Gastautor / 13.05.2008 / 13:58 / 0 / Seite ausdrucken

Neue Deutsche Welle?

Von Jan-Philipp Hein
Aufregung bei der Deutschen Welle. Nachdem die Redaktion des DW-Portals „Qantara“ den Text eines Journalisten mit einer antisemitischen Begründung ablehnte, lässt der Intendant die Seite nach kritischen Inhalten durchforsten. Dass der Chefkorrespondent seit Jahren mit der iranischen Auslandspropaganda zusammenarbeitet, findet der Sender nicht problematisch. Jetzt schaltet sich die Politik ein…

Sie soll die weltweite Verbindung nach Deutschland sein. In 30 Sprachen sendet die Deutsche Welle (DW) rund um den Globus. Es geht um Kultur, Tagespolitik und die Bundesliga. Wer germanophil ist oder als Deutscher im Ausland Heimweh hat, ist beim Auslandssender richtig. Vor ein paar Jahren hat die DW eine besondere Verbindung in die islamische Welt aufgebaut. Nach den Anschlägen vom 11. September gründete sie ein Online-Portal namens Qantara, was arabisch ist und Brücke heißt. Zweck: Dialog. Neben der DW sind das Goethe-Institut, das Institut für Auslandsbeziehungen und die Bundeszentrale für politische Bildung Träger.
Jetzt hat die Vier-Mann-Redaktion einen Skandal produziert. Sie lehnte einen Text des israelisch-deutschen Journalisten Igal Avidan mit einer verquasten und antisemitischen Begründung ab. Es handelte sich um ein Porträt des aktuellen Preisträger der Buber-Rosenzweig-Medaille, Stef Wertheimer. Replik der Redaktion: Man werde den Text nicht bringen, „weil es ein jüdischer Preis ist, der an einen jüdischen Israeli vergeben wurde, der sich offen zum Zionismus bekennt, aber für sein Engagement für israelische Palästinenser ausgezeichnet wurde“. Man könne die Botschaft „herausdestillieren“, dass sich Zionismus und das Engagement für Palästinenser miteinander vereinbaren ließen. Der Redakteur hat Avidan jetzt geschrieben, dass er sich nur missverständlich ausgedrückt habe.
Der Vorfall in der kleinen DW-Redaktion hat auch den Intendanten der Deutschen Welle, Erik Bettermann, erreicht. „Wir entschuldigen uns für dieses Schreiben“, lässt er seinen Büroleiter, Ansgar Burghof, ausrichten. Man nehme den Vorfall auch zum Anlass, jetzt genauer hinzusehen und die Inhalte von Qantara zu durchleuchten. Mittlerweile ist Avidans Text erschienen.
Womöglich muss der Chef auch in der Kernredaktion genauer hinsehen. Seit Langem gibt der Chefkorrespondent der Deutschen Welle, Peter Philipp, dem deutschen Teil des iranischen Auslandssenders IRIB monatlich ausführliche Interviews. Das findet man beim der Deutschen Welle bisher nicht problematisch. Sprecher Berthold Stevens: „Die Deutsche Welle ist der Überzeugung, dass sie jedes Forum prüfen und gegebenenfalls nutzen sollte, um deutsche und europäische Positionen zu weltpolitischen Ereignissen, Krisen und Konflikten durch DW-Journalisten zu platzieren.“ Der Dialog mit Menschen in islamisch geprägten Ländern sei ein Schwerpunkt der Deutschen Welle.
„Reichlich naiv“ findet das der Medienwissenschaftler Norbert Bolz von der TU Berlin. Der Auslandssender des Iran sei ein Propagandainstrument des Regimes. „Hier lässt sich die Deutsche Welle als Feigenblatt missbrauchen“, so Bolz. Auch zum Programmschwerpunkt gibt es klare Worte: „Dieser Dialog ist einseitig.“ Die Gefahr sei groß, dass man sich zum Werkzeug machen lasse. „Nach der falschen Prämisse, dass alle Probleme durch Dialog zu lösen seien, gibt es keine Terroregime mehr, mit denen zu reden sich verbietet.“ Aus Sicht des Iran sei eine solche Partnerschaft mit der Deutschen Welle aber nützlich: „Man kann sich so gesprächsbereit zeigen, ohne dass es an den eigenen militanten Kern geht. Es gibt keinen Terror mehr auf der Welt, der nicht im weißen Hemd daher kommt.“ Diskurs sei das Alibi des Terrors.
