildbürgerartiger und wahnhafter. Ich lese sie, sehe all die Bilder und Videos – doch mein Gehirn spielt mir bisher nie gekannte Streiche.
Deutsche Ostseeküste: Menschenleer
Filmsequenzen des Kalibers Rainer Werner Fassbinder und Monty Python schießen mir durch den Kopf und vermischen sich zu einer Melange aus Slapstick, Horror und Melodram. Eine große Portion Kafka paart sich mit Roald Dahl, umrahmt von mittelalterlichen Endzeitvisionen, inklusive sich blutig peitschender Flagellanten und brennender Scheiterhaufen. Dazu schreit ein rasender Louis de Funès: „Ich bin des Wahnsinns kesse Beute!“
Meine Reisegefährtin indes ermahnt mich zum Entspannen und Abschalten, natürlich hat sie recht damit. Dennoch gelingt mir die nötige Nonchalance nur sehr defizient.
Ein Facebook-Freund schickt gerade Bilder von Usedom. Deutsche Ostseeküste. Menschenleere Strände, verwaiste Uferpromenaden, Tristesse unter blauem Himmel, so weit das Auge reicht. Es ist zum Heulen.
Woanders in Deutschland kesselt eine Hundertschaft Polizei in Kampfmontour und bis an die Zähne bewaffnet, eine Gruppe Frauen ein, die sich (Achtung:) MASKENLOS und ILLEGAL an einem Brunnen einer deutschen Stadt aufhalten.
Die 75-jährige Mutter meiner Reisegefährtin ruft uns unter Tränen aus Sachsen an, nachdem sie gestern, radelnd auf dem Elbdamm, von der Polizei verfolgt und vom Fahrrad geholt wurde. „Nichteinhaltung des Sicherheitsabstandes zu anderen Fahradfahrern“ – so die Begründung. Absurdistan – Wonnemonat Mai, 2021.
Diskrepanz zwischen Lügenmedien und der Realität
Und hier im kroatischen Hvar derweil? Die Cafés und Restaurants bersten aus allen Nähten, bis tief in die Nacht ist Feierstimmung unter Palmen. Menschen singen lauthals zu den aktuellen kroatischen Hits, deren Beats aus den Anlagen der Clubs über die Riva schallen und mit den Privatparties auf den Achterdecks der beleuchteten Yachten konkurrieren. Der Duft von auf Holzkohlefeuern gegrilltem Fisch und Cevapcici liegt verführerisch in der milden Abendluft, im Schein der Laternen küssen sich die Pärchen, irgendwo ploppt ein weiterer Weinkorken aus einer guten Flasche. Auf dem T-Shirt eines Zeitgenossen lese ich im Vorübergehen „Life is good!“. Recht hat er, der Mann.
Unsere kroatischen Freunde sind gerade für ein paar Tage geschäftlich nach Deutschland gereist, wir haben hier auf Hvar ihre Ferienwohnung übernommen. Heute Morgen ihr Anruf aus dem deutschen Covid-Reich: Keine Kontrollen an den drei Grenzen. Niemand wollte C-Tests oder dergleichen sehen. Nichts. Die Diskrepanz zwischen den Lügenmedien und der Realität ist schlichtweg ungeheuerlich.
Den deutschen Wahn empfinden sie als die Hölle. Sie versuchen, die Zeit dort so kurz zu halten, wie es irgend geht – und umgehend nach Kroatien zurückzukehren.
Schlimme Nachrichten gibt es jedoch auch von hier. Vor drei Tagen starb Milo in Zagreb. Er war der beste Freund des Vaters von Mariella, unserer hiesigen kroatischen Freundin. Er starb an einer Hirnvenenthrombose – 5 Tage, nachdem er seine Covid-19-Impfung erhielt. Er war 60 Jahre alt und kerngesund. Mariellas Vater ist am Boden zerstört – und wir alle sind es gerade ebenso.
Auch hier gibt es selbstverständlich (gesunde!) Menschen, die glauben, sich durch diese sinnlose und vollkommen überflüssige Impfung Freiheit und Sicherheit zurückkaufen zu können. Milo glaubte dies ebenso. Jetzt ist er tot.
