Bei allem Verständnis für die Türken, die beim Referendum mit nein gestimmt haben: Ich mache keinen Urlaub in einem Land, dessen Gefängnisse mit politischen gefangenen überfüllt sind. Der “West”- Kaffee war es nicht. Es war die gemeinsame Nation. Und Gorbatschow.
Schön das die lieben Kurden mit Nein gestimmt haben, deshalb sind gerade diese aber noch lange nicht Integrationsweltmeister, oder?
Ich weiß nicht ob Türkei Reisen weiterhin “in” sind. Ich kenne einige Menschen, die einen weiten Bogen um das Land machen. Ich war und bin noch nie ein Anhänger für Türkei Reisen. Ich liebe Griechenland. Wenn man nicht mit einer Reisegesellschaft fährt, so wie ich lernt man Land und Leute wirklich kennen. Die Griechen sind gastfreundlich und vor allem nicht aufdringlich. Die Landschaft, die vielen Inseln, einfach herrlich.
Ich war schon vor 30 Jahren bei meinen ersten Türkei-Reisen in die Gegend von Izmir total platt, dass die dortigen Türken überhaupt nicht gut auf ihre in Deutschland lebenden Landsleute zu sprechen waren. Sie entschuldigten sich sogar ständig bei mir für diese “schrecklichen Provinzler” und ich möge ja nicht denken, dass diese “hinterwäldlerischen Kopftuchträgerinnen” die Türkei repräsentierten. Jedenfalls nicht die Türkei, wie sie sie sich vorstellten. Viele dieser jugendlichen Türken besaßen einen trockenen Humor und überboten sich gegenseitig mit Bemerkungen, die für Patrioten unter “Beleidigung des Türkentums” gefallen wären. Dazu floss Raki, genannt Löwenmilch, in Strömen und es waren lustige Abende, die genauso gut in Italien oder Frankreich hätten stattfinden können. Religion war überhaupt kein Thema, und zwischen jungen Männern und Frauen herrschte das in Europa übliche kameradschaftliche Verhältnis. Viele Eltern, auch solche, die nicht zur Oberschicht gehörten, aber in Cesme oder Izmir mit ihrem Hotel oder ihrem Restaurant gutes Geld verdienten, schickten ihre Kinder zum Studieren nach England oder USA. Diese Türken schüttelten nur den Kopf darüber, dass ihre in Deutschland lebenden Landsleute auf ihrem niedrigen Bildungsstand verharrten und nicht die Chance ergriffen, ihre Kinder am deutschen Bildungssystem, das sie bewunderten, teilhaben zu lassen. Als ich aus der Türkei zurückkam, habe ich vieles anders gesehen und mich seitdem geweigert, die türkischen Migranten ständig als arme Opfer unserer fiesen deutschen Gesellschaft zu sehen, denen angeblich “Bildung und Teilhabe” verweigert würden. Sie sind vielmehr Opfer ihrer eigenen inneranatolischen Weltsicht. Dass Claudia Roth diesen Blödsinn von der bösen deutschen Ausgrenzung wie eine Monstranz vor sich her trägt, finde ich um so verlogener, weil sie es als Türkei-Kennerin eigentlich besser wissen müsste.
Wahrscheinlich wäre den Türken die tiefe Spaltung ihres Landes erspart geblieben, wenn man, wie andernorts, auf eine 2/3-Mehrheit für eine Verfassungsänderung bestanden hätte. So etwas hat doch seinen guten Grund, wie man sieht..
Eine kleine Korrektur zu diesem insgesamt sehr überlegenswerten und menschlichen Artikel. In den Wahllokalen der DDR standen sehr wohl Wahlkabinen, nur dass sehr genau hingeschaut wurde, wer sie benutzte. “Politisch korrekt” (das hies damals natürlich anders) war es, den Wahlzettel in Empfang zu nehmen, sichtbar interessiert durchzulesen, einmal andächtig zu falten und unter demonstrativer Meidung der Kabine schnurstracks in die Urne zu werfen. Ich habe mir Anfang 89 zur Kommunalwahl (dem endgültigen Sargnagel des Regimes, da alle wuussten, dass alle wussten, wie da - eigentlich unnötigerweise - gefälscht wurde) das diebische Vergnügen gegönnt, in die Kabine zu gehen und mich dann an den pflichtgemäss entsetzt-angewiderten Physiognomien der Wahlkommission zu ergötzen und das Lokal mit einem unerwiderten “Schönen Tag noch” zu verlassen.. Wie mir mein damaliger “Chef” dann später erzählte, war dieses mein Verhalten dann auch Thema in den “gesellschaftlichen Leitungsgremien” des Institus. Allerdings hielt damals mein Chef bewundernswert stoisch seine Hand über solche “Chaoten” wie mich, da er klug genug war, die Zusammenhänge zwischen unangepasstem Verhalten und Kreativität zu kennen. Zu touristischen Besuchen in der Türkei würde ich noch bemerken wolllen, dass auch die Besuche von Westlern in der Vorwende-DDR eine nicht geringe Beispielwirkung hatten (schon wenn wir neidvoll sahen: “Die dürfen hin, wo sie wollen”) und viel zur Wendestimmung beigetragen hat. Das klappt natürlich nur, wenn die Bundesrepublik dieses leuchtende Beispiel bleibt und nicht durch repressive Tendenzen ihre demokratische Anziehungskraft verliert.
Eine interessante Sichtweise. Obwohl deckt sich auch mit meinen Erfahrungen. Ich besuche manchmal ein Internetcafe, dass von einem Türken geführt wird. Ganz schlau bin ich aus ihm noch nicht geworden, nur dass er Erdogan für einen Schwächling hält und extrem rechte Positionen vertritt. Besonders religiös scheint er nicht zu sein, so dass ich ihn eher als einen Anhänger Atatürks sehe. Zumindest wenn ein Anschlag in der Türkei ist gehe ich zu ihm hin und weiß dann nach wenigen Minuten wer die Attentäter waren und ihre Beweggründe. Im Fernsehen wird es dann in der Regel ein paar Tage später bestätigt oder unterdrückt. Je nach politische Lage. Ne, der Mann hat ausgezeichnete Beziehungen zu den rechten, nicht religiösen Gruppen in der Türkei. Und mit seinen Landsleuten geht er hier in Deutschland auch ziemlich hart ins Gericht. Er ist zwar ein extrem nationalistischer Türke, aber vielleicht hat er auch deswegen eine gewisse Zuneigung zur AfD. Wir müssen auf jeden Fall wieder unseren Nationalstolz finden (seine Rede) um wieder glaubhaft und in der Welt ernst genommen zu werden. Früher hatte die >Welt Angst vor dem deutschen Militarismus, jetzt vor dem deutschen Gutmenschtum und Pazifismus. Inhaltlich ist alles gleich. Vom deutschen Wesen soll die Welt genesen.
Ihre auf Verständnis und Sympathie für das Wahlergebnis abzielende (Psycho-)Analyse der türkischen Mentalität in toto ändert leider nichts an dem Umstand, dass ich als “schon länger hier Lebender” weder dem in der Türkei sich nicht wohlfühlenden Türken, noch dem sich in Deutschland ganz offensichtlich auch nicht wohlfühlenden Türken meine “Westpakete” schicke, also hier und dort nichts investieren werde. Ich fahre ja schließlich auch nicht nach Nordkorea, um dort sich unwohl fühlenden Hoteliers zu helfen. Nicht immer muss am deutschen Wesen die Welt genesen ...
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