Hubert Geißler, Gastautor / 17.02.2024 / 14:00 / Foto: Pixabay / 12 / Seite ausdrucken

Neues vom Schrauber: „Dr Lampl macht zua!“

Von Hubert und Bernhard Geißler

Wenn die letzte Kneipe im Ort zumacht, dann geht die Welt nicht unter – aber ein wichtiger Teil davon. Wo will man jetzt noch hingehen, um seinen Frust loszuwerden? Zum Psychiater?

Heute Morgen verkündete mir mein Schrauberbruder eine wahrhaft bestürzende Nachricht. Die letzte eigentlich Bierkneipe unseres Heimatortes soll geschlossen werden. Seit wir denken können, gab es den Lampl, eine, sagen wir in manchen, besseren Kreisen eher übel beleumundete Kneipe, wo wir allerdings schon im Alter von 14 ohne weiteres unsere Halbe Bier bekamen, denn der „Lampl“ ließ keinen verdursten. Da wurde Karten gespielt, Zigarillos geraucht, geschimpft und „gekraget“, aber es waltete auch eine gewisse Toleranz: Wie gesagt, selbst uns „Langhaarigen“ wurde der Gerstensaft gereicht, sei es nun legal oder illegal. Fast alle Wirtschaften im traditionellen Sinne in unserer Heimatstadt sind aufgegeben worden, nur der „Lampl“ hielt die Stellung. Aber damit scheint es nun auch vorbei zu sein, und es verbleiben nur noch Restaurants der eher gehobenen Klasse; irgendwohin gehen und eine „Halbe“ trinken ist nicht mehr möglich.

Mein Bruder wittert eine Verschwörung und finstere Machenschaften. Vermutlich hat das Weltwirtschaftsforum klandestin beschlossen, die Strangulierung lampelartiger Etablissements voranzutreiben, natürlich um Zusammenrottungen missgelaunter älterer männlicher Weißer zu verhindern. Wo will man jetzt noch hingehen, um seinen Frust loszuwerden? Zum Psychiater? Auch nicht so einfach.

Eine Gemeinschaftsaktion war in unserem Städtchen noch der Montagsspaziergang, zwar mit zurückgehender, aber stabiler Teilnehmerschaft. Der Veranstalter meldete auch regelmäßig eine Demo gegen die momentane Regierungspolitik an. Man hielt Schilder und Transparente hoch und ging dann wieder nach Hause.

Das ging immer reibungslos, aber bei der letzten Anmeldung beim Landratsamt wurde verfügt, dass die Stadt für diese Demo Absperrungen aufstellen müsse und die Rechnung für diese Müheverwaltung ginge dann an den Veranstalter. Der meinte, die Absperrungen könnten „sie“ sich sonst wo hinstecken, dann würde man halt woanders demonstrieren. Mein Bruder meinte, man solle doch mal eine Demo gegen Rechts beantragen, dann gäbe es sicher noch Bratwürste umsonst.

Zum guten Schluss ein Zitat von Heinrich Heine: „Wo ihrer drei beisammen stehn, da soll man auseinander gehn. Des Nachts soll niemand auf den Gassen, sich ohne Leuchte sehen lassen. ... Wer auf der Straße räsoniert, wird unverzüglich füsiliert; das Räsonieren durch Gebärden soll gleichfalls hart bestraft werden. Vertrauet Eurem Magistrat, der fromm und liebend schützt den Staat durch huldreich hochwohlweises Walten; euch ziemt es, stets das Maul zu halten.“

Da hat sich wenig verändert seit Heinrichs Zeiten.

Hubert Geißler stammt aus Bayern und war Lehrer für Kunst/Deutsch/Geschichte. Er schreibt diese Serie zusammen mit seinem Bruder Bernhard Geißler. Der gehört zu den sogenannten Fachkräften, und Technikern, also zum gut ausgebildeten Teil der produktiven Arbeiterschaft, hier kurz „Schrauber“ genannt. Der arbeitet viel kommt aber selten zu Wort, was diese Serie ein wenig wettmachen will.

Foto: Pixabay

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Leserpost

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finn waidjuk / 17.02.2024

@Sam Lowry: sehe ich ganz genau so. Ob Edel-Restaurant, gutbürgerlicher Familienbetrieb, Italiener, oder eben die Dorfkneipe. Dort waren wir Ungeimpften zwei Jahre lang weniger erwünscht als ein bissiger Hund mit Flöhen. Können von mir aus alle weg. Pech gehabt, braucht niemand mehr.

Wolfgang Richter / 17.02.2024

@ Ralf Berzborn - “Wenn alle Bewohner ihres ehrenwerten Ortes zwier mal die Woche in die Kneipe gingen zwei Bier und ein Kölsch trinken würden , ..”—Das geht ja kaum noch, denn neben den “Corona-Aussperrungen” hängen ja vielerorts die Schilder über der Theke “Kein Kölsch für Nazis.”  Die Misere der “deutschen” Gastronomie ist halt vielfach selbst verschuldet. Und die ohne besagte Ausgrenzungen werden von Leuten betrieben, die altersentsprechend kurz vor dem Absprung stehen. Und beim “Türken” gibts idR kein Kölsch. Das wars dann.

Klaus Keller / 17.02.2024

Wenn die Kneipe zu ist kann man ja einen Spaziergang machen. Die Bewegung an der frischen Luft schadet bestimmt nicht. Wenn Sie auf die Idee kommen das beim Landratsamt anmelden zu müssen brauchen Sie doch erst den Psychiater. Tipp: Als Selbstzahler bekommen Sie eher einen Termin. Das klingt zwar nach Alltagsrassismus aber Diskriminierung in Verbindung mit Krötenwanderung zu potentiellen FDP Wählern, ist noch zulässig. Das Justizministerium ist auch für die GOÄ zuständig. Ich habe den Verdacht das es der FDP dort nur um die GOÄ geht. Ich finde das sich das Thema für eine Verschwörungstheorie eignet. vgl Gesetze im Internet : GOÄ

Joachim Willert / 17.02.2024

Kneipe zu ? Du bist süchtig , mein Freund . Nimm’ Dein ESS YOU WII , fahr auf die nächste Geschwindigkeit unlimitierte Autobahn und tritt noch einmal ganz kräftig auf das Gaspedal deines AMG Benz, bis es im Anschlag verklemmt. Du wirst es nicht bereuen.

Gisel Schinnerer / 17.02.2024

Auf meinem Schulweg, stadtauswärts, ging ich am Schmid, oft mit vierbeiniger Kundschaft, dem Milchladen und beim Bader vorbei , aber für uns Kinder war der Kolonialwarenladen wichtig, wegen der Süßigkeiten. Da ist man dann auch den männlichen Nachbarn und hie und da dem eigenen Vater begegnet, am Tresen gelehnt und vor sich einen Brand, die Kippe zwischen den Fingern. Die Diskussionen waren, je nach A-Pegel, eher lautstark. Sitzplatz war nicht nötig. Der ein oder andere Hund wedelte der Kundschaft freudig um die Beine, man kannte sich. Tante-Emma-Läden, Boazn und jetzt auch noch der “Lampl”, so gehts dahi. Später dann, haben die üblichen Verdächtigen, nach Feierabend beim Vater in der Werkstatt vorbei gschaut und wieder die Welt gerettet. Das wäre auch heute wieder eine Option, da jedoch fehlen halt die Finie, die zapfte Maß und der Obazde, aber auch die Kundschaft für solche einfachen Freuden ist wohl bald verschwunden ...

Sam Lowry / 17.02.2024

Offen gesagt: Ich feiere jeden geschlossenen Laden, der mich über 2 Jahre ausgesperrt hat. In diesem Leben keinen einzigen Cent mehr von mir…

Thomas Mueller / 17.02.2024

Ich vermisse schmerzlich eine Dorflinde bzw. Dorfkneipe als Form der Kommunikation. Hier gibt es auch keine mehr. Klar, wenn man überlegt, wieviele Gesetze und steuerliche Aspekte ein Wirt beachten müßte. Und nicht zuletzt verjagen die dadurch resultierenden Preise die männlichen, weißen Deutschen (m/w/d). Zweimal die Woche 2 Bierchen und ein Schnaps, das sind mehr als 100 Euro im Monat und da ist kein Trinkgeld dabei, dieses Geld hat heute keiner mehr übrig, das wandert in CO2-Gedöns.

Ralf Berzborn / 17.02.2024

Sehr geehrter Herr Geißler , liebe Schrauber , auch wenn`s mir schwer fällt dasWEF in Schutz zu nehmen , aber diesmal sind sie an der Kneipenschließung definitiv nicht schuld . Wenn alle Bewohner ihres ehrenwerten Ortes zwier mal die Woche in die Kneipe gingen zwei Bier und ein Kölsch trinken würden , dann hätten Sie demnächst zwei Pinnten im Ort , und glauben Sie mir ich weiß wovon ich rede . It`s economie , stupid

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