David Harnasch / 28.04.2009 / 17:17 / 0 / Seite ausdrucken

Gastbeitrag -„Israel-Kritik“ der „Linken“: ein Verrat an Europa

Eine Rezension – Tilman Tarach: Der ewige Sündenbock* - von Daniel Leon Schikora

Die „linke“ Solidarisierung mit der „vaterländischen Bewegung“ der „Palästinenser“, die ihrerseits ihre panislamistischen Ursprünge niemals verhehlte, stellt eine politische Groteske dar, die bereits in den vergangenen Jahrzehnten bisweilen aufs Korn genommen wurde (so etwa von Henryk M. Broder). In Tilman Tarachs Werk spiegelt sich das Leiden des Autors am Verrat einer selbsterklärten Linken an für die originäre (europäische) Linke programmatisch verpflichtenden Prämissen eines humanistischen Universalismus wider: an dem Recht auf radikale Religionskritik (das institutionell gewährleistet ist erst im Falle der Verdrängung herrschaftlicher Religion aus der Sphäre des Politischen) sowie an dem telos der Selbstorganisation freier Individuen jenseits ethnischer Zwangskollektive.

Wenn das Gros der deutschen „Neuen Linken“ sich ab 1967 scharf gegen Israels vermeintlich „aggressive“ Sicherheitspolitiken wandte (nachdem der SDS nur wenige Jahre zuvor noch für die Aufnahme diplomatischer Beziehungen der BR Deutschland zur jüdischen Republik demonstriert hatte), so führt Tarach dies nicht zuletzt auf eine „unsterbliche Liebe“ der sogenannten Linken „zum Verlierertum“ (S. 281) zurück: Der einzige freiheitliche Verfassungsstaat im Nahen Osten galt dieser „Linken“ (erst) zu dem Zeitpunkt als Aggressor, als er sich gegenüber seinen ihm in Todfeindschaft gegenüberstehenden Nachbarn als wehrhaft erwies. Als einen weiteren Grund für „linken“ Antizionismus nennt der Autor die unkritische Rezeption der israelfeindlichen Haltung der UdSSR (die die Gründung der israelischen Republik begrüßt und diese während des Unabhängigkeitskrieges 1948/49 mit Waffen versorgt hatte, seit den 1950er Jahren jedoch einseitig auf die arabische Karte setzte). Dies trifft gewiss auf den prosowjetischen Teil der westdeutschen „Linken“ zu, mutatis mutandis gilt der Befund einer auswärtigen Einflussnahme auf israelpolitische Positionen einer „radikalen Linken“ freilich auch für die Rezeption der israelfeindlichen Polemiken der VR China im maoistischen Spektrum Westdeutschlands, das Tarach nicht explizit erwähnt.

Tarach schließt das letzte (17.) Kap. mit einer treffenden Polemik gegen jenes Segment der bundesdeutschen „Linken“, das wie kein anderes in den Jahren 1998-2005 die Regierungs-, nicht zuletzt auch die Außenpolitik unserer Republik bestimmte:

„In der ökologischen Nische der ‚Palästina-Solidarität’ konnte dann zunehmend eine Blut-und-Boden-‚Linke’ Fuß fassen (vertreten beispielsweise durch die konsequent antizionistische Sponti-Postille ‚Pflasterstrand’), die aber auch in anderen Fragen einen Verrat an den Werten der Aufklärung begangen hatten, am grundsätzlichsten vielleicht durch ihre Wissenschaftsfeindlichkeit.

Wer unter Hitler Denunziant oder KZ-Wärter geworden wäre, fand nun Gefallen an der Forderung ‚Juden raus aus Palästina’ (die sich hinter antiimperialistischen Phrasen notdürftig versteckte). Wer aufgrund seiner Psychostruktur am liebsten die scheußliche soziale Ungleichheit der Geschlechter verteidigt und für die deutschtümelnden Heimatvertriebenen-Verbände gekämpft hätte, konnte nun, weil ihm seine ‘linke’ Sozialisation dies nicht erlaubte, sein Herz stattdessen für die heimatvertriebenen Palästinenser entdecken. Und die gleiche verlogene und schlappe Pseudo-Linke, die Anfang der 80er Jahre im Falklandkrieg vor lauter ‚Antiimperialismus’ den argentinischen Samba-Faschismus gegen England verteidigte, unterstützt heute den palästinensischen Wasserpfeifen-Faschismus gegen Israel.“ (S. 284 f.)

