Seit einem Jahr bin ich Studentin. Meine Kommilitonen sagen, dass ich das eigentlich nicht sagen sollte, weil das nicht gut für meinen Stolz ist. Aber wenn ich mit dem Studium fertig bin, sagen sie, dann sollte ich sagen, dass ich studiert habe und vor allem auch, wo. Während des Studiums wird man nicht ernst genommen, danach schon, sagen meine Kommilitonen. Wenn man sagt, ich studiere am Literaturinstitut, sei es so, dass einen die Lektoren und Verleger eher mitleidig, wenn auch gespannt, ob des möglicherweise gut verkäuflichen Nachwuchses anschauen. Wenn man sagt, ich habe am Literaturinstitut studiert, ist man der gut verkäufliche Nachwuchs. Als ich meinen Kommilitonen sagte, dass ich schon 32 bin und mich nicht gerade wie der Nachwuchs fühle, ob nun vor oder nach dem Studium, schauten sie mich eher mitleidig an. Nach einem halben Jahr erzählte ich ihnen, dass ich einen Nebenjob gefunden habe und darüber sehr froh sei. Sie sagten, wieso hast du einen Nebenjob? Weil mir mein Geld nicht reicht, sagte ich. Ja, aber das gehört doch zum Künstler-Dasein dazu, sagten sie, dass das Geld nicht reicht. Du musst doch wenig Geld haben, wenn du schreiben willst! Ich sagte, dass das Geld auch dann noch wenig sei, wenn ich den Job machen würde, aber sie sagten: Du solltest dich entscheiden. Entweder du schreibst und hast halt ein bisschen Hunger dabei – dafür entstehen aber wenigstens gute Texte, oder du arbeitest und hältst dich dadurch vom Schreiben ab. Ich sagte, dann mache ich lieber Letzteres, denn ich kann mit Hunger weder schlafen, noch schreiben. Sie fragten, welchen Nebenjob ich denn hätte und nachdem ich es ihnen beantwortet habe, fragten sie mich nichts mehr. Das sei politisch ja total verkehrt und überhaupt, was ich mir denn dabei denke. Was ich mir dabei denke ist, dass es sehr praktisch ist, einen Job zu haben, über den man schreiben kann. Zwei Fliegen mit einer Klappe quasi, sagte ich. Na das wollen wir ja mal sehen, sagten meine Kommilitonen.
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