Rainer Bonhorst / 04.04.2014 / 15:35 / 1 / Seite ausdrucken

Kims Kampf

Kim Jong-un hat seine Drohung, die „feindiche Politik der USA total zu vernichten“, scheinbar noch nicht wahr gemacht. Scheinbar. Es gibt subtile Vernichtungstaktiken, deren zerstörerische Kraft nicht sofort erkannt wird. Ich fürchte, Kim bedient sich einer solchen subtilen Methode. Sein Kampfmittel ist die Haarfrisur.

Wie aus Nordkorea glaubhaft gemeldet wird, müssen Studenten des Landes – vermutlich unter Androhung der Todesstrafe – demnächst allesamt die Kim-Jong-un-Frisur vorweisen. Die Frage ist aber, ob diese brutale Haarschnittbedrohung auf Nordkorea begrenzt bleibt. Oder ist sie nicht schon dabei, ihre zersetzende Kraft im ahnungslosen Westen auszuüben?

Um dies sauber zu analysieren, muss zunächst einmal die Frisur des nordkoreanischen Diktators einer wissenschaftlich belastbaren Betrachtung unterzogen werden. Das Ergebnis dieser Betrachtung lässt sich auf die Formel bringen: Kim trägt einen Extrem-Fasson-Schnitt bei toupiertem, durch einen Mittelscheitel zerteiltem Oberkopfhaar. In dieser Kombination handelt es sich um eine nicht alltägliche Mode, die Einzelteile der Kombination können aber auf eine lange Tradition zurückblicken. Darum hier ein historischer Rückblick auf die Herrenfrisur vom Ende der Zweiten Weltkrieges bis zurJetztzeit.

Der klassische Fassonschnitt verlangt einen stufenlosen Übergang vom längeren Oberkopfhaar zum kürzeren bis ganz kurzen Nacken- und Überohrhaar. Dem Fassonschnitt hat aber schon immer eine Neigung zur Radikalität innegewohnt. Viele Friseure gaben sich mit dem Übergang wenig Mühe und schufen vom längeren Oberhaar nahezu übergangslos eine kahle Bombe an Nacken und Schläfe. In dieser Radikal-Fasson sind schon wesentliche Elemente des Kim-Schnitts erkennbar.

Die Radikal-Fasson hatte gemeinsam mit ihrer gemäßigten Schwester in den Nachkriegsjahren bis hinein in die frühen sechziger Jahre Saison. Parallel dazu gab es die lang nach hinten gekämmte Haartracht, die hinten und an den Seiten keinen Übergang benötigte.

Dieser Schnitt hatte die Neigung, störend nach vorne in die Stirn zu fallen, weshalb Sportler, vor allem Gußballer gerne zu einem Einmachgummi griffen, um das Langhaar zu bändigen. Einige benutzten – Gel gab’s noch nicht – Pomade, waren dann aber als Stenze verschrien. Ohne Pomade entwickelte das rückwärts gekämmte Langhaar die weitere Neigung, einen Mittelscheitel zu bilden und seitwärts auszuweichen. Dieser Mittelscheitel ist ein weiterer historischer Hinweis auf den Kim von heute.

Dann kam die Zeit der Elvis-Tolle, die hinten gesäßartig zusammengeführt wurde. Sie hatte in Gymnasiastenkreisen Konkurrenz durch Napoleon, also durch einen nach vorne ins Gesicht gekämmten Kurzhaarschnitt. Die Tolle gehörte zum Rock’n'Roll, Napoleon wurde zum Jazz getragen. Die beiden Alternativen wiesen durchaus klassenkämpferische Züge auf.

Dann kam Jesus. Die unterkieferlange Herrenfrisur trat gerne mit Vollbart auf, wobei nie klar war, ob ihr Träger sich Jesus oder den Wikingern näher fühlte. Die scheinbar bürgerlich gemäßigte Variante ergänzte das nicht ganz so lange Langhaar nicht durch einen Vollbart sondern durch einen kühn in die Quere gezogenen Schnurrbart. Damit wurde eine durchaus unbürgerliche, piratenhafte Gesamterscheinung erzielt.

Dann trat erstmals der Toupierkamm am Herrenhaar in Erscheinung. Er prägte eine Frisurvariante, die als Vokuhila in die Geschichte eingegangen ist. Vorne kurz bedeutete nämlich, dass das mittelkurz gehaltene Oberhaar luftig aufgehäufelt wurde, bevor es sich hinten in voller Länge über den Nacken legte. Eine unfreiwillige Entwicklung nahmen einige Vokuhila-Träger, als sich ihr Oberhaar weitgehend verabschiedete. Das Voku verschwand in Richtung Glatze und übrig blieb nur noch das Hila. Wie auch immer: Von dem hochtoupierten oder gefönten Voku führt ein ziemlich direkter Weg zu Kims Oberhaarpracht.

Die weitere Entwicklung sei nur kurz gestreift: Die rechtsradikale Glatze entwickelte sich zur coolen Karriereglatze. Der Punkschnitt, der stachelig und farbenfroh begann, transformierte sich in Richtung schwerer Körperverletzung, indem er als Ergänzung Piercings, Brandings und Ganzkörper-Tatoos forderte.

So weit dieser Ausschnitt der Haarhistorie ohne Anspruch auf Vollständigkeit. Denn wir springen nun übergangslos ins Heute: Und was erleben wir heute auf mitteleuropäischen Fußballplätzen? Wir erleben Spieler, die eine nordkoreanisch anmutende Radikalfasson tragen, also Seiten- und Hintenglatze mit unterschiedlich gekämmten längeren Oberhaar. Man könnte diese Frisur einen Dreiviertel-Kim nennen. Ihr fehlt nur noch der Mittelscheitel, der beim Auftürmen des Oberhaares hilft.

Ich kann mich des Gedankens nicht erwehren, dass Kim Jong-un mit seiner haarigen Unterwanderungsstrategie bereits auf die deutschen Fußballplätze vorgestoßen ist. Von hier nach Amerika ist es nicht mehr weit. Mit anderen Worten: Kim stellt frisurpolitisch gesehen eine ernst zu nehmende Bedrohung für die westliche Welt dar. Wenn wir demnächst alle Kims Haarschnitt tragen, ist es zu spät. Seine Drohung ist Realität geworden, auch wenn dann manchem die Haare zu Berge stehen. 

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Dirk Ahlbrecht / 04.04.2014

Satire, Herr Bonhorst, ist ein adäquates Mittel um die Machtlosigkeit gegenüber dem Irrsinns-Staat Nordkorea und dessen verbrecherischem Führer eine Form zu geben. Ein ehrenhaftes und aufrichtiges Mitglied der dortigen Streitkräfte oder auch eine amerikanische Predator-Drohne, die diesen Schwachkopf möglichst bald zu Vater und Großvater befördert, wäre mir allerdings lieber.

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