Thomas Rietzschel / 06.04.2014 / 21:24 / 5 / Seite ausdrucken

Nahles in die Produktion!

Unter der Überschrift „Die seltsame Frührente“ fragt die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, ob es „noch zeitgemäß“ sei, dass die Piloten dafür kämpfen, weiterhin mit 55 Jahren in Rente gehen können. Man muss den Artikel nicht weiter lesen, um sich die Frage selbst beantworten zu können. Natürlich ist es ganz und gar nicht zeitgemäß, wenn hierzulande noch für die Verkürzung der Lebensarbeitszeit gestreikt wird. Gleich, ob nun die Piloten, die Lokführer oder sonst wer Streikposten beziehen.

Denn erstens werden wir alle schon morgen länger arbeiten müssen, weil nicht genug Junge da sind, die für uns einspringen könnten. Und zweitens waren die Älteren noch nie so gut drauf, wie sie es heute schon sind und erst recht in der Zukunft sein werden. Der medizinische Fortschritt, die gesündere Ernährung und der Spaß an körperlicher Betätigung, die verkürzte Arbeitszeit und der verlängerte Urlaub haben uns eine deutlich höhere Lebenserwartung beschert. Verglichen mit früheren Generationen können wir in Freuden altern, sehr viel länger mitmischen als unsere Eltern oder Großeltern.

So viel Seniorenspielplätze können gar nicht gebaut, so viel Seniorenunis nicht eingerichtet werden, wie wir brauchten, um uns im Alter weiterhin „selbstverwirklichen“ zu können, durchdrungen von dem glücklich erhaltenen Bewusstsein unserer Jugendlichkeit. Man muss sich die streikenden Piloten nur einmal genauer anschauen: jeder für sich fit wie ein Trampolin. Wer dennoch darauf besteht, schon im besten Mannesalter für das Nichtstun bezahlt zu werden, rast als Geisterfahrer zurück in die Vergangenheit. Er weiß nicht, was er sich antut.

Allerdings wäre es ebenso falsch, würden wir jetzt die Piloten, weil sie nun gerade mal auf die Straße gegangen sind, als faule Sündenböcke abstempeln. Das sind sie nicht. Vielmehr stinkt der Fisch, wie wir von Bertolt Brecht wissen, stets vom Kopf her. Und der Kopf sitzt in diesem Fall mitten in Berlin, im Arbeits- und Sozialministerium. Wenn Andrea Nahles das Ruder herumreißt und der Geschichte entgegen steuert, indem sie ihren Wählern die Rente mit 63 verspricht, wären die Piloten doch dümmer, als es ihr Berufsstand erlaubt, würden sie ihrerseits nicht mehr verlangen, zumal sie über die Erfahrung eines ebenso anstrengenden wie erfüllten Arbeitslebens verfügen.

Das unterscheidet sie von der Ministerin, die bisher noch nicht das Glück hatte, einer irgendwie abrechenbaren, leistungsorientierten Beschäftigung nachgehen zu können. Noch vor dem Studium (20 Semester Politik, Geschichte und Germanistik) ist sie in die Politik umgestiegen.

Und vielleicht würde sie jetzt selbst gern einmal in die Arbeitswelt hinein schnuppern. Könnte doch sein. Wie wäre es zum Beispiel mit einem Praktikum bei der Lufthansa oder bei VW? Wenn die Möglichkeit dazu besteht, sollten ihr die Personalabteilung so schnell wie möglich ein entsprechendes Angebot machen. Die Zeit drängt, Hilfe tut Not. Es geht um unser aller Zukunft, um den Erhalt dessen, was uns ausfüllt: um die Wertschätzung der Arbeit. 

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Gregor Braun / 08.04.2014

@Franz Roth Er könnte auch im Tiefbau 8 Stunden am Tag schaufeln oder als Maurerhelfer drei Gesellen im Akkord mit Material versorgen.

Gregor Braun / 08.04.2014

Bei diesem Satz in dem Autor ein sehr schwerer Fehler unterlaufen. - “Denn erstens werden wir alle schon morgen länger arbeiten müssen, weil nicht genug Junge da sind, die für uns einspringen könnten.” -  Das ist so nicht wahr. Seit Jahren werden Abermillionen Einwanderer aus Hochqualifizierten Ländern in unserer Land gebracht oder finden den weg selbst hier her um selbstlos am Aufbau unserer Gesellschaft zu helfen. Es sind also schon genug da…

Ralf Tetzner / 07.04.2014

Dass die Deutschen immer so extensiv träumen müssen… Reinschnuppern in die Praxis als Allheilmittel? Daß ich nicht lache, da hilft kein Praktikum mehr (und hätte wohl auch nie geholfen).

Franz Roth / 07.04.2014

Wertschätzung der Arbeit? Der Autor war wohl auch noch nie in der “Produktion”, die er der Ministerin empfiehlt. Ganz schön “schreibtischbasiert” dieser Artikel. Empfehle ihm ein Praktikum. Zum Beispiel als Dachdecker mit 64. Oder in Akkordarbeit. Oder in Wechselschichten. Dort hat er bestimmt kein Problem mit der “Selbstverwirklichung” auf dem “Seniorenspielplatz”. Selten so viel Unwissen um die Arbeitswelt gesehen.

Markus Sommer / 07.04.2014

Wir haben Maschinen, Computer und Roboter erfunden, die uns die Arbeit abnehmen und für uns die Wertschöpfung erwirtschaften und was tun wir, wir erhöhen die Lebensarbeitszeit, dümmer gehts wohl nicht.

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