Die Lektüre von Tarachs Buch ist jedem zu empfehlen, der an einer kompakten Einführung in die Motivation einer pseudo-linken „Israel-Kritik“ interessiert ist, deren antimodernistischen, antiwestlichen Kern der Autor schonungslos offen legt. Bei der Parteinahme nicht nur „linker“ Feinde Israels für islamische „Freiheitskämpfer“, welche – keineswegs nur in „Palästina“ – der „eigenen“ Jugend keine anderen Perspektiven gesellschaftlicher Organisation zu bieten haben, als die der Vorbereitung auf Suizid-Attentate, handelt es sich nicht um eine verfehlte Einschätzung irgendeines internationalen Konflikts, sondern um ein offenes Bekenntnis zur Barbarei.

* Tilman Tarach: Der ewige Sündenbock. Heiliger Krieg, die „Protokolle der Weisen von Zion“ und die Verlogenheit der sogenannten Linken im Nahostkonflikt. Freiburg: Edition Telok 2009. 300 S., 19.80 €

Sie lesen gern Achgut.com?
Zeigen Sie Ihre Wertschätzung!

via Paypal via Direktüberweisung
Leserpost

netiquette:

Leserbrief schreiben

Leserbriefe können nur am Erscheinungstag des Artikel eingereicht werden. Die Zahl der veröffentlichten Leserzuschriften ist auf 50 pro Artikel begrenzt. An Wochenenden kann es zu Verzögerungen beim Erscheinen von Leserbriefen kommen. Wir bitten um Ihr Verständnis.

Verwandte Themen
David Harnasch / 17.11.2014 / 19:19 / 1

Bis morgen, Nürnberg

Wer am Dienstagabend (18.11.) noch nichts vorhat und im Einzugsbereich Nürnbergs ist, der ist herzlich willkommen zu meinem Vortrag “Antisemitismus und der Zeitgeist - zwei…/ mehr

David Harnasch / 10.11.2014 / 23:34 / 2

Die Mauer muss weg! Die Mauer muss weg!

... so riefen die Leute, die an den Absperrungen zur Straße des 17. Juni standen und zur Einheitsfeier am Brandenburger Tor wollten und ihrem Frust…/ mehr

David Harnasch / 12.06.2014 / 10:46 / 1

Jetzt im Handel: Liberal 3/2014!

Das neue liberal ist ab morgen (Donnerstag) im Bahnhofsbuchhandel. Schwerpunkt: Die Große Koalition und ihre Regierungsarbeit unter dem Motto „Das Wir entscheidet, das Du bezahlt“.…/ mehr

David Harnasch / 08.06.2014 / 15:30 / 0

Ich als lebendige Person

Seit einem Jahr bin ich Studentin. Meine Kommilitonen sagen, dass ich das eigentlich nicht sagen sollte, weil das nicht gut für meinen Stolz ist. Aber…/ mehr

David Harnasch / 30.05.2014 / 10:55 / 1

Kollegenschelte vom Süddeutschen Beobachter

Wie aus einem völlig normalen Schweizer ein Nazi wird und aus einem echten Nazi ein Widerstandskämpfer, lesen wir in der Prantl-Prawda. Sie berichtet über eine…/ mehr

David Harnasch / 03.04.2014 / 00:59 / 0

Verlautbarungen aus Pallywood, Ericusspitze 1, 20457 Ramallah

Schreibt Raniah Salloum für SPON, weiß der Stammleser schon vor der Lektüre, dass die Redaktion mit weniger als zwei Minuten googlen die gröbsten Lügen hätte…/ mehr

David Harnasch / 25.03.2014 / 16:25 / 4

Kosmetik statt Staatsferne für das ZDF

Das Bundesverfassungsgericht schlägt im gestrigen Urteil zum ZDF die Schlachten der 60er Jahre und versäumt, den Realitäten der Gegenwart Rechnung zu tragen, meint Boris Eichler:…/ mehr

David Harnasch / 23.02.2014 / 12:03 / 9

Was die heute Show mit dem deutschen Brain Drain zu tun hat

SPON meldet heute: “Deutschland verliert viele der besten Wissenschaftler durch Abwanderung. Zwar gibt es Rückkehrer, jedoch können nicht Wissenschaftler gleicher Qualität zurückgewonnen werden”, schreiben die…/ mehr

Unsere Liste der Guten

Ob als Klimaleugner, Klugscheißer oder Betonköpfe tituliert, die Autoren der Achse des Guten lassen sich nicht darin beirren, mit unabhängigem Denken dem Mainstream der Angepassten etwas entgegenzusetzen. Wer macht mit? Hier
Autoren

Unerhört!

Warum senken so viele Menschen die Stimme, wenn sie ihre Meinung sagen? Wo darf in unserer bunten Republik noch bunt gedacht werden? Hier
Achgut.com