Es ist mal wieder spät geworden, Sie kommen müde und lustlos nach Hause, wo Sie wieder einmal niemand erwartet. Es ist einer jener Tage, der mit Kopfweh begann und mit Magenschmerzen endet. Sie werfen eine Portion zarte Hähnchenfilets in herzhafter Pilzsoße mit Schwarzwurzelgemüse und Petersilienkartoffeln, die Sie auf Vorrat gekauft haben, in die Mikrowelle, holen ein Jever aus dem Kühlschrank und setzen sich vor das Fernsehgerät. Mehr aus Routine als aus echtem Interesse. Mal schauen, vielleicht gibt es irgendwo einen Bauern, der eine Frau sucht oder eine Doku über allein erziehende Mütter in Transnistrien.
Zu viel erwartet. Es gibt nur Schrott. Sie zappen die Kanäle rauf und runter und bleiben bei 3sat hängen. Da haben Sie zuletzt einen Film über das Sozialverhalten der Piranhas gesehen. War nicht schlecht, sogar richtig spannend. Mal schauen, was es heute gibt.
Es gibt die “kulturzeit”, hausintern kurz “kz” genannt. Bei der “kulturzeit” gibt es inzwischen eine 75%ige Frauenquote, und würde Ernst Grandits, der einzige Mann in der Runde der weiblichen Moderatorinnen, wie es der Hofreiter, Anton sagen würde, nicht der geschützten Spezies der Wiener Cafehaus-Literaten angehören, hätte man auch ihn längst entsorgt und durch eine Frau ersetzt, vermutlich Barbara Schöneberger.
Heute aber ist es Tina Mendelsohn dran, über die ganze Heerscharen von Engeln ihre Flügel halten müssen, weil sie seit fast 14 Jahren die “kz” moderiert und jede Programmreform überlebt hat. Gleich im ersten Beitrag geht es um den Völkermord an den Armeniern. Ein launiges Thema, das eine launige Moderation verdient hat. https://www.youtube.com/watch?v=leqOotK0X88
Wie lange mag die Nachwuchskraft des ZDF an diesen Sätzen gefeilt haben? Jedenfalls so lange, dass ihr keine Zeit übrig blieb, mal nachzusehen, welche Staaten den Völkermord an den Armeniern als Völkermord anerkannt haben. Unter anderen auch die Schweiz, und das schon im Jahre 2003, also kurz nachdem Frau Mendelsohn “kz”-Moderatorin wurde.
Was Frau Mendelsohn möglicherweise am Rande mitbekommen, aber nicht richtig einsortiert hat, ist ein Verfahren gegen die Schweiz vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte, an das sich ein in der Schweiz lebender Türke gewandt hat, weil er sein Recht auf freie Meinungsäußerung durch das in der Schweiz geltende gesetzliche Verbot, den Völkermord an den Armeniern zu leugnen, gefährdet sieht. Sonst aber gehts dem kleinen Kemalisten gut. Schauen Sie hier: http://www.humanrights.ch/de/menschenrechte-schweiz/egmr/ch-faelle-dok/perinek-unrecht-leugnung-armenier-voelkermords-verurteilt
Nun gut, man bzw. frau kann nicht an alles denken. Hauptsache, der Outfit stimmt. Die schicke Kaukasenjacke, die Frau Mendelsohn anhatte, passte zum Thema. Zuletzt habe ich solche Kleidung auf dem Flohmarkt von Jeriwan gesehen.
Der Anmoderation folgte ein Interview mit dem Genozidforscher Mihran Dabag, das Frau Mendelsohn so führte, wie Postbeamte mit Ausländern sprechen, von denen sie glauben, dass sie der deutschen Sprache nicht mächtig sind. “Was ist da für ein Damm gebrochen”, fragte sie und betonte dabei jede Silbe einzeln, “dass plötzlich dieses Ereignis so im internationalen Fokus steht und auch das Wort ‘Völkermord’ so offen ausgesprochen wird?” - Dabag verschlug es die Sprache. Dann las Frau Mendelsohn ihre nächste Frage vom Spickzettel ab. Dabei ging es um den “Triumph” für die Armenier und die “Demütigung” für die Türkei. “Wird das zu nachhaltigen Verstimmungen führen?” Denn bis jetzt war die Stimmung prima, bis plötzlich und unerwartet alle anfingen, von einem “Völkermord” zu reden.
Auch auf die Gefahr hin, dass Ihnen anschließend die zarten Hähnchenfilets in herzhafter Pilzsoße mit Schwarzwurzelgemüse und Petersilienkartoffeln nicht schmecken sollten, das hier https://www.youtube.com/watch?v=W0P1xJ7mDmo müssen Sie sich ansehen. Eine Sternstunde der Interviewkunst.