Sinnieren über diese seltsame Zeit
Vor ein paar Tagen las ich (unter etwa 50 ähnlich erschreckenden Artikeln zu diesem Thema) eine Meldung: „Universität von Texas bestätigt, dass genomverändernde SARS-CoV-2 Impfungen innerhalb der nächsten 3 Jahre zum Tod führen.“ Eine zu reißerische Schlagzeile? Mag sein oder auch nicht. Und ist wie vieles im Moment schwer nachprüfbar. Doch darauf lapidar zu entgegnen: „Mal abwarten“ –, hört sich für mich, angesichts der aktuellen Geschehnisse, wie abscheulicher Sarkasmus an …
Jeder darf und soll tun, was ihm das Richtige dünkt. Mir liegt es fern, zu missionieren. Von mir aus darf sich jeder gern wegen eines Virus mit 99,7-prozentiger Überlebensrate diverse experimentelle und unerprobte Impfstoffe spritzen, für die kein Hersteller jemals in Haftung geht. Als Skeptiker (jedoch primär Impf-Befürworter) lasse ich mich von derlei Draufgängern auch mit stoischer Contenance als Spinner bezeichnen.
Wie dem auch sei: Niemand von uns, die wir hier gemeinsam diesen unnötigen und sinnlosen Tod betrauern, wird sich jemals dieses Gift injizieren lassen – und wenn wir Outlaws werden, bis zum Ende unserer Tage. Es gibt Dinge, die sind tabu. Für alle Zeiten.
Nun sitzen wir hier bereits den fünften Tag in unserer kleinen, geheimen Bucht mit dem unwirklich leuchtenden, türkisblauen Wasser, den schneeweißen Steinen und der vorgelagerten Märcheninsel mit dem Leuchtturm – und sinnieren über diese seltsame Zeit. Ich schreibe diese Zeilen bei Meeresrauschen, in freiheitsliebender Gesinnung – und doch mit einer großen Portion Wehmut. Ein Stück weit fühlt sich hier auf Hvar alles tatsächlich an wie das eingangs erwähnte Exil – erinnert es mich doch unwillkürlich und ein wenig schmerzvoll an jenes kleine, mir so vertraute Fischerdorf Sanary-sur-Mer an der südfranzösischen Küste, welches nach dem Ersten Weltkrieg von Intellektuellen, Künstlern und Schriftstellern aus Europa als Urlaubs- und Wohnort entdeckt wurde.
Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten 1933 entwickelte sich jener winzige Ort zur „Hauptstadt der deutschen Literatur“, wie Ludwig Marcuse es formulierte. „Wir wohnten im Paradies – notgedrungen“, fasste Marcuse in seinen Erinnerungen die Lage der Exilanten pointiert zusammen. Arnold Zweig, Bertolt Brecht, Lion Feuchtwanger, Stefan Zweig und Thomas Mann waren hier Dauergäste. Doch waren es Klaus und Erika Mann, die ich persönlich vor allen anderen in mein Herz geschlossen habe. Ihr kleines „Buch von der Riviera“ ist für mich bis heute eine inspirierende Perle der Exil-Literatur geblieben.
Werden wir es in wenigen Tagen schaffen, die Koffer zu packen und unserem verborgenen adriatischen Kleinod den Rücken zu kehren? Ich weiß es noch nicht – oder will heute noch nicht darüber nachdenken. Koinzident und seltsam schicksalhaft verweist der Name „Hvar“ schließlich auf das griechischen „Pharos“ – und Pharos bedeutet Leuchtfeuer oder Leuchtturm, wie ich hier lernte. Und so bleibt für mich diese Perle am Ufer der dalmatinischen Küste nicht nur Schatz, Exklave sowie geheime Zuflucht – sondern über alle Maßen ein Leuchtfeuer der Freiheit in diesen finsteren, psychotischen und für uns alle ungewissen Zeiten.
Dieser Beitrag erschien zuerst auf Jörg Schneidereits Facebook-Seite.
Teil 1 finden Sie hier.
Jörg Schneidereit, geb. 1968 in Jena, ist seit rund 25 Jahren freiberuflich als Schmuckdesigner, Fotograf sowie Restaurator ehrwürdiger, historischer Gebäude in Irland und Deutschland tätig. Nach 15 Jahren auf der grünen Insel lebt er nun auf einem 600 Jahre alten, selbst restaurierten Hof nahe Jena.