Philipp redet dem IRIB-Interviewer zwar nicht nach dem Munde, doch wenn er beispielsweise sagt, dass der Iran mit dem Irak einen friedlichen Nachbarn haben wolle und deswegen nicht an den Unruhen dort beteiligt sei, fragt man sich, woher er diese Gewissheit nimmt. Von einem „unfreundlichen Akt gegenüber Iran“ spricht er, wenn es um die Sanktionen des UN-Sicherheitsrats geht. Kritik am Atomprogramm oder generell an der iranischen Führung hört man von Philipp nicht. Der IRIB-Moderator und er sind ein eingespieltes Team. Diskussionen und harte Auseinandersetzungen kommen nicht auf.
Peter Philipp auf Nachfrage: „Wenn ich das, was ich hier sage, auch im Iran sagen kann, und das ist die Spielregel, sehe ich darin kein Problem.“ Und so sieht er auch nicht das Problem, dass israelkritische Positionen eines deutschen Journalisten eines staatlichen Senders im iranischen Programm eine ganz andere Funktion haben als im Programm der deutschen Welle. So kann Philipp auch nicht nachvollziehen, was Bolz mit dem Feigenblatt meint: „Man soll die Dinge nehmen, wie sie sind, und nicht in irgendeinen Kontext stellen.“ Außerdem gebe es in Deutschland sowieso nur einige Fanatiker, die das deutsche Programm von IRIB hörten. Warum er von den Programmmachern so gerne vernommen wird, fragt er sich offenbar nicht.
Jetzt stellt auch der Vorsitzende des Kultur- und Medienausschuss im Bundestag, Hans-Joachim Otto, den Dialogkurs der Deutschen Welle in Frage: „Ich glaube nicht, dass die Strategie aufgeht“, sagt der FDP-Politiker zum arabischen Programm der Deutschen Welle. „Glaubt wirklich jemand, dass die Araber auf die Deutsche Welle gewartet hätten?“ Vor dem Hintergrund der Nahost-Dauerkrise spricht er auch von einem „Zielkonflikt“. Man müsse ja nicht nur Schwerpunkte setzen, sondern auch bestimmte Botschaften bringen. Deswegen befürchtet Otto israelfeindliche Positionen im arabischen Programm des deutschen Senders. „Bisher wissen wir nicht, was die Deutsche Welle im arabischen Raum veranstaltet.“ Auch die Zusammenarbeit des Chefkorrespondenten mit dem Iran sieht Otto kritisch: „Man muss prüfen, ob das im Sendeauftrag der DW liegt.“ Prinzipiell sei aber jede Form von Dialog auch eine Aufwertung eines diktatorischen Regimes.
Ähnlich sieht das der außenpolitische Sprecher der Union, Eckart von Klaeden. Ein Hindernis im Umgang mit dem Iran sei dessen Propaganda, die keine unmanipulierte Darstellung der Positionen der Vereinten Nationen zulasse: „Dialog ist nur dann sinnvoll, wenn er den Standpunkt der Bundesrepublik Deutschland, der Verbündeten und der Vereinten Nationen vollständig, klar und unmissverständlich zum Ausdruck bringt. Deswegen fordert von Klaeden eine „faire Untersuchung“ der Vorgänge: „Von einem Redakteur des deutschen Auslandsfunks muss man erwarten, dass er Positionen Deutschlands ungeschmälert darstellt.“ Dazu gehöre, dass er die „antisemitischen Ausfälle“ des iranischen Präsidenten oder dessen Holocaustleugnerkonferenz für „unakzeptabel“ erkläre